Singen und Rielasingen-Worblingen haben jetzt einen Mietspiegel, denn beide Gemeinderäte haben dem vom Ema-Institut erstellten Spiegel letztendlich zugestimmt. Dabei wurde für Singen eine durchschnittliche Miete von 8,23 Euro pro Quadratmeter errechnet und für Rielasingen-Worblingen von 8,42 Euro pro Quadratmeter. Doch es war eine schwere Geburt und die Fronten zwischen Mieterbund und Eigentümerverband sind verhärtet. Die erbitterte Diskussion um den Mietspiegel, die sich schon in Singen gezeigt hat, setzte sich auch in der zweistündigen Debatte im Gemeinderat von Rielasingen-Worblingen fort.

Der Singener Gemeinderat hat bereits Anfang Februar dem qualifizierten Mietspiegel des Ema-Instituts mit einer knappen Mehrheit von 16 zu zwölf Stimmen zugestimmt. Zuvor war das Thema einmal vertagt worden, weil der Eigentümerverband Haus und Grund und die Baugenossenschaften den Mietspiegel ablehnten, weil sie sich ihre Erfahrungen und Zahlen dort nicht wiederfanden.

Ablehnung könnte teuer werden

Der Gemeinderat von Rielasingen-Worblingen hatte bereits am 27. Juli 2022 den Grundsatzbeschluss gefasst, einen Mietspiegel für 2023 erstellen zu lassen und gemeinsam mit der Stadt Singen die Landesförderung von rund 30.000 Euro zu beantragen, wie Bürgermeister Ralf Baumert in der Diskussion klarmachte.

Bei der Abstimmung stimmten allerdings nur acht Gemeinderäte zu, acht enthielten sich und es gab eine Gegenstimme. Der Grund für die Enthaltungen: Vielen Gemeinderäten sei nicht klar gewesen, dass 2022 schon die Entscheidung für den Mietspiegel gefallen sei. Jetzt bliebe ihnen nichts anderes übrig, weil die Gemeinde vertraglich die Erstellung des gemeinsamen Mietspiegels mit Singen festgelegt hat und sie dann für alle Kosten aufkommen müsse. Diese liegen für Rielasingen-Worblingen bei 9000 Euro abzüglich des Zuschusses von 6000 Euro, insgesamt lag der Kostenvoranschlag des Ema-Instituts bei rund 55.000 Euro.

„Wir haben dem Auftrag 2022 zustimmt, nicht wissend, dass wir über den Mietspiegel nicht mehr entscheiden können“, sagt ...
„Wir haben dem Auftrag 2022 zustimmt, nicht wissend, dass wir über den Mietspiegel nicht mehr entscheiden können“, sagt CDU-Gemeinderat Rudolf Caserotto. | Bild: Simon Feuerstein

„Wir haben dem Auftrag 2022 zugestimmt, nicht wissend, dass wir über den Mietspiegel nicht mehr entscheiden können“, erklärte CDU-Gemeinderat Rudolf Caserotto im Namen seiner Ratskollegen nach einer Beratungspause. Das sei ihr Kompromiss, denn vorher zeichnete sich eine Ablehnung des Mietspiegels von CDU und Freien Wählern ab, die das gesamte Projekt Mietspiegel grundsätzlich infrage stellten.

Der Vorschlag von Bürgermeister Ralf Baumert, bei einer Fortschreibung des Mietspiegels in zwei Jahren noch einmal in die Diskussion einzusteigen und auch die Vermieter einzubeziehen, stieß auf große Zustimmung im Rat. Bei einer Fortschreibung des Mietspiegels nach zwei Jahren würden Kosten von etwa 2000 Euro auf die Gemeinde zukommen, bei einer Neuberechnung nach vier Jahren etwa 8400 Euro. Wenn Vermieter einbezogen würden, müsse wegen des höheren Aufwandes zusätzlich Geld in die Hand genommen werden, erklärte der Bürgermeister.

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An der Richtigkeit gibt es keine Zweifel

Bei der Abstimmung in der aktuellen Sitzung, so erläuterte Bürgermeister Ralf Baumert, ginge es nur darum, zu entscheiden, ob die Räte dem nun vorliegenden konkreten Mietspiegel zustimmen oder ob es Zweifel gebe, dass dieser wissenschaftlich und rechtlich korrekt erstellt wurde. Nachdem der Leiter des Ema-Instituts Oliver Trinkaus in der Sitzung noch einmal alle Ergebnisse erläutert und zu allen Fragen Rede und Antwort gestanden hatte, gab es daran bei der Mehrheit auch keine Zweifel.

Die Vorbehalte waren eher grundsätzlicher Art. Gemeinderat Lothar Reckziegel (Freie Wähler) pochte darauf, dass auch die Vermieter hätten befragt werden müssen und stellte die Ergebnisse infrage. Er vertrat die Argumente des Eigentümerverbands Haus und Grund. Oliver Trinkaus antwortete, dass Ema zusätzlich 400 Datensätze von Haus und Grund ausgewertet habe und dabei auf kein anderes Ergebnis gekommen sei, als das von ihnen aus der Mieterbefragung ermittelte.

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Wieland Spur (Freie Wähler) stellte im Hinblick auf den ermittelten Wert fest: „Wer so vermietet, geht bankrott.“ Volkmar Brielmann (CDU) erklärte, dass mit dem Mietspiegel die Vergangenheit ausgewertet werde, weil nur Bestandsmieten herangezogen würden, und fragte, was das für die Zukunft bringen solle. Er war der Meinung, dass die Vergleichsmieten, die bisher bei rechtlichen Auseinandersetzungen hinzugezogen würden, mehr über den aktuellen Markt aussagen.

Erwin Gräble (CDU) stellte gar die Grundsatzfrage: „Wollen wir einen Mietspiegel?“ Die Bedenken, dass der Mietspiegel Investitionen bremse, konnte Oliver Trinkaus nach seiner Erfahrung mit vielen Mietspiegeln nicht teilen: Er habe weder erlebt, dass jemand pleite gehe, noch dass in einer Stadt mit Mietspiegel nicht mehr in Wohnraum investiert werde. Auch, dass Mieter vom Vermieter eine Rückzahlung verlangen, wie von Eigentümerseite befürchtet, habe es seines Wissens nach bisher kaum gegeben.

Diskussion ist für manche befremdlich

Steffen de Sombre (Grüne) erklärte, dass er von der Diskussion etwas befremdet sei. Es scheine so, als würde man den Mietspiegel jetzt ablehnen, weil einem die Zahlen nicht gefallen. Am Vorgehen des Instituts gebe es nichts auszusetzen, wie er durch seine Arbeit beim Institut für Demoskopie in Allensbach wisse. Reinhard Zegler (SPD/UL) erklärte, dass man vor der Grundsatzentscheidung 2022 genug Zeit hatte, sich Gedanken über einen Mietspiegel zu machen. „Das war kein Schnellschuss“, erklärte er.

Es gebe laut Zedler bereits seit 1974 Mietspiegel, das laufe in allen Gemeinden völlig geräuschlos und werde gern und viel in Anspruch genommen. Vermieter wären damit nicht machtlos und hätten weiterhin die Möglichkeit, zum Beispiel Modernisierungen bei der Miete geltend zu machen. Auch Nadja Hennes (SPD/UL) rief in Erinnerung, dass ein Mietspiegel dem Wohl der Bürger diene und bezahlbarer Wohnraum für jede Gemeinde wichtig sei: „Der Mietspiegel ist eine gute Orientierungshilfe und bietet Mietern und auch Vermietern die Möglichkeit, ihren Wohnraum einzuschätzen.“

Den Kommentar ‚Lasst die Kirche im Dorf!‘ zur erbitterten Diskussion lesen Sie hier.