Als Carolina Groß, stellvertretende Vorsitzende des Jugendgemeinderats (JGR), während der Sitzung plötzlich auf das Jugendhearing zu sprechen kommt, hält sie sich die Hände vor das Gesicht, als müsse sie sich die Schweißperlen von der Stirn wischen. Allerdings weniger vor Aufregung oder Stress, sondern vielmehr aus Respekt. Vor den 283 Jugendlichen aus Radolfzell und seinen Ortsteilen, die mitgewirkt hatten. „Das ist mega“, sagt sie. Und: „Wir haben so viele konstruktive Vorschläge bekommen.“
Denn Ende Oktober war der Jugendgemeinderat im Rahmen des Jugendhearings mit dem „Frieda“-Mobil des Landkreises – einem für die Jugendarbeit umgebauten Feuerwehrwagen – in der Stadt unterwegs gewesen, um die Schüler nach ihren Wünschen zu fragen. „Wir wollten wissen, wie es sich in Radolfzell lebt, was der Jugend fehlt, und ob sie sich einen selbstverwalteten Jugendraum wünschen“, sagt Groß. Die Befragung war als Online-Umfrage aufgebaut, sodass sie vor Ort im „Frieda“-Mobil, aber auch in aller Ruhe zu Hause beantwortet werden konnte.
Was die Jugendlichen beschäftigt hat
„Ganz klar das Thema Umwelt“, meint Leon Löchle, Vorsitzender des Jugendgemeinderats. Auf einer Skala von eins, für wenig Interesse, bis zehn, für viel Interesse, hatten die Jugendlichen dem Thema im Durchschnitt 7,9 Punkte gegeben. Und auch in den anderen Teilen der Umfrage, etwa wenn es um die Freizeitgestaltung der Schüler ging, einen Unverpackt-Laden, ein nachhaltiges Café oder Workshops zum Thema Nachhaltigkeit gefordert. Sie hatten aber auch angegeben, dass die Stadt Radolfzell zu wenig für die Umwelt tue.
Für Löchle ist das Ergebnis ein Signal, eine Forderung der Jugend an die Stadt und an den Gemeinderat, das Thema ernst zu nehmen. „Und bei jeder Entscheidung zu bedenken, welche Auswirkungen sie auf das Klima hat.“ Zugleich räumt der Vorsitzende des JGR ein: „Es könnte auch sein: Dass mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden muss.“ Denn die Stadt setzte sich schon für die Umwelt ein, das wisse er. Im letzten Jahr habe sich der Gemeinderat beispielsweise dazu bekannt, die Klimakrise aktiv zu bekämpfen. Doch ist das auch bei allen Jugendlichen angekommen?
Was sie sich wünschen und vermissen
Ein ganz großes Thema der Jugend scheint der Skatepark zu sein. In mehreren Teilen der Umfrage wird auf ihn Bezug genommen. Und auch während der Sitzung im Jugendgemeinderat wird klar, dass der JGR schon öfter drauf angesprochen wurde. So wünschen sich die Jugendlichen einen vergrößerten Skatepark mit neuer Skatebahn, mit Flutlichtstrahlern und einen ausgebesserten Übergang vom Bahnhof zum Skatepark.
„Es würde uns Skatern helfen, wenn man den Weg neu und glatt teert. Die Schlaglöcher sind schon für Fahrradfahrer heftig, aber der Weg ist sogar für Inliner ausgeschrieben“, schreibt einer der Jugendlichen in der Umfrage. Ein anderer wünscht sich eine Reglung für ein gutes Miteinander zwischen Kindern und Jugendlichen. „Meiner Meinung nach ist der Andrang, vor allem am Wochenende zu groß. Der Skatepark ist dann überfüllt, was mir persönlich manchmal den Spaß verdirbt.“
Zudem vermissen die Jugendlichen Volleyballnetzte im Mettnaupark, wünschen sich offenes Wlan am See und vor allem: Bars, Cafés, Konzerte und Jugendräume, in denen sie „chillen“ und „abhängen“ können, besonders wenn es draußen ungemütlich und kalt wird.
Thema: Schulausstattung
Unter der Rubrik, was die Stadt noch verbessern kann, gaben 192 Jugendliche an, dass bei der Ausstattung der Schulen etwas getan werden müsse. Leon Löchle kann das gut nachvollziehen und gibt ein Beispiel aus seinem Schulalltag im Friedrich-Hecker-Gymnasium.

„Wir haben kein freizugängliches Internet. Es ist oft so, dass ich meinen Lehrern Hotspots von meinen mobilen Handy-Daten gebe, damit sie ihren Unterricht machen können.“ Gerade in der digitalen Ausstattung der Schulen, „hat Radolfzell noch etwas nachzuholen“, sagt der Vorsitzende des Jugendgemeinderates.
Thema: Wahlen
Weil im nächsten Jahr mit der Bundestags-, der Landestags-, der Oberbürgermeister-, und der Jugendgemeinderatswahl gleich vier Wahlen anstehen, hat der JGR schon einmal vorgefühlt: Wie sehr interessiert die Jugendlichen das Thema Wahlen? Und das Ergebnis sei für Groß durchaus überraschend: „88 Jugendliche würden zu einem Workshop gehen, der sich mit Demokratie und Wahlen auseinandersetzt. Und: 37 könnten sich sogar vorstellen, nächsten Jahr für den Jugendgemeinderat zu kandidieren“, fasst die stellvertretende Vorsitzende zusammen.

Für Carolina Groß sei das ein schönes Zeichen. „Das heißt, die Jugendlichen wollen Politik in Radolfzell mitgestalten“, sagt sie. Und will mit dem Jugendgemeinderat aus den Wünschen und Anliegen der Jugendlichen jetzt Taten folgen lassen. Schon bei der nächsten Sitzung soll besprochen werden, wie der Jugendgemeinderat damit neue Akzente setzen kann.