Dass er an diesem Nachmittag im Geschäft seiner Familie sitzt, um von seinem Abschlussfilm zu berichten, hätte Victor Schwarz noch vor wenigen Jahren nicht gedacht. Nach dem Abitur entschied er sich erst für ein Informatikstudium, doch danach wählte er stattdessen ein neues Leben inmitten von Schlachten der sieben Königreiche oder in bedrohlichen Szenarien der Zukunft.
Bei dem einen handelt es sich um Szenen der Erfolgs-Serie Game of Thrones, deren Postproduktion er mitorganisierte, und beim anderen um seinen Film Update, in dem er die Verwendung von Gesundheitsdaten thematisiert. Victor Schwarz entschied sich für den großen Traum Hollywood und arbeitet emsig darauf hin. Dabei zieht der 28-Jährige hinter den Kulissen die Fäden und sorgt als Produzent für Organisation und Finanzierung.
Kein Steinmetz, sondern Filmproduzent
Ein Kurzbesuch führt ihn zurück in die Heimatstadt Singen. Hier ist er aufgewachsen und zur Schule gegangen, hier feiert er seinen 28. Geburtstag. "Seit ich weg bin, weiß ich, wie gerne ich hier bin", sagt er.
Anschließend geht es weiter nach Frankfurt zu den Dreharbeiten seines Abschlussfilms und schließlich zurück nach Potsdam, wo er derzeit wohnt und studiert. In solchen Hochproduktionsphasen kenne er jede Zeile des Drehbuchs, könne aber nicht sagen, was er gestern gegessen habe.
Dass er sich für die Filmwelt entschieden hat, habe erst für Skepsis gesorgt – schließlich sei seine Familie in vierter Generation Steinmetze. Doch 2016 habe er mit seinem Bachelor-Abschlussfilm Update einen Filmpreis gewonnen. "Da haben wir gemerkt, dass das funktionieren könnte – auch wenn unklar ist, wo der Weg hinführt."

Victor Schwarz bezeichnet sich als Mainstream-Filmemacher. Er stehe für Unterhaltung, für den Geschmack der großen Masse und für Hollywood. Dazu passt, dass er mit Game of Thrones bereits eine namhafte Produktion in seinem Lebenslauf hat.
Game of Thrones gilt als die erfolgreichste Serie aller Zeiten. Deutsche Fans warten derzeit jeden Montag auf eine der neuen – und letzten – Folgen. Schwarz hingegen kannte die Serie vor seinem Praktikum nicht, wie er gesteht. Nach der Zusage habe er in einer Woche alle bis dahin verfügbaren Staffeln angesehen.
2013 fing er noch einmal neu an
Schon früh wählte Victor Schwarz die Überholspur: Nachdem er die zweite und dritte Klasse überspringen konnte, machte er mit 16 Jahren das Abitur. Nach dem Informatikstudium in Konstanz arbeitete er bei einem großen PC- und Druckerhersteller, war aber nicht glücklich.
"Dann hat sich in meinem Leben alles verändert", sagt er rückblickend. Anfang 2013 kündigte er seinen Job. Der Auslöser war unter anderem ein Making-of-Film der Filmreihe "Herr der Ringe". Bis heute hat er den kurzen Hintergrundfilm auf seinem Laptop und blickt gebannt auf den Bildschirm, wenn ein großes Filmteam immer und immer wieder die wirklich allerletzte Szene dreht – und sich dann in den Armen liegt. Das habe er auch erleben wollen.
Nach einem Casting riet man ihm, Film zu studieren. Vier Tage später hatte er eine Wohnung in Stuttgart, elf Tage später einen Platz an der Hochschule der Medien – "das Universum wollte das, es lief wie am Schnürchen". In dieser Zeit verließ er auch seine Partei (Junge Union) und die Konrad-Adenauer-Stiftung, außerdem stand er öffentlich zu seiner Homosexualität.
"Es war, als hätte man einen Vogel aus dem goldenen Käfig entlassen." Und wieder wechselte er auf die Überholspur, schloss nach zwei statt vier Jahren mit einem Bachelor ab. Weil er vollständig in seinem Element war, wie er sagt, und weil er seiner Familie nicht zu lang auf der Tasche liegen wollte. Dennoch fand er damals wie heute Zeit für ehrenamtliches Engagement: "Ich habe immer geglaubt, dass man mit Politik etwas verändern kann."
Er sieht auch in Tiefschlag etwas Positives
Doch er habe auch lernen müssen, mit Stop-Schildern umzugehen: Für sein Master-Studium wurde er an seiner ursprünglichen Wunsch-Hochschule abgelehnt. Ein Tiefschlag war auch, als sein Filmprojekt Routine nicht genügend Investoren fand – mit 900.000 Euro hätte es der teuerste deutsche Kurzfilm werden sollen, doch zusammen kamen nur 700.000 Euro. "Heute muss ich sagen: welch Glück", sagt Schwarz.
Denn an der Filmhochschule Babelsberg fühle er sich sehr wohl und das Filmprojekt Routine sei noch nicht endgültig gestorben: Auf Grundlage des Master-Abschlussfilms Psykhe, der aktuell in Arbeit ist, wollen sie sich mit der Idee für Routine beim Streaming-Anbieter Netflix bewerben. Aus der Geschichte eines Kriegsreporters soll dann ein Langfilm werden. Die Voraussetzungen gebe es bereits – das Team darf mit der laut Schwarz aktuell teuersten Filmkamera drehen. "Mit Psykhe wollen wir zeigen, dass wir drehen können, und mit Routine wollen wir zeigen, dass die Geschichte funktioniert." Der Blinker für die Zukunft ist gesetzt.
Der Abschlussfilm
Psykhe erzählt die Geschichte eines Jungen, der einen verletzten Schmetterling rettet. Die Seele des ätherischen Geschöpfs begleitet ihn danach den Rest seines Lebens. Psykhe bedeutet aus dem Griechischen übersetzt Seele. Das Drehbuch wurde 2015 von Vera Mark geschrieben, umgesetzt wird die Geschichte von einem Team um Regisseur und Produzent Joshua Krull, Produzent Victor Schwarz und Produzent sowie Editor Michael Stadler. Die Kamera übernimmt David Acereto, der bereits bei der Netflix-Produktion "Haus des Geldes" mitgearbeitet hat. Das Drehbuch gewann den "Courage & Kindness Best Script Award" bei den "British Screenwriters Awards 2015", der Film soll bis August fertig sein. Die Beteiligten arbeiten unentgeltlich.
Psykhe soll außerdem CO²-neutral gedreht werden: Bei Dreharbeiten entstehe viel unnötiger Müll, deshalb wollen sie laut Schwarz die CO²-Bilanz berechnen und ausgleichen. Für die Finanzierung des Abschlussfilms setzt das Team auch auf Spenden: Bei einer Crowdfunding-Kampagne wurden bereits über 9000 Euro gesammelt. Weitere Informationen gibt es bei Startnext.