Radolfzell Zum Vortragsabend anlässlich der 20-Jahr-Feier des Präventionsprojektes „b.free“ im Milchwerk Radolfzell kamen am Donnerstag, 3. April, rund 160 Verantwortliche und Fachkräfte aus dem Bereich Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Referent war Gregor Berger, Chefarzt des Notfallzentrums der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich. Der Abend stand unter dem Titel „Jugend im digitalen Absturz? Herausforderungen in der digitalen Welt“. Der Psychiater und Psychologe Gregor Berger habe den Fachkräften Einblicke in wissenschaftliche Erkenntnissen sowie deren praktische Anwendung geboten, so das Jugendamt Radolfzell in einer Mitteilung.
Berger sprach von etwa fünf Einweisungen von Kindern und Jugendlichen täglich in seiner Klinik aufgrund ihrer problematischen Nutzung von Gaming, Social Media und Streamingdiensten. Meistens wären schwere psychische Störungen die Symptome der Medienabhängigkeit. Depressionen, Apathie und die Umkehr des Tag-/Nacht-Rhythmus seien keine Seltenheit. Rund 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen würden soziale Medien riskant oder krankhaft oft nutzen. Durch Likes, Kommentare und „positive“ Bestätigung im Netz werde das Belohnungssystem getriggert und die Konsumenten würden sich immer stärker nach diesem Gefühl sehnen – das sei der Beginn der Suchtspirale. Typische Frühsymptome seien ein Leistungsknick in der Schule, nachlassendes Interesse am Unterricht, Freizeitaktivitäten und sozialen Kontakten, erklärte der Experte. Allerdings könnten hinter solchen Auffälligkeiten auch eine pubertäre Krise stehen oder emotionale Belastungen, die aus Stress unter Schulfreunden resultieren. Als krankhaft gelte die Nutzung spätestens dann, wenn die Symptome mehrere Monate lang anhalten würden. Hier gelte es, die Unterschiede zu erkennen.
Berger zeigte auf, wie eine Prävention stattfinden sollte. Dabei würden Beziehungen, die Sinneswahrnehmung durch Gesundheit, durch Sport, sowie Erlebnisse in der Interaktion mit Mensch und Tier eine entscheidende Rolle spielen. Es sei wichtig, Emotionen, Glücksgefühle, das „Lohnenswerte“ bewusst zu machen und dauerhaft wiederkehrende Erfolgserlebnisse zu schaffen. Die Pädagogik in Kindertageseinrichtungen und Schulen stünde hier vor großen Herausforderungen. Eltern müssten zu frühe Mediennutzung vermeiden, die Politik die zu einfache Verfügbarkeit zwingend einschränken.
Anschließend fand eine Podiumsdiskussion mit Meike Gmeinwieser (Beraterin/Präventionsfachkraft im Kompetenzzentrum Mediensucht von der Fachstelle Sucht Singen), David Mikusky (Oberarzt am Zentrum für Psychiatrie Reichenau) und Oliver Müller-Molenar, dem stellvertretenden Schulleiter der Hohentwiel-Gewerbeschule Singen statt. Ähnliche Veranstaltungen zum Thema Suchtprävention sollen auch in Zukunft stattfinden. (pm/sgn)