Versetzen wir uns kurz ein halbes Jahr zurück und stellen uns dann diesen Juni vor: Die Stadt wäre plakatiert, auf dem Markt würden Flyer an Bürger verteilt, regelmäßig fänden Podiumsdiskussionen statt, in den SÜDKURIER hätte der Wahlkalender Einzug gehalten.
Kurz gesagt: Der Oberbürgermeister-Wahlkampf wäre in seine heiße Phase eingetreten, in etwas mehr als zwei Wochen würde gewählt.Verschiebung der Wahl wegen Corona
Zurück zum Wissen von heute: Durch die Corona-Pandemie wurde neben vielen anderen Terminen auch die Wahl von Sommer auf Herbst verschoben.
Auf den ursprünglichen Wahltag, 5. Juli, will Kandidat Luigi Pantisano nun seinen Auftakt in den Wahlkampf legen – voraussichtlich im eher kleinen Kreis mit Unterstützern aus dem grünen und linken Lager.
Vorab hat der verheiratete 40-Jährige Vater einer zweijährigen Tochter und eines sechsjährigen Sohnes bei einer Pressekonferenz in Konstanz sein Programm vorgestellt. Von den vier Bewerbern ist er der derzeit aktivste, vornehmlich konzentriert er sich dabei aufs Internet. Dauerhaft aus Stuttgart, wo er derzeit Stadtrat ist, nach Konstanz ziehen will er ab August.

Andere Kandidaten geben sich bisher im Wahlkampf noch bedeckt
Also dann, wenn auch Uli Burchardt in den Wahlkampf einsteigen will, der angekündigt hatte, sich bis dahin voll auf die laufenden Amtsgeschäfte zu konzentrieren. Die weiteren bekannten Bewerber, Andreas Matt und Felix Müller, werden entweder über die sozialen Medien zögerlich aktiver (Matt) oder lassen vorerst nichts von sich hören (Müller).
Luigi Pantisanos Pläne reichen weit und richten sich an einem Leitbild aus, wie Konstanz im Jahr 2030 sein soll. Wie auf die Herausforderungen beim Wohnen, dem Verkehr, der Wirtschaft und dem Klima umgegangen reagiert werde, wolle der frühere Quartiersmanager des Gebiets Berchen-Öhmdwiesen nicht allein entscheiden.
Die Bürger mitreden lassen – auch bei der Zukunft des Bodenseeforums
„Der Schwerpunkt liegt auf Beteiligung im Sinne von Mitgestaltung“, sagt Pantisano. So will er nicht nur einen Jugendgemeinderat und einen mit Studierenden und Hochschulvertretern besetzten Ausschuss einrichten. Der Architekt und Stadtplaner denkt auch an die Berufung eines Bürgerrats, der kein zahnloser Tiger soll, sondern dessen Entscheidungen auch umgesetzt werden sollen.
Hierzu würde auch, um ein aktuelles Beispiel der Stadtentwicklung zu nennen, die Zukunft des Bodenseeforums zählen. „Ich könnte es mir leicht machen und sagen, die Stadt muss das Haus abgeben“, erklärt Pantisano. „Aber ich will darüber mit den Bürgern sprechen und auf der Basis ihrer Meinung überlegen, wohin wir in Zukunft mit dem Bodenseeforum wollen.“
Viele gute Idee, aber wie werden diese bezahlt?
Viele von Pantisanos Ideen werden in der Theorie kaum Widerspruch finden: eine 200-Euro-Zulage für Erzieher aus städtischer Hand, um diesen den Standort schmackhaft zu machen, zum Beispiel; oder die Einführung eines Ein-Euro-Bustickets, das langfristig in einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr übergehen soll; auch am Vorschlag, Wobak und Seezeit sollen ihre Mieten nicht erhöhen, wird niemand etwas auszusetzen haben. Nur wie diese und weitere hochfliegende Ideen bezahlt werden sollen: Darauf hat Luigi Pantisano noch keine konkrete Antwort.
Muss er aus seiner Sicht auch nicht, denn: „Beschlüsse kosten ja zunächst einmal noch nichts“, erklärt er zunächst. Und ergänzt mit Blick auf die eingebrochenen Gewerbesteuereinnahmen aus den Bereichen Handel, Gastronomie und Tourismus: Die Situation werde sicher mittelfristig angespannt sein. „Aber die Probleme werden weniger werden, diese Branchen sind bereits vor der Öffnung der Grenze sichtbar angelaufen.“
Sparen beim Klima wäre aus Sicht von Luigi Pantisano der falsche Ansatz
Gerade beim Klima sollte derzeit nicht gespart werden, sagt er mit Blick auf die von der EU, dem Bund und Land diskutierten Förderprogramme in diesem Bereich. Hier gehe es um „sehr, sehr viele Milliarden“, sagt Pantisano. Die Stadt Konstanz solle „als Leuchtturm vorangehen, und sich mit seinen Ideen um diese Gelder bewerben, um klimaneutral bis -positiv im Jahr 2030 zu werden“.
Das alles trotz Corona-Wirtschaftskrise? „Gerade deshalb“, meint Luigi Pantisano. Corona und die Folgen seien auch eine Auswirkung falscher Umweltpolitik der vergangenen Jahre auf Bundes- und EU-Ebene. „Auf lokaler Ebene müssen wir jetzt gegensteuern und uns dort jetzt auf den Weg machen beim Voranbringen der Klimapolitik“, meint er.
Klima, Verkehr, Wohnen, Familie: Kein Bewerber wird um diese Themen herumkommen
Der Schwerpunkt auf den Bereich Klima ist konsequent. Denn der 40-Jährige hat sich spätestens seit der Unterstützung der Grünen ein ökologisches Profil angeeignet. Neben dem Bereich Umwelt will er sich auf nachhaltige Mobilität, Wohnen und Familie konzentrieren. Es ist schwer vorstellbar, dass einer der Konkurrenten eines dieser Themen nicht bearbeiten will. Es stellt sich eher die Frage, ob die Reihenfolge diese von Luigi Pantisano gewählte ist.
Werden die verkehrspolitischen Ziele zum Fettnäpfchen?
Strittig könnte es bei seinen Vorstellungen zum Verkehr werden. Abgesehen vom bereits erwähnten möglichst günstigen ÖPNV und Verbesserungen für Rad- und Fußgänger, wird er Autofahrer vor den Kopf stoßen. Denn primäres Ziel ist für ihn im Falle des Wahlerfolgs: Reduzierung von Pkw im Allgemeinen und in der Innenstadt im Besonderen.

Pantisano ist „überzeugt davon, dass davon auch der Handelsstandort profitiert, weil das Zentrum dadurch attraktiver wird“. Die Menschen würden sich folglich länger dort aufhalten und somit potenziell auch mehr einkaufen. Dies hätten ihm Konstanzer Händlern, die sich für nachhaltiges Wirtschaften einsetzen, bestätigt. Einer davon betreibt den Ort seiner Pressekonferenz: ein Unverpackt-Laden in der Laube.
Ob er mit diesem Ziel auch den Bedürfnissen aller Händler, aller Kunden und letztlich auch einer Vielzahl möglicher Wähler aus der Seele spricht? Das entscheidet sich an der Wahlurne am 27. September.