Thomas Güntert

In Hinterhomburg im Kanton Thurgau diskutierten 64 Tierschützer über die Rehkitzrettung mit Multikoptern. Dabei waren rund 30 Jäger, zwölf Drohnenpiloten und eine Abordnung der Reh-Rettung Hegau-Bodensee. Eingeladen hatte der Verein Rehkitzrettung Schweiz.

Beim Infotag in Hinterhomburg im Kanton Thurgau gab es interessante Informationen über die Rehkitzrettung und viel Anschauungsmaterial.
Beim Infotag in Hinterhomburg im Kanton Thurgau gab es interessante Informationen über die Rehkitzrettung und viel Anschauungsmaterial. | Bild: Thomas Güntert

Bei der Heuernte werden in der Schweiz jedes Jahr rund 1500 Rehkitze durch Mähmaschinen qualvoll getötet. Die Dunkelziffer ist um einiges höher. In Deutschland wird diese Zahl sogar auf 100 000 geschätzt. Werden Rehkitze zerstückelt, können sich zudem Nutztiere durch das mit Kadavern verunreinigte Gras mit dem Botulismus-Erreger Clostridium botulinum anstecken. Im Kanton Thurgau verendeten im Jahr 2016 in zwei Fällen 68 Milchkühe und 200 Schafe. Die Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwirtschaften in Zollikofen lancierte vor acht Jahren ein Projekt zur elektronischen Erkennung und anschließenden Rettung von Rehkitzen in Grasbeständen.

So sollte man beim Drohnenflug vorgehen

Der Drohnenpilot Martin Baumgartner erklärte, dass die Rehkitz-Rettungsteams bei Sonnenaufgang auf die Wiesen gehen, wenn diese von der Sonne noch nicht erwärmt sind und die Wärmebildkameras die besten Ergebnisse lieferten. Eine Drohne fliegt mit Autopilot-Fernsteuerung in rund 50 Metern Höhe das Feld ab und die integrierte Wärmebildkamera überträgt per Funk die Aufnahmen auf Bildschirme. Wird ein Wärmepunkt erkannt, wird er gespeichert und kann gezielt angeflogen werden. Der Retter kann mit Hilfe eines Bildschirms das Rehkitz finden und in Sicherheit bringen.

Wildschweine im Visier

Die Rehkitzrettung mit Drohnen hat eine Erfolgsquote von nahezu 100 Prozent. Sie funktioniert aber nur, wenn Jäger, Bauern und Piloten gut zusammenarbeiten. Die Rehkitz-Retter erwarten von den Bauern, dass sie unmittelbar nach dem Abfliegen die Wiese auch abmähen. Die Bauern fordern hingegen bereits den Einsatz von Drohnen zum Aufstöbern von Wildschweinen in Maisfeldern. Der Jäger Martin Ebner aus Tuttwil (Thurgau) lehnt das jedoch vehement ab, da ein solcher Einsatz für ihn ethisch nicht vertretbar ist. "Wenn Bürger das sehen, ist die Öffentlichkeitsarbeit der Rehkitzrettung im Eimer", so Ebner.

Unterschiedliche Preise für die Ausrüstung

"Wissenstransfer ist unbezahlbar", bemerkte Barbara Schmidle, Vorsitzende der Reh-Rettung Hegau-Bodensee. Sie berichtet, dass ihre Wärmebildkameras 7000 und 9000 Euro gekostet haben. Der Schweizer Drohnenpilot Konstantin Fuchs war überrascht, da der Preis stark zurückgegangen sei. Er sagte, dass man mittlerweile für rund 4000 Franken ein gut funktionierendes System bekomme. "Da es auf dem Markt noch kein fertiges System gibt, muss man es sich allerdings selbst zusammenstellen", betont Fuchs, der hierzu seine Hilfe anbietet.

Barbara Schmidle und Dieter Prahl von der Rehrettung Hegau-Bodensee zeigen ihren großen Multikoper mit der teuren Wärmebildkamera, die ...
Barbara Schmidle und Dieter Prahl von der Rehrettung Hegau-Bodensee zeigen ihren großen Multikoper mit der teuren Wärmebildkamera, die zur Rehrettung zum Einsatz kommt. | Bild: Thomas Güntert

Für die Landwirte kostet die Rehkitz-Rettung nichts

Die Leistungen der Rehkitzrettung Schweiz und der Reh-Rettung Hegau Bodensee sind für die Bauern kostenlos. Die Organisationen wollen sich ein Versorgungsnetz aufbauen. Der Einsatzbereich der Reh-Rettung Hegau-Bodensee erstreckt sich von Pfullendorf bis in die Ortenau. Sie hat dieses Jahr bei 34 Einsätzen über 300 Hektar überflogen und 52 Kitze , 37 Geißen, Schmalrehe, Hasen, Füchse und eine Katze gerettet.

Barbara Schmidle bemerkte, dass die Technik funktioniere, aber die Sicherstellung Probleme bereitet. Fünf Kitze wurden zwar aufgestöbert, konnten aber nicht vor dem Mähtod gerettet werden. Die Vereinsvorsitzende bemerkte, dass es wenig bringt, ein Kitz nur zu vertreiben, da es innerhalb kurzer Zeit wieder an seinen Liegeplatz zurückkehren werde. Die deutschen Piloten fliegen im Gegensatz zu ihren Schweizer Kollegen manuell ohne Weg-Punkte und die Retter sind lediglich per Funk mit dem Piloten verbunden und nutzen keinen Wärmebildschirm.

Das Einsatzbereiche der Drohnen werden immer mehr ausgeweitet. Seit ein paar Jahren werden die Multikopter auch gezielt zur ...
Das Einsatzbereiche der Drohnen werden immer mehr ausgeweitet. Seit ein paar Jahren werden die Multikopter auch gezielt zur Rehkitzrettung eingesetzt. | Bild: Thomas Güntert

In der Schweiz ist die Vorbereitung leichter

Laut Barbara Schmidle könnten sich die Schweizer Kollegen intensiver auf einen Einsatz vorbereiten, weil die Schweizer Bauern die Unterlagen über die zu befliegenden Wiesen eher zur Hand hätten. In Deutschland werde von den Drohnenpiloten zudem ein Kenntnisnachweis verlangt. In der Schweiz ist die Gesetzgebung liberaler und grundsätzlich kann jeder fast überall eine Drohne fliegen lassen. Sie muss laut Vorschrift lediglich weniger als 30 Kilo wiegen und der Pilot muss Sichtkontakt zur Drohne haben. Die Drohne hat in der Schweiz den gleichen Status wie ein Modellflugzeug.