Herr Scigliano, die Hälfte Ihrer Amtszeit ist abgelaufen. Vor vier Jahren wurden Sie als Quereinsteiger in das Rathaus gewählt. Ist ihnen der Umstieg aus der freien Wirtschaft auf den Chefsessel im Mühlinger Rathaus damals schwergefallen?

Nein. Ich habe mir vor meiner Kandidatur genau angeschaut, wie das Profil eines Bürgermeisters aussieht, und wo es Überschneidungen zu meinem Aufgabenprofil in der Industrie gibt. Dabei habe ich festgestellt, dass der Unterschied gar nicht so groß ist, abgesehen davon, dass man sich in der Verwaltungslaufbahn mit Verwaltungsrecht beschäftigt und wir uns mit Wirtschaftsrecht beschäftigt haben. Dazu kam, dass mein Amtsantritt in die Corona-Zeit fiel. Dadurch, dass es nicht viele Termine gab, hatte ich auch Zeit, mich in die anstehenden Themen einzuarbeiten. Zudem habe ich an der Verwaltungshochschule in Kehl ein sechsmonatiges Quereinsteigerstudium besucht.

Ist das Amt des Bürgermeisters so, wie Sie es sich vor Ihrem Amtsantritt vorgestellt hatten?

Zum Teil ja. Den Teil des Gestaltens, etwas für die Bürger erreichen zu können, den hatte ich mir so vorgestellt. Die Vielzahl der Termine, die auch in einer kleinen Gemeinde für den Bürgermeister anstehen, hatte ich allerdings etwas weniger eingeschätzt. Ich genieße das zwar, aber manchmal muss man sich auch etwas überwinden, am Abend nochmal auf Termine zu gehen. Das funktioniert aber auch nur, weil meine Familie dahintersteht, hier vor allem auch meine Frau, die sich um meinen Sohn und vieles mehr kümmert.

Was waren denn ihre herausforderndsten Momente?

Ich erinnere mich noch gut an den ersten Hausbrand, bei dem mich die Feuerwehr benachrichtigt hat. Als Bürgermeister geht man bei solchen Lagen natürlich auch mit raus. Man weiß ja nie, welche Notlage entstanden ist und ob zum Beispiel jemand untergebracht werden muss. Auch der Vorfall mit einer Person im psychischen Ausnahmezustand in Zoznegg Ende des vergangenen Jahres, bei dem plötzlich ein Großaufgebot der Polizei samt Sondereinsatzkommando vor Ort war, war so eine Herausforderung.

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Was waren insgesamt die größten Herausforderungen, die Sie als Mühlinger Bürgermeister bewältigen mussten?

In der Zeit, in die mein Amtsantritt fiel, wurden direkt wieder die Corona-Maßnahmen verschärft. Da galt es dann Schulen, Kindergärten und die Hallen der Gemeinde zu schließen. Das war eine enorme Herausforderung. Auch weil oft von Seiten der Landes- oder Bundesregierung sonntagabends noch neue Verordnungen kamen, die am Montag schon umgesetzt sein sollten. Hier galt es vor allem ein gesundes Mittelmaß zu finden und nicht zu einer Überwachungsgemeinde zu werden. Daneben galt es Impftermine zu organisieren, Masken und Tests zu beschaffen. Davon waren etwa die ersten anderthalb Jahre geprägt.

Danach ging es weiter mit den alltäglicheren Herausforderungen. Es gab Kindergarten-Engpässe zu bewältigen, die Grundschule platzte aus allen Nähten, auch die Flüchtlingsunterbringung hat mich sehr beschäftigt. Aber hier sind wir mittlerweile gut aufgestellt.

Was würden Sie persönlich für sich als die bisher größten Erfolge Ihrer Amtszeit verbuchen?

Erfolge gibt es viele. Die Frage ist, ob es immer die größten sind, die zählen. Aber ich würde zum Beispiel die Einrichtung einer SOS-Mailadresse für die Bürgerinnen und Bürger dazuzählen. Über diese können Mängel oder Missstände in der Gemeinde zentral an das Rathaus gemeldet werden. Das wird auch gut angenommen und hat sich bewährt. Dass die Biberbahn in Mühlingen hält, dass wir eine tolle Auswahl an Kandidaten für den neuen Gemeinderat hatten und die Energiekrise erfolgreich bewältigt haben, waren für mich ebenfalls tolle Erfolge.

Mit der schönste Erfolg war für mich aber auch, dass wir es geschafft haben, unsere Vereine gut durch die Corona-Zeit zu führen und das Vereinsleben nach den Lockdowns wieder aufblühen konnte. Auch der große Kindergartenneubau ist ein schöner Erfolg, den wir in den vergangenen vier Jahren ins Rollen gebracht haben.

Welche der Ziele, die Sie sich im Wahlkampf gesteckt hatten, sind denn noch offen?

Im Wahlkampf hatte ich einen Flyer mit 21 Hauptthemen, die mir zum Teil aus der Gemeinde zugetragen wurden. Was wir davon noch nicht umgesetzt haben, ist ein zentraler Wochenmarkt. Auch das Thema betreutes Wohnen im Ort ist noch nicht umgesetzt, das liegt einfach daran, dass es ein sehr langes Verfahren ist. Noch offen ist zudem die Schaffung neuer Gewerbegebiete und Jugendtreffs. Die Anschaffung eines Vereinsbusses und die Schulerweiterung haben wir ebenfalls noch vor uns.

Das klingt, als gäbe es für die zweite Hälfte der Amtszeit nicht mehr allzu viel Arbeit?

Doch! Denn genau diese Projekte gilt es jetzt umzusetzen und zum Teil sind sie sehr arbeitsintensiv. Gerade die Ausweisung neuer Gewerbeflächen braucht viel Zeit, denn das Verfahren, das dahintersteckt, ist sehr aufwendig. Da können sehr schnell noch vier Jahre ins Land ziehen, ehe wir einen Spatenstich vornehmen können. Auch die Schulerweiterung ist ein sehr umfangreiches Projekt.

Daneben stehen aber auch noch viele Dinge an, die im Wahlkampf gar kein Thema waren. Beispielsweise der barrierefreie Umbau unserer Bushaltestellen, die Unterbringung von Flüchtlingen oder die Aufrechterhaltung unserer Infrastruktur. Die Arbeit wird mir nicht ausgehen, aber ich bin auch nicht angetreten, um mich auszuruhen.

Gibt es auch Projekte, die Sie gerne umgesetzt hätten, die sich in der Realität aber als unrealistisch herausgestellt haben?

Die Gemeinde hat ja vor einigen Jahren Schloss Mühlingen gekauft. Aber das Schloss schlummert noch immer im Dornröschenschlaf. Wir würden das Gebäude gerne wieder einer öffentlichen Nutzung zuführen. Da wäre ich gerne weiter. Es ist zwar in einem sehr guten Zustand, aber der Denkmalschutz bringt viele Hürden mit. Selbst wenn wir alle Fördertöpfe ausnutzen, werden sicherlich mindestens vier Millionen Euro fällig, wenn wir das Gebäude wieder einer öffentlichen Nutzung zuführen wollen. Für eine kleine Gemeinde ist das viel Geld.

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Sie haben schon angedeutet, dass es viele Projekte gibt, die über einen Zeitraum laufen, der über eine Amtszeit hinausgeht. Machen Sie sich schon Gedanken, wie es für Sie weiter geht, wenn die nächste Bürgermeisterwahl ansteht?

Nein. Ich lebe im Hier und Jetzt und gestalte meine Gemeinde unabhängig von einem Endtermin. Aber normalerweise tritt man als Bürgermeister einer kleinen Kommune nicht nur für eine Amtszeit an. Wenn die Bürger mir das Signal geben, dass sie mir ihr Vertrauen bei der nächsten Wahl für eine weitere Amtszeit geben werden, dann werde ich mit Sicherheit auch wieder zur Wahl stehen. Ich habe auch nicht das Bestreben, irgendwo anders zu kandidieren.