Marina Kupferschmid

60 000 Besucher in zehn Jahren, das sagt schon fast alles: Das Universum-Nostalgiekino in Radolfzell ist zu einer festen Institution geworden. Mit einem großen Filmball feiert es am 5. Oktober im Milchwerk seine Erfolgsgeschichte.

„Bohemian Rhapsody“ war großer Erfolg

Menschen aus der ganzen Region, insbesondere aus der Generation 40+, lieben den Charme des wieder zum Leben erweckten Universum-Filmtheaters, das Mitglieder des Kinovereins in mehreren tausend Arbeitsstunden vor dem Abbruch gerettet haben. Fast jede Woche gibt es freitags und sonntags Vorstellungen im Ambiente von früher, stets mit einer kurzen persönlichen Einführung durch ein Mitglied des Kinovereins.

Doch längst beschränkt man sich nicht mehr auf die Filmklassiker aus vergangenen Zeiten. Zwischenzeitlich werden vorwiegend jüngere Filme gezeigt, die das Prädikat „wertvoll“ haben oder die Wünsche der Besucher erfüllen. „Wie eine Bombe hat Anfang des Jahres ‚Bohemian Rhapsody‘ eingeschlagen. Wir hatten 15 Vorstellungen mit 2500 Besuchern“, erzählt Uwe Kemmer, der Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins mit leuchtenden Augen.

Andre Rieu und Dieter Hallervorden

Als ganz besonderer Event konnte in Radolfzell die Aufzeichnung des Andre Rieu-Konzerts in Maastricht gezeigt werden, die einmal jährlich europaweit nur einen Tag lang in den Kinos ausgestrahlt wird. Die privaten Kontakte zu Regisseur Pit Weyrich, Herr über 60 Kameras, machten es zudem möglich, dass dieser nach Radolfzell kam, in den Film einführte, Autogramme gab und Fragen aus dem Publikum beantwortete.

Beherzt griff Uwe Kemmer jüngst auch zum Telefon, um in Zusammenarbeit mit dem Seniorenrat den Hallervorden-Film „Mein Freund das Ekel“ im Seniorenkino spielen zu können. „Dieser Film läuft in keinem Kino, wir haben das ZDF frech um die Rechte für ein einmaliges Abspielen gebeten und es hat geklappt! Wir haben ihn dann – zugegeben zeitaufwändig – selbst auf Kinoformat umgerechnet“, berichten die Kinomacher.

4-K-Projektor neben analoger Technik

Es kommt noch besser: Mittlerweile verfügt der Verein über modernste Technik im Projektionsbereich. Zum Jubiläum hat sich das Nostalgiekino einen 4-K-Projektor mit Laser-Lichtquelle geleistet, von dem deutschlandweit in den Kinos nur zehn Exemplare stehen. Für die 70 000 Euro-Investition konnte der bereits 2014 angeschaffte erste digitale Projektor gut verkauft werden, und ein zinsgünstiges Darlehen wurde aufgenommen. Auch die Medien-Filmgesellschaft in Stuttgart und die Filmförderanstalt in Berlin unterstützten das Projekt.

„Wir sehen die neue Technik als wichtigen Schritt für die nächsten zehn Jahre, denn die Ära der analogen Filmwelt ist für neue Produktionen beendet“, erklärt Uwe Kemmer, der den bisherigen Erfolg des Kinos als großen Ansporn für das 20-köpfige Kernteam sieht.

Nur mit ehrenamtlichem Einsatz möglich

„Ohne diesen wahnsinnigen ehrenamtlichen Einsatz, den hier alle bringen, könnten wir das alles finanziell gar nicht stemmen“, stellen sein Bruder Dieter Kemmer und Kassier Günther Brandenburg klar. Bei jeder Aufführung sind fünf bis acht Mitglieder im Einsatz, sei es im Vorführraum, im Kassenhaus, als Kartenabreißer, zur An- oder Abmoderation oder hinter der Theke.

Alles, was man dabei erwirtschafte, werde sofort in die Kinotechnik und in die weitere Restaurierung des Gebäudes investiert. So konnte jüngst das Dach komplett neu gedeckt werden und die Außenfassade erhielt einen frischen, auffälligen Anstrich, der im Jubiläumsjahr rechtzeitig neue Akzente setzt.

Der Charme knisternden Zelluloids

Aber trotz aller Neuerungen bleiben die alten ratternden Projektoren im Nostalgiekino erhalten. Was es auf 35-mm-Rollen von der Cinemathek noch gibt, wird nach wie vor herkömmlich abgespielt, ebenso alte Schätzchen und Besonderheiten aus dem beachtlichen Archiv des Nostalgiekinos. Das alte Kino-Gefühl liegt den Cineasten sehr am Herzen, denn, so Dieter Kemmer: „Die knisternden Zelluloid-Streifen sorgen einfach für einen unvergleichlichen Charme.“