Regieren, das ist fast immer eine Frage von Koalitionen. Nach einer Wahl geht es daher auch immer um das Thema: Wer könnte mit wem? Das war auf der Bühne des Radolfzeller Milchwerks bei der SÜDKURIER-Kandidatenarena nicht anders. Inhaltliche Überschneidungen hat das Moderatorenduo aus Jörg-Peter Rau, Mitglied der SÜDKURIER-Chefredaktion, und Anna-Maria Schneider, SÜDKURIER-Redaktionsleiterin für Radolfzell und Stockach, auf einen Blick mithilfe von grünen und roten Karten herausgearbeitet. Doch Zwischentöne waren auch in der Diskussion zu hören.
Die Ampelparteien: Friede, Freude, Eierkuchen – oder doch nicht?
Gestartet war die noch amtierende Ampelregierung als Fortschrittskoalition. Dreieinhalb Jahre später ist weithin Verdruss geblieben. Dezente Unterschiede sind auch auf dem Podium festzustellen. Etwa wenn FDP-Kandidatin Ann-Veruschka Jurisch aus ihrer Sicht darlegt, wo sie den Unterschied zwischen ihrer eigenen Partei und den Grünen sieht: Das sei der Unterschied zwischen einem „kleinteiligen Vorschreiben, wie Dinge zu sein haben“, im Gegensatz zur Setzung eines Rahmens, wie es ihre eigene Partei verfolge. Grünen-Kandidatin Rosa Buss führte das Ende der Ampel-Koalition hingegen darauf zurück, dass die FDP dieses Ende schon länger geplant habe.
Jurisch und SPD-Kandidatin Lina Seitzl waren sich einig, dass die Einwanderung von Fachkräften sinnvoll sei – ein Thema, für das sich Jurisch eingesetzt hat. Differenzen zwischen beiden traten in der Schlussrunde zutage, bei der sie sich gegenseitig befragten. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung habe die finanziellen Auswirkungen der Parteivorschläge durchgerechnet und bei der FDP eine Deckungslücke von 100 Milliarden Euro festgestellt. Woher dieses Geld kommen solle, wollte Seitzl wissen. Das Wichtigste sei, dass die Wirtschaft wieder wachse, damit der Kuchen größer werde, reagierte Jurisch. Und viele Subventionen sollen wegfallen. Doch: „Es geht nicht alles auf einmal.“
Seitzl musste sich umgekehrt nach der Haltung ihrer Partei im Ukraine-Krieg fragen lassen – vor allem da SPD-Kanzler Olaf Scholz gegen die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern sei. Seitzl argumentierte, Deutschland sei der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine. Die SPD stehe dahinter, dass die Ukraine den Krieg gewinnen müsse.
Die CDU: Darf‘s ein bisschen grüner sein?
Nach dem derzeitigen Stand der Umfragen dürften CDU und CSU am Wahlsonntag, 23. Februar, stärkste Kraft im Bundestag werden. Andreas Jung ist der profilierteste Umweltpolitiker der CDU. Hat er auf dem Podium in Richtung Grüne geblinkt?
Jedenfalls hat er mehrfach für erneuerbare Energien argumentiert hat und eine Lanze dafür gebrochen, deren Ausbau durch staatliche Regulierung nicht zu verzögern – etwa wenn man schwimmende Fotovoltaik auf alten Baggerseen installieren wolle. Und er hat schon länger dagegen mobil gemacht, dass die Region nicht ans Wasserstoffkernnetz angeschlossen werden soll.
Doch gerade beim Wasserstoff offenbarte sich ein Unterschied: „Bei den Grünen gibt es eine Verengung auf grünen Wasserstoff“, so Jung. Man müsse aber auch offen sein für Wasserstoff, der aus Erdgas erzeugt und durch CO₂-Speicherung klimaneutral werde. Grünen-Kandidatin Rosa Buss hatte sich für Energieversorgung mit Wasserstoff ausgesprochen, allerdings für die Industrie, nicht für anderes. In der Schlussrunde sagte sie auf seine Frage, ob man die Kernnetz-Planung noch einmal aufmachen werde: „Dafür werde ich mich als Konstanzerin einsetzen.“
Linke und AfD: Praktisch keine Schnittmengen miteinander und mit anderen
Am wenigsten anschlussfähig waren auf dem Podium die Positionen, die Linken-Kandidat Lars Hofmann und AfD-Kandidat Bernhard Eisenhut vertraten. Wenig überraschend gerieten beide in Streit miteinander, etwa beim Thema Migration. Bei der Publikumsfrage von Renate Schittek aus Radolfzell, wie man zu einer europäischen Armee stehe, äußerten sich beide skeptisch, aus unterschiedlichen Gründen.
Die Linke sei generell gegen Aufrüstung, sagte Hofmann. Eisenhut sagte, er sei dagegen, denn: „Wer soll den Oberbefehl haben?“ Man sei in der Nato prima aufgehoben. Die Kandidaten von CDU, SPD, Grünen und FDP signalisierten Unterstützung für europäische Lösungen.
Gegenwind erntete Eisenhut auch für die Behauptung, alle Muslime seien Antisemiten. Jung konterte postwendend: „Das ist einfach falsch.“ Und: „Das ist es, was uns trennt.“ In der CDU sehe man den einzelnen Menschen, die AfD schere ganz Gruppen über einen Kamm. Es gebe auch viel Antisemitismus in der AfD.