Der wilde Wein hat sich auch den Rest Eisen auf der Grünbrücke oberhalb des Wasserspielplatzes zum Untertan gemacht. Wie eine Skulptur aus Grün und Grau erinnert das Fragment aus Stahl an alte, betriebsame Tage. Gut ist noch die V-Form – oder W-Form – der Verstrebungen zu erkennen, mit der die alte Eisenbahnbrücke den Bogen von der Villa Hohner zur Villa Bosch schlug. Diese alte Brücke gilt in Radolfzell als „Mutter“ aller Brücken in Richtung Mettnau und See.

Der guten, alten Mettnaubrücke kam wie der alten Mooser Brücke die Elektrifizierung der Bahnstrecke zwischen Villingen und Konstanz ins Gehege. Wo noch eine Diesellok tadellos unter das Bauwerk passte, braucht es bei einer E-Lok mehr Raum für die Oberleitungen.
Im Sommer 1976 stellten die Bauarbeiter einen Oberleitungsmasten nach dem anderen im Bahngraben vor dem alten Stellwerk – heutiges Gleisdreieck – bis zum Bahnhof auf. Gleichzeitig kündigte das Ingenieurbüro Czypulowski das Anheben oder „Liften“, wie es in einem Zeitungsartikel des SÜDKURIER vom 19. August 1976 hieß, der Mettnaubrücke um ganze 37 Zentimeter an. Eine Stahlbaufirma aus Offenbach rückte für dieses Vorhaben mit speziellen Öldruckpressen an.
Über die Rampe auf die Mettnau
In zwei Nächten sollte das Lupfen der mächtigen Stahlbrücke vonstattengehen. Selbst während dieser Bauarbeiten war ein Notverkehr zugelassen. Die Zufahrt zum Krankenhaus musste gewährleistet bleiben, Krankenwagen, Feuerwehr und Polizei durften die Brücke selbst während des Liftens passieren. Anlieger auf der Mettnau mussten in dieser Zeit mit ihrem Auto über die Karl-Wolf-Straße am See entlang ausweichen. Nach der Brückenanhebung hatten Fußgänger und Fahrzeuge eine Weile eine Rampe zu überwinden, die Geschwindigkeit war auf 30 Stundenkilometer beschränkt. Im März 1977 bekam die Mettnaubrücke noch eine eherne Schutzverkleidung, die Stromschläge aus der Oberleitung abschirmen sollte.
Das Anheben ist der Brücke nicht bekommen
Das Anheben ist der Mettnaubrücke nicht gut bekommen. Auch eine erste Gewichtsbeschränkung auf 16 Tonnen war für das Tragwerk keine Erleichterung auf Dauer. In den Neunzigerjahren stellte man bei der im Jahr 1908 erbauten Stahl-Fachwerkbrücke Rostschäden fest. Das war der Start für eine hitzige Diskussion im Gemeinderat. Die alte Mettnaubrücke abreißen und neu bauen oder eine zweite Brücke im Norden bauen?

Und es sind zwei Brücken geworden. Im Juli 1995 entschied sich der Gemeinderat mit knapper Mehrheit für den Bau der Nordbrücke. In der alten Mettnaubrücke ist für die Übergangszeit eine Notbrücke eingebaut worden. Im Januar 1999 rückten die Arbeiter an, am 27. Mai 2000 ist die Nordbrücke eröffnet worden. Im April 2005 bekam sie anlässlich des 70. Geburtstags von Günter Neurohr den Namen des Alt-OB.
Er galt als größter Verfechter dieser Verbindung, die nun Günter-Neurohr-Brücke heißt. Die alte Mettnau-Anbindung wollte der Gemeinderat nicht aufgeben und beschloss den Bau einer Grünbrücke mit zwei Röhren. Vom Charme der alten Eisenbahnbrücke bleibt nur das grüne V. Wenigstens dieses Stück Eisen ist beim Abriss in die Neuzeit hinüber gerettet worden.
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Viele Diskussionen vor dem neuen Brückenbau
- Zur Eröffnung der neuen Mettnaubrücke meldete der SÜDKURIER am 10. November 2004: „Als Beginn der Neugestaltung des gesamten Bahnareals an der Seeseite von Radolfzell bezeichnete Oberbürgermeister Jörg Schmidt die Südanbindung der Mettnau. Das Bauwerk überdeckelt auf einer Breite von 40 Metern bei einer Länge von 30 Metern den Bahngraben zwischen der Altstadt und der Halbinsel. Über die Anbindung wurde bereits zu Beginn der Neunzigerjahre heftig diskutiert, erst mit dem Amtsantritt von Jörg Schmidt vor vier Jahren wurde in relativ kurzer Zeit eine Lösung gefunden. Die einjährige Bauzeit war für die Anwohner mit großen Einschränkungen verbunden, da die Arbeiten wegen des Zugverkehrs zeitweise nachts stattfanden.“ Als Gesamtkosten gibt die Stadt heute 3,5 Millionen Euro an.
- Der Gemeinderat und der OB waren sich auch damals nicht immer einig, so der SÜDKURIER-Bericht am 15. Oktober 2004: „OB Jörg Schmidt legte beim Regierungspräsidium Freiburg Widerspruch gegen einen Ratsbeschluss ein, der sich für die Stadt
nachteilig auswirken könnte. Die Stadträte hatten sich mehrheitlich geweigert, Mehrkosten in Höhe von 382 000 Euro bei den Bauarbeiten der Südbrücke zu bewilligen. Verursacht waren die Kosten von ersatzbedürftigen Kabelsträngen in der Erde, die in den Plänen der Bahn nicht verzeichnet waren.“ - Die alte Mettnaubrücke wurde 1908 von der „Großherzoglichen Generaldirektion der Staatseisenbahnen in Karlsruhe“ gebaut. 1956 wurde ein Gehweg an den südlichen Hauptträger angehängt. 1993 wurde die Konstruktion einer Generaluntersuchung unterzogen, danach wurde die Belastbarkeit auf sechs Tonnen zurückgestuft. 2001 entschied sich der Gemeinderat dann für einen Neubau.