Für Eltern ist es eines der schwierigsten Themen aktuell: Wie und in welchem Rahmen darf mein Kind Medien nutzen? Dafür luden die Radolfzeller Schulsozialarbeit und der Präventionsrat zu einem besonderen Elternabend im Milchwerk ein. Es sollte um die Mediennutzung von Kinder gehen und wie Eltern diese „Reise in die Medienwelt“, wie Referent Thorsten Rees, Leiter des Kreismedienzentrums Konstanz, es nannte, besser begleiten können. Der Einladung folgten rund 100 Eltern.

Eltern nutzen ebenso viele Medien

Die Veranstaltung begann mit einer interaktiven Umfrage, die von den Schulsozialarbeitern Arno Bone und Dagmar Beck gestellt wurde. Über ihre Smartphones konnten die Anwesenden live abstimmen und so einen Überblick über den eigenen Medienkonsum, die Einschätzung zur Mediennutzung ihrer Kinder und ihre Erwartungen an den Abend geben.

Die Umfrage zeigte: WhatsApp ist die meistgenutzte Plattform, viele Eltern glaubten, einen guten Überblick über den Medienkonsum ihrer Kinder zu haben, und die meisten waren gekommen, um Informationen, Tipps und Empfehlungen zu erhalten.

Sensibilisierung für den Alltag

Thorsten Rees Vortrag war weniger eine Anleitung mit festen Regeln, sondern vielmehr eine Sensibilisierung für den digitalen Alltag der Kinder. Statt konkreter Verbote oder strikter Handlungsanweisungen rückte er den für ihn wichtigsten Präventionsschutz in den Mittelpunkt: eine offene Kommunikation zwischen Eltern und Kindern.

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Durch seine lebendige Präsentation, humorvollen Anekdoten und visuelle Hilfsmittel gelang es ihm, die Zuhörer immer wieder abzuholen – zwischen Schmunzeln und nachdenklichem Schweigen, zwischen belustigenden TikTok-Tanzvideos und erschreckenden Inhalten aus Kriegsgebieten, wurde ein guter Einblick in die Einflüsse gegeben, denen Kinder im Netz ausgesetzt sind.

Einblick in die Sozialen Medien

Um auch weniger digital affine Eltern abzuholen, führte Rees schrittweise in die Welt der sozialen Medien ein. Er begann mit Instagram und erklärte die Entwicklung der App, ihre Funktionen und warum sie für Kinder so anziehend ist. Sein Leitsatz dabei war: „Sie müssen es nicht gut finden. Sie müssen es nachvollziehen können“.

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Anhand von Beispielen zeigte er, wie Influencer eine vermeintliche Intimität zu ihren Followern aufbauen und damit Einfluss auf ihre jungen Zuschauer nehmen. Auch problematische Themen wie unrealistische Schönheitsideale und Selbstwertprobleme wurden angesprochen.

Die Tricks der Apps

Später widmete er sich Plattformen wie Fortnite, Snapchat und TikTok. Hierbei verglich er In-App-Käufe mit den Panini-Stickeralben früherer Generationen und erklärte das Prinzip von Snapstreaks, einer Funktion, die anzeigt, wie oft zwei Snapchat-Nutzer sich an darauffolgenden Tagen Snaps, also Nachrichten, geschickt haben. Dies würde Kinder dazu bewegen, täglich online zu gehen.

Beim gemeinsamen Anschauen von TikTok-Videos wollte er verdeutlichen, warum die Plattform so unterhaltsam ist – kritisierte aber gleichzeitig ihren Algorithmus, mangelnden Datenschutz und hohes Suchtpotenzial. „Ich finde auch persönlich, TikTok ist die Pest“, sagte er, was ihm lauten Applaus von einem Teil der Eltern einbrachte.

Altersbegrenzung ist leicht zu umgehen

Trotz seiner kritischen Haltung betonte Rees, dass soziale Medien nicht mehr wegzudenken sind und dabei die Altersbegrenzungen der Plattformen leicht zu umgehen sind. Eine völlige Vermeidung sei deshalb nicht realistisch, wohl aber eine bewusste Begleitung. Obwohl er klar Stellung nahm mit der Aussage: „Ein Smartphone in der Grundschule wäre für mich ein No-Go“ hielt er sich sonst eher zurückhaltend mit spezifischen Regeln.

Dabei war die Veranstaltung von einem engagierten Publikum geprägt. Viele Eltern stellten Zwischenfragen, hofften auf klare Anweisungen oder technische Lösungen, doch Rees wich diesen meist prinzipiell aus. So gab er keine direkte Antwort auf Fragen wie von einer Mutter, die sich erkundigte, was zu tun sei, wenn das Kind Schlupflöcher in Applikationen zur Bildschirmzeitbeschränkung gefunden hat.

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Stattdessen betonte Rees mehrfach: „Ihre Kinder werden Dinge erleben in dieser Welt, die sie nicht sehen wollen, aber ich glaube, das Allerwichtigste ist der Dialog, die Kommunikation und das Vertrauen, dass man Eltern hat, mit denen man über all das sprechen kann.“ Rees empfahl eine individuell angepasste Einführung und ein gemeinsames Erkunden der digitalen Welt.

Eltern sollten mit ihren Kindern Fortnite spielen, mit ihrem Medienkonsum eine Vorbildfunktion einnehmen, ihnen bei der Erstellung von Social-Media-Profilen zur Seite stehen und so von Beginn an involviert sein. Wichtig sei es, dass Kinder die negativen Effekte hoher Bildschirmzeiten selbst erkennen, und gut platzierte Denkanstöße von den Eltern dabei schon helfen.

Verstehen, warum Kinder gerne online gehen

Rees nannte ein paar technische Hilfsmittel, wie Family-Link, den Apple Account oder die Website klicksafe. Doch der Fokus war darauf, den Eltern bewusst zu machen, dass Medienerziehung ein kontinuierliches Gespräch sein wird, in dem anerkannt werden muss, wieso Kinder gerne online sind.

Dazu gab Rees noch einen wichtigen Impuls in seiner Ausführung eines “gesunden Kindes“, mit sozialen Netzwerken im echten Leben – Familie, Freunde, Hobbys – als guten Schutz vor negativen Erfahrungen in der digitalen Welt. Dabei erklärte er: „Ich glaube fest daran, dass ein gesundes Kind durch diese digitale Spiele-Welt kommt, wenn die analoge Welt gesund ist.“