Die Regenwolken über Konstanz sehen finster aus. Doch nur ein paar Tropfen schaffen es auf den Boden. Die Wolken ziehen über den Bodensee weiter nach Friedrichshafen. Erst dort öffnet der Himmel seine Schleusen. Einfach nur typisches April-Wetter?
Oder reiner Zufall? Nein, sagt Ulrich Kümmerle, Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst (DWD). „In Lindau schüttet es, während es in Radolfzell nur regnet. Der Bodenseeraum ist wie ein Streuselkuchen“, bringt er es auf den Punkt.

Dass das kein subjektives Gefühl ist, zeigen die Aufzeichnungen von Wetterkontor. Während es in Konstanz im langjährigen Mittelwert pro Jahr 834 Liter pro Quadratmeter regnet, sind es in Friedrichshafen 989 Liter pro Quadratmeter und im österreichischen Bregenz 1098 Liter pro Quadratmeter. Noch weniger sind es in Singen.
Dort regnete es im gleichen Zeitraum 808 Liter pro Quadratmeter. Brauchen die Häfler also öfter einen Regenschirm? „Nein, das kann man so nicht sagen“, erklärt Jürgen Schmidt, Meteorologe bei Wetterkontor, „Die Schauer fallen dort eher heftiger aus.“
Doch wie kommt dieser lokale Unterschied zustande? Immerhin liegen zwischen Singen und Friedrichshafen gerade einmal 50 Kilometer. Zwischen der Konstanz und der Heimat der Häfler sind es sogar nur 23 Kilometer. Und trotzdem kann, überspitzt gesagt, in Konstanz die Sonne scheinen und am nördlichen Bodenseeufer die Welt untergehen.
Überspitzt, ja, das sei diese Formulierung, so die Wetter-Experten. Dennoch könne man belegen, dass das Wetter in der Konzilstadt und der Zeppelinstadt unterschiedlich sein kann. Sowohl Ulrich Kümmerle als auch Jürgen Schmidt sagen: Das liegt meist an den westlich vorliegenden Winden, den Bergen und dem Bodensee.

„Die Berge können einen Hebungseffekt auf die Wolken haben“, sagt Jürgen Schmidt. Der Luftstrom aus dem Westen drückt die Wolken gegen die Berge. Es kommt zum Wolkenstau. „Die Wolken kommen nicht über die Berge“, sagt Schmidt.
Die Städte am östlichen Bodensee, die sich näher an den Alpen befinden, liegen also in einer sogenannten Staulage. Auf der Nordseite der Alpen kann diese Lage bei Nordwestwind bis zur Donau reichen. Die Folge: Die Feuchtigkeit in den aufgestauten Wolken geht als Niederschlag vor den Bergen zu Boden. Es regnet. Besonders gut könne man das beiden Bergen der Voralpen beobachten.

„Deshalb regnet es am östlichen mehr als am westlichen Ende des Bodensees“, sagt der Experte von Wetterkontor. Auch Ulrich Kümmerle erklärt so den höheren Niederschlag in Friedrichshafen, Lindau oder Bregenz. „In Radolfzell regnet es noch seltener“, sagt Kümmerle. Nach den Aufzeichnungen des DWD kommen dort im langjährigen Mittelwert nur 790 Liter Regen pro Quadratmeter runter.
An der Anzahl der Gewitter ändere das allerdings nichts. „Die sind in etwa gleich“, sagt Jürgen Schmidt. Es könne aber sein, dass die Berge die Gewitter schneller auslösen. Das könne auch auf den Hohentwiel zutreffen.
Aber auch der Bodensee habe Auswirkungen auf die Regenbilanz. „Wenn die westlichen Winde über den See streifen, können sie Feuchtigkeit aufnehmen und dann am anderen Ufer wieder als Regen runterkommen“, erklärt Schmidt.
Der Bodensee ist eine kleine Heizung
Auch bei der Temperatur gibt es Unterschiede. Während die Wetterstationen in Seenähe ein bis zwei Grad im langjährigen Mittelwert mehr messen, ist es im Hegau etwas kühler. „Singen hat einen Mittelwert von 9,7 Grad Celsius, Konstanz 10,3 und Friedrichshafen 9,8“, liest Schmidt aus seiner Wettertabelle vor.
Hierfür benennt der Meteorologe zwei Faktoren: den Bodensee und die höheren Lagen der Ortschaften. „Der Bodensee funktioniert wie eine Heizung“, sagt er. Deshalb sei es in Konstanz eigentlich immer etwas wärmer. „Das Klima in Konstanz ist lokal maritimer“, sagt Schmidt.

Auch die Höhenlagen der Orte komme hier zum Tragen. Die Konstanzer Wetterstation liegt auf einer Höhe von 428 Metern, Singen auf 445 Metern und Friedrichshafen auf 461 Metern. „Das wirkt sich direkt aus“, erklärt Schmidt.