Während Schülerinnen und Schüler die letzten Ferientage genießen, bevor das Schuljahr 2025/2026 startet, steckt die Radolfzeller Stadtverwaltung gedanklich schon längst im Schuljahr ab Herbst 2026. Denn das deutsche Schulwesen steht im Wandel. Die seit Jahrzehnten umfangreichste Bildungsreform wird auch die Radolfzeller Schulen beschäftigen. Nicht nur kehren viele Gymnasien zu G9 zurück, wie auch das Friedrich-Hecker-Gymnasium. Für Grundschüler gibt es ab dem Schuljahr 2026/2027 auch einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen.
Für Radolfzell ist die Ganztagsbetreuung von Grundschülern nichts Neues. Seit Jahren gibt es die Kinderzeit, die eine verlässliche Betreuung von Grundschülern vor und nach dem Regelunterricht anbietet. Diese wird gut angenommen, ermöglicht die Kinderzeit doch für viele Väter und Mütter überhaupt erst eine Berufstätigkeit. Bürgermeisterin Monika Laule und Brigitte Reichmann vom Fachbereich Bildung, Jugend, Sport erklären, was das Ganztagsförderungsgesetz bedeutet und wie das in Radolfzell umgesetzt wird.
Was bedeutet der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung?
Jedes Kind hat von der ersten bis zur vierten Klasse in der Grundschule einen Anspruch auf ganztägige Förderung in einer Tageseinrichtung. Der Rechtsanspruch soll stufenweise ab dem Schuljahr 2026/2027 eingeführt, beginnend in der ersten Klassenstufe. Der Rechtsanspruch umfasst acht Stunden an fünf Werktagen (Montag bis Freitag) in der Woche.
Wie wird der Rechtsanspruch in Radolfzell erfüllt?
Nicht jede Grundschule ist eine Ganztagesschule. In Radolfzell gibt es aktuell drei offene Ganztagsschulen. Diese sind die Grundschulen Ratoldusschule, Tegginger Schule und Böhringen plus die Hausherrenschule als Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ).

Die Sonnenrainschule soll jetzt als Ganztagsschule weiter entwickelt werden. Dabei gibt es die Option des offenen Konzeptes, also dass Eltern den Ganztagesbesuch wählen können, oder ein gebundenes Konzept, bei dem der Ganztagesbetrieb für alle Kinder verpflichtend ist. Das Ganztagsschulangebot findet an drei oder vier Tagen pro Woche statt und umfasst bis zu acht Zeitstunden pro Tag. Sofern das Ganztagsschulangebot keine 40 Stunden in der Woche, also den gesetzlichen Rechtsanspruch, abdeckt, muss die Kinderzeit den Rest der Stunden übernehmen. Die Kinderzeit ist allerdings für Eltern gebührenpflichtig.
In den Schulen, die nur Halbtagsunterricht anbieten, deckt die Kinderzeit die restlichen Stunden ab, falls Eltern das möchten. Der Unterricht ist verpflichtend, die Kinderzeit nicht. Alle Grundschulen in der Kernstadt und den Ortsteilen haben ein Kinderzeitangebot. Bislang wird Betreuung entweder bis 14 Uhr, bis 16 Uhr oder bis 18.30 Uhr, angeboten. Eine Kinderzeitgruppe findet statt, wenn mindestens fünf Kinder angemeldet sind.
Was ist, wenn es an der Grundschule meines Kindes nicht die Zeiten gibt, die ich brauche?
Dann haben Eltern die Möglichkeit, ihr Kind an einer Schule anzumelden, die die gewünschten Zeiten anbietet. Eine Ganztagesschule in einer zumutbaren Entfernung gilt schon als Erfüllung des Rechtsanspruchs. Es muss nicht an der nächstgelegenen Schule sein.
Was ist, wenn ich gar keine 40-Stunden-Betreuung pro Woche brauche?
Familien können frei entscheiden, wie lange das Kind in der Kinderzeit bleibt. Nur die Teilnahme am Unterricht ist verpflichtend – auch in Ganztagesschulen. Der Rechtsanspruch zeigt nur auf, was maximal zur Verfügung stehen muss.

Ich wohne in einem Ortsteil und hier gibt es keine Ganztagsgrundschule, was jetzt?
Familien können ihr Kind an einer der Ganztagsgrundschulen anmelden und dafür den Schulbezirk von der Ortsteilschule in die Kernstadt wechseln. Wie Bürgermeisterin Monika Laule aber erklärt, sei bisher in den Ortsteilen die Halbtagsgrundschule präferiert worden. Da diese nicht verpflichtend sei, könnten die Kinder flexibel abgeholt werden, was die Eltern bisher zu schätzen wussten, so Laule.
Was bedeutet der neue Rechtsanspruch für die Ferien?
Der ab 2026 kommende Rechtsanspruch bezieht sich auch auf alle Schulferien. In Baden-Württemberg sind vier Wochen Schließzeiten zugelassen. Für Radolfzell keine neue Auflage: Die Kinderzeit bietet bereits jetzt Ferienbetreuung bis auf drei Wochen im Jahr an. Die Ferienzeit ist mit einem Spiel- und Freizeitangebot in der Teggingerschule angesiedelt und bietet Betreuung von 8 bis 16 Uhr. Die Schließwochen sind in Radolfzell eine Woche in den Pfingsferien sowie die Weihnachtsferien. Die Kinderzeit in den Ferien ist ebenfalls gebührenpflichtig für Eltern.
Wie will die Stadt die Kinderzeit weiterentwickeln?
Durch den Rechtsanspruch möchte die Stadt das ehemals freiwillige Angebot überarbeiten, dabei sollen vor allem Doppelstrukturen abgebaut werden. An Schulen, die ein offenes Ganztagesangebot haben oder bekommen sollen (Tegginger Schule, Ratoldusschule, Sonnenrainschule und Storchenschule Böhringen), soll es keine Kinderzeit nach dem Vormittagsunterricht geben. Wollen Eltern eine längere Betreuung, muss das Kind am Ganztagesunterricht teilnehmen, der verpflichtend ist.
Freiwillige Kinderzeit am Nachmittag soll es nur noch an klassischen Halbtagsgrundschulen geben. Die Stadt hat eine neue Stelle der Ganztageskoordination geschaffen. Auch soll die Qualität der Betreuung weiter verbessert werden. So sollen Schulen je nach Profil ein gesondertes Angebot bekommen und Kooperationen mit Vereinen möglich machen.
Was kostet die Kinderzeit eigentlich?
Die Kosten variieren je nach Dauer der Betreuung. So kostet die Nachmittagsbetreuung zum Beispiel von 14 bis 16 Uhr an drei Tagen in der Woche 19 Euro pro Monat, an fünf Tagen 32 Euro. Möchte man sein Kind an fünf Tagen in der Woche im Ganztagsbetrieb vor der Schule von 7 Uhr bis Unterrichtsbeginn in die Kinderzeit geben, sind es 15 Euro pro Monat. Soll das Kind in der Halbtagsgrundschule von 7 bis 14 Uhr betreut werden, kostet es für drei Tage die Woche 43 Euro, für fünf Tagen in der Woche 72 Euro. Inhaber der Zeller Karte bekommen 50 Prozent der Kosten reduziert.