Was machen Katzen, wenn sie in der freien Natur oder in städtischen Gebieten unterwegs sind? Wenn Katzen Vögel mit nach Hause bringen, so waren sie vermutlich auf der Jagd. Obzwar es fast schon ein Trend ist, die eigene Katze mit einem GPS-Sender auszustatten, so kann man mit ihm nur den Standort bestimmen. Was Katzen an jenen Orten genau machen, bleibt weiterhin im Unklaren. Schätzungen zufolge werden in der Bundesrepublik jährlich mehrere Millionen Wildvögel von Katzen erlegt. Auf dem Speiseplan stehen auch wichtige Insekten.
Dina Dechmann will es genauer wissen: „Wie schlimm sind Katzen für unsere Wildtiere?“ Die Verhaltensbiologin am Mögginger Max Planck Institut möchte Katzen mit einem so genannten Logger ausstatten, mit dessen Hilfe sie die Beschleunigungsdaten von Katzen im Freien aufzeichnen kann. Für das global angelegte Projekt braucht es jedoch noch eine Grundlagenforschung, wie die Daten interpretiert werden können. In Zusammenarbeit mit dem Radolfzeller Tierheim werden Katzen spielerisch in ihrem Jagd-, Spiel- und Pirschverhalten motiviert, um die mit Logger und Video aufgezeichneten Beschleunigungsdaten genau unterscheiden zu können.
Keine Tierversuche mit Implantaten
Der Vorsitzende des Radolfzeller Tierheimes Bertold Keller stellt klar, dass bei der Forschung keine Tierversuche mit Implantaten betrieben werden, sondern den Katzen lediglich ein leicht ablösbares Geschirr mit einem leichten Empfangsgerät angelegt wird. „Wir sind Tierschützer“, betont Keller mit Nachdruck: Und dazu gehöre auch der Schutz von Wildtieren. Bei der Grundlagenforschung werden durch den Logger die Veränderung der Geschwindigkeit der Katze auf den drei Raumachsen aufgezeichnet und später von einem Computerprogramm als Beschleunigungsdaten ausgelesen.
Um diese Daten genau interpretieren zu können, werden die Katzen im Tierheim zu möglichst verschiedenen Verhaltensweisen motiviert, die mit einem Videogerät aufgezeichnet werden. Die Forscher können dann unterscheiden, ob es sich bei den Daten um einen Sprung, eine Pirsch oder um einen Schlaf handelt. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Nina Richter zeichnet zu den erhobenen Daten das dazu passende Verhalten mit einem Videogerät auf – sei es nun das Fressen, Laufen, Rennen oder Schlafen der Katze. Biologin Dina Dechmann spricht bei der über mehrere Monate andauernden Vorarbeit von einer Kalibrierung der Daten, die später eine Interpretation der Bewegungsdaten im Freien ermöglichen soll.
Bewegungsdaten werden auf eine Datenbank geladen
Das globale Projekt gehört zu dem, was Dina Dechmann „Citizen Science“ nennt. Bei der „Wissenschaft mit den Bürgern“ sollen Logger an Katzenbesitzer ausgegeben werden, die wissen möchten, was ihre Katze im Freien gemacht hat. Nebenbei werden diese Daten von der Wissenschaftlerin für das Projekt ausgewertet. Die Bewegungsdaten sollen auf eine Datenbank geladen werden, bei der der Katzenbesitzer über eine Webseite erfahren kann, wo seine Katze war. Vorab füllt er einen Fragebogen über den Charakter, das Alter und das Geschlecht der Katze aus. Aus den erhobenen Daten und den Tageszyklen kann die Wissenschaftlerin einen Rat über das Verhalten der Katze geben.
Große Unterschiede im Jagdverhalten
Die Katze ist nicht nur Haustier. Sie ist ebenso ein Raubtier und kann die Population von Wildtieren bedrohen. Studien zeigten, dass Katzen nur einen Bruchteil ihrer Beute mit nach Hause bringen. Die Forschung möchte hier Genaueres in Erfahrung bringen. Es gehe nicht um ein Verteufeln der Katzen, sondern um Ratschläge, wie sich die eigene Katze verhält, um Gegenmaßnahmen einleiten zu können, so die Biologin, die selbst eine Katze beherbergt. Die Forschung habe einen ornitologischen Aspekt, weil sie am Erhalt der Vogelbestände interessiert sei. Wo sehr viele Katzen leben, da überleben Spatzen, Buchfinken, Hausrotschwänze oder Amseln nicht so gut – auch in urbanen Gebieten. Bei Katzen gäbe es große Unterschiede im Jagdverhalten, so Dechmann. Mit der Forschung könne man mehr über das Verhalten der eigenen Katze erfahren. Mit der hohen Zahl an Katzen kreiere der Mensch eine hohe Dichte, an die sich kein anderes Tier anpassen könne. Dadurch sei das ökologische Gleichgewicht gestört.
Technische Details
Der Logger ist eine Entwicklung eines ehemaligen Werkstattmitarbeiters an der Universität Konstanz. Der 36 Gramm schwere Logger sendet keine Daten zur Lokalisierung des Trägers, sondern sammelt via GPS nur Daten über dessen Aufenthaltsort sowie dessen Beschleunigungsmuster. Der Logger zeichnet in einer hohen Auflösung 16 Beschleunigungsdaten pro Sekunde auf, die täglich ausgelesen und nach dem Datentransfer vom Max Planck Institut ausgewertet werden. Der Logger wird der Katze mit einem Geschirr umgeschnallt. Sollte das Tier mit diesem Geschirr an einem Objekt hängen bleiben, öffnet sich dessen Sicherheitsverschluss automatisch und das Geschirr fällt ab.