Jeden Tag eine gute Tat. Mit diesem Spruch werden die Pfadfinder groß gezogen. Vom Wölfling im Grundschulalter bis zum Rover. Der Rover, mit 16 Jahren schon etwas reifer, hat den Spruch verfeinert in: Ich diene. Für Helmut Haselberger ist aus diesem Satz sein Lebensmotto geworden: "Es klingt etwas hockantig, aber so ist es."
Die gute Tat hat Helmut Haselberger am Tag der Nachricht von seiner Ehrenbürgerschaft schon vollbracht. Mit 77 steht er noch am Altar in St. Laurentius in Markelfingen und ministriert, wenn kein anderer – jüngerer – kann. Das Dienen auf Lateinisch (ministrare) hat Helmut Haselberger bei einem anderen Ehrenbürger erlernt. Josef Zuber, Stadtpfarrer im Münster in Radolfzell während und nach dem Zweiten Weltkrieg, hat dem Arbeiterkind Helmut den Einstieg in eine andere Kultur ermöglicht: "Wir sind als Ministranten mit der lateinischen Sprache konfrontiert worden, Pfarrer Zuber hat uns erklärt, was die lateinischen Formeln und Gebete bedeuten." Pfarrer Zuber war es auch, der 1956 den sechs Ministranten Guido Moriell, Reinhold Bartosch, Walter Kramer, Lothar Fischer, Winfried Enz und Helmut Haselberger die Erlaubnis gab, einen Stamm der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg in Radolfzell zu gründen. "Wir haben etwas gesucht, was das ganze Leben anspricht. Wir haben ein Ideal gesucht, das haben wir in den Pfadfindergesetzen gefunden", sagt Haselberger 61 Jahre später.

Die Freunde von damals sind noch Freunde von heute, die Rover Walter Kramer, Guido Moriell, Siegfried Müller und Christel Schneller haben sich am Nachmittag im Hause Haselberger zum Kaffee angekündigt. Auch Ehefrau Ulrike Haselberger gehört zur Radolfzeller und Markelfinger Pfadfinderfamilie, sie hat als Akela (Gruppenleiterin) unzählige Wölflinge ins Pfadfinderleben begleitet. Ihr Bruder Dieter Schneller hatte sie damals zu den Treffen mitgenommen "und dann habe ich in die DPSG eingeheiratet", sagt sie mit einem Augenzwinkern. Die Pfadfinder ohne Helmut und Ulrike Haselberger wären in Radolfzell nicht vorstellbar.
Auch in der Ausbildung verspürte Helmut Haselberger den Drang nach mehr. Er wuchs als klassisches Arbeiterkind in der Hadwigstraße auf, Mutter Luise und Vater Josef Haselberger waren bei Schiesser beschäftigt: "Ich bin noch heute von der Solidarität der Schiesser-Frauen beeindruckt." Zu Schiesser wollte er nach der Volksschule nicht. "Ich wollte Buchdrucker werden." Doch der Mann vom Arbeitsamt schickte ihn zur Breindl OHG, als Lehrling für den Groß- und Außenhandel. Nach der Lehre wechselte Haselberger zum Pumpenhersteller Allweiler: "Klar, hat die Bezahlung eine Rolle gespielt. Statt 110 Mark gab es beim Allweiler 220 Mark." Doch der Pumpenhersteller förderte den jungen Mitarbeiter auch. Die Gebühren für das Abendstudium an der Akademie für praktische Betriebswirtschaft übernahm Allweiler. Und Haselberger meldete sich auf einer Sprachschule in England an. "Das hat mich 3000 Mark gekostet." Allweiler gab ihm dafür Urlaub. Für Helmut Haselberger sind das wichtige sechs Monate in seinem Leben: "Das war mehr eine Bildungsfrage für mich. Sonst hätte ich das Gefühl gehabt, mir fehlt etwas."
Allweiler bedeutete für Haselberger nicht nur den beruflichen Aufstieg bis zum Leiter des Personalwesens, die Firma war auch der Einstieg in die Kommunalpolitik. Maria Blesch, Tochter des früheren Bürgermeisters Otto Blesch, war Sanitätsschwester bei Allweiler und saß für die CDU im Gemeinderat. "Sie hat mich gefragt, ob ich kandidieren will." Haselberger wollte und wurde 1975 gewählt. Im Gemeinderat empfing ihn der Rektor der Handelsschule, SPD-Stadtrat Karl Moosbrugger: "Endlich einer aus meiner Klasse, aber Du hast das falsche Parteibuch."
Darüber lacht Haselberger als Verfechter der christlichen Soziallehre heute noch: "Mein Herz schlägt links, ich gehöre dem linken CDU-Flügel an und bin Mitglied der Gewerkschaft." Im Gemeinderat pflegte CDU-Stadtrat Haselberger eine Marotte: "Ich habe mich immer als letzter zu Wort gemeldet, um eine Brücke zu bauen." Das sei gerade in der Amtszeit von OB Günter Neurohr nötig gewesen: "Er hatte Probleme, Kompromisse zu machen." Zu Hause in Markelfingen gab es mit Frau und Kindern die außerparlamentarische Diskussion. "Die Kinder haben dann im SÜDKURIER nachgelesen, ob der Vater sich so verhalten hat, wie er es am Küchentisch gesagt hat."
Einen Aspekt brachte der ehrenamtliche Einsatz mit sich – sein Fehlen zu Hause. Ulrike Haselberger erinnert sich an eine Aussage: "Demnächst hängen wir ein Bild von ihm ins Wohnzimmer, damit wir wissen, wie er aussieht." Dass ihr Mann jetzt Ehrenbürger wird, betrachtet sie als Ergebnis vieler Hände Arbeit: "Ich freue mich für ihn. Aber ich sehe diese Auszeichnung auch stellvertretend für viele." Pfadfinder machen selten was alleine.
Das Wirken von Helmut Haselberger
Biographie und Verdienste des künftigen Ehrenbürgers Helmut Haselberger
- Zur Familie: Helmut Haselberger ist am 18. Oktober 1940 geboren, April 1966 Heirat mit Ulrike Haselberger, geborene Schneller. Zur Familie gehören zwei Söhne und eine Tochter sowie zehn Enkel.
- Berufliche Laufbahn: Nach der Volksschule Radolfzell (Teggingerschule) begann er 1954 eine Lehre bei der Breindl OHG. Danach 1957 kaufmännischer Angestellter bei der Allweiler AG, 1970 Abteilungsleiter Personalverwaltung, 1994 Leiter Personal- und Sozialwesen. Ein Jahr nach dem Einstieg von Colfax geht Haselberger im Jahr 2000 in den Ruhestand.
- Der Stadtrat: Von April 1975 bis Dezember 1999 saß Helmut Haselberger als Stadtrat für die CDU im Gemeinderat Radolfzell, von 1989 bis 1994 war er Vorsitzender der CDU-Fraktion. Er saß in verschiedenen Ausschüssen und war in seiner Zeit als Stadtrat gleichzeitig Ortschaftsrat in Markelfingen.
- Soziales Engagement: Als Vorstand wirkte Helmut Haselberger im Caritasverband Konstanz und in der Sozialstation Radolfzell-Höri mit. Er ist Ehrenvorsitzender der Sozialstation und hat das Ehrenzeichen in Gold des Deutschen Caritasverbands erhalten. Er ist Mitglied in vielen Vereinen und engagiert sich noch immer in der Pfarrei St. Laurentius in Markelfingen.