Haben Sie sich in jüngster Zeit einmal über eine Bahnfahrt geärgert? Das war unbedacht – denn Sie haben möglicherweise nicht bemerkt, dass Sie mitten in einem Management-Resilienz-Training stecken.
Ein Beispiel – und zugleich Lektion 1: Recherche und Hartnäckigkeit. Sie kaufen online eine Fahrkarte, die Reise wochenlang geplant, steigen in KN-Petershausen ein, es geht nach Kassel über Donaueschingen und Freiburg. Schon nach 30 Minuten in der Schwarzwaldbahn wird klar, all die Vorbereitung war für die Katz. Dieser Zug wird den Anschlusszug nicht erreichen, der Grund: „Verspätung wegen Zusatzhalten“.
Nach dem Versuch, über die DB-App eine alternative Verbindung zu suchen, hilft ein freundlicher Zugbegleiter weiter. Auch ein pünktlicher Zug hätte Ihnen an diesem Tag nichts genützt, denn der Anschlusszug von Donaueschingen nach Freiburg fällt aus: Der Grund: Personalmangel, wie der Zugbegleiter erklärt. (Spätestens jetzt müsste Ihnen klargeworden sein, dass die Fahrt nur Mittel zum Zweck ist).
Die neue Streckenlösung klingt kompliziert, ist aber einfach: Aussteigen in Villingen, mit dem Schienenersatzverkehr (SEV) nach Triberg, von dort weiter per Zug nach Baden-Baden. Und dort steigen Sie – oh Wunder – wieder in den ICE Richtung Kassel, den Sie eigentlich in Freiburg hätten erreichen wollen.

Lektion 2: Geduld und die passende Ausrede. Nach den Umwegen ist das Training an diesem Tag noch nicht beendet. Denn auch der vertrauenswürdige ICE 73 wird nicht pünktlich am Ziel ankommen. Doch immerhin: Er kommt an – mit einer runden Stunde Verspätung. Der Grund: „wegen eines Defekts an einem anderen Zug“.
Klingt ein bisschen so, als hätten Sie nicht pünktlich zur Arbeit erscheinen können, weil das Fahrrad Ihres Nachbarn kaputt ist. Am Ende des Tages zählt allerdings nur eins: Sie sind angekommen und bleiben deshalb ganz nach Lehrbuch guter Stimmung und stets positiv.
Lektion 3: Immer Dranbleiben und Verständnis fürs Ganze entwickeln. Bei der Rückfahrt haben Sie nun schon gelernt und gehen nicht mehr naiv an die Reise heran. Im Gegenteil, Sie zeigen Eigeninitiative! Sie sind eine gute Stunde früher am Bahnhof – das empfiehlt man ja auch bei Flügen.
Schon zahlt es sich aus: Bei Nachfrage am Schalter wird klar, bei der gebuchten Verbindung können Sie Ihren Anschlusszug in Mannheim nicht erreichen. Die Empfehlung: Einen früheren, aber ebenfalls verspäteten ICE zu nehmen. Und: Oh Wunder, es ist der sagenhafte ICE 73, der sich schon bei der Hinfahrt als verlässlich erwies. Nach 25 Minuten Wartezeit einsteigen, losfahren.

Der ICE hält, was er verspricht. Nur wird bei Weiterfahrt deutlich: Trotz des Vorsprungs wird es nicht möglich sein, den Anschluss in Freiburg zu erreichen, sagt die Bahn-App, die zur treuen Begleiterin wurde. Der Grund: „das Warten auf einen entgegenkommenden Zug“.
Bei Erscheinen des Zugbegleiters bestätigt er Ihre Vermutung: Bleiben Sie im Zug bis Basel und steigen Sie dann erst um, dort haben Sie noch 40 Minuten Wartezeit. Der Plan geht auf und schließlich kommen Sie mit nur einer Stunde Verspätung ohne sichtbare seelische Schäden in Konstanz-Petershausen an.
Wie, Sie finden eine solche Fahrt recht ärgerlich? Haben Sie es doch noch nicht verstanden? Sie nehmen an einem Manager-Resilienz-Programm teil und haben bereits die Module Recherche, Beharrlichkeit und Weitblick erfolgreich absolviert.
Und nun denken Sie bitte mal nach: Das Ganze zu den sensationellen Unkosten einer Bahnfahrkarte (Hin und Rück). Richtig, das ist ein herausragend günstiges Angebot – allerdings nur in der Pilotphase. Also freuen Sie sich übers Schnäppchen und denken Sie daran: Dieses unverzichtbare Programm könnte bald deutlich teurer werden.