"Es gibt zu wenig Erzieherinnen in den Singener Kitas, und darunter leidet die Betreuung der Kinder", schreibt der Gesamtelternbeirat der Tageseinrichtungen für Kinder in einem Brief an die Stadtverwaltung. Die Elternvertreter Markus Sonnenschein, Annika Klotz und Roland Werner reagieren damit auf die Personalsituation in den Kitas. Die Eltern schreiben, dass in den Singener Kitas der Fachkräftemangel und der Mangel an Betreuungsplätzen deutlich zu spüren sei. Sie appellieren an die Stadt Singen, ihre Bemühungen, Fachkräfte anzuwerben und auszubilden, zu intensivieren.
Durch den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz war die Stadt gezwungen, das Angebot auszubauen. Für mehr Betreuungsplätze und einen steigenden Bedarf an Ganztagsbetreuung werden mehr Erzieher gebraucht, heißt es in dem Brief. Da es auf dem Arbeitsmarkt kaum Erzieher mehr gebe, könnten offene Stellen erst nach langer Zeit oder gar nicht besetzt werden.
Dünne Personaldecke
"Die Leidtragenden sind die Kinder", sagen die Eltern. Durch die dünne Personaldecke sinke die Qualität der Betreuung, Angebote würden wegfallen, betreuungsintensive Aktivitäten wie Turnen, Basteln oder Spielen im Garten würden gekürzt. Im schlimmsten Falle erfolge eine Kürzung der Betreuungszeiten, die Kinder könnten erst später gebracht oder müssten früher abgeholt werden. "Wir hatten tatsächlich vor der Sommerpause den Fall, dass aufgrund von Krankheitsfällen in einzelnen Kitas an manchen Tagen Öffnungszeiten gekürzt oder Gruppen zusammengelegt werden mussten", erklärte Leonie Braun, die den Bereich Kindertagesbetreuung bei der Stadt Singen leitet.
Berufstätige Eltern mit begrenztem Urlaubsanspruch kämen hier an ihre Grenzen, da sie dann oftmals kurzfristig eine andere Betreuung organisieren müssten, so die Eltern. Auch Arbeitssuchende fänden keine Arbeit, wenn die Betreuungszeit nicht mit der Arbeitszeit übereinstimme. Die wöchentliche Betreuungszeit müsse sich am konkreten zeitlichen Bedarf der Eltern orientieren, zitiert der Elternbeirat ein Entscheidung des Verwaltungsgerichts Aachen. Da in Singen derzeit viel neuer Wohnraum auch für Familien entstehe, werde sich die Situation weiter verschärfen.
Bezahlung muss besser sein
Die Eltern fordern, dass die Stadt ihre Bemühungen, Fachkräfte zu gewinnen, intensivieren müsse. Die Ausbildung müsse attraktiver, durchgehend praxisnah und die Bezahlung besser sein. "Nach der Ausbildung leisten Erzieherinnen einen wichtigen Dienst an der Gesellschaft. Aus Sicht des Gesamtelternbeirats ist es unverständlich, warum Menschen, die unsere Autos bauen, mehr verdienen als Menschen, die unsere Kinder erziehen", so die Eltern.
Das Problem des Fachkräftemangels sei bereits heute in den Singener Kindertageseinrichtungen spürbar. Finanziell müsse die Investition in die Einrichtungen und das Personal möglich sein, ohne die Elternbeiträge weiter zu erhöhen.
"Ich kann dem grundsätzlich nicht widersprechen", sagte Leonie Braun aus Sicht der Stadt. Sie sehe das Problem des Fachkräftemangels, die Stadt versuche aber alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um dem entgegenzuwirken. Sie bilde zusätzliche Fachkräfte im Bereich der praxisintegrierten Ausbildung (PIA) aus und bezuschusse diese Ausbildungsform auch bei den anderen Trägern, berichtet Leonie Braun. Damit können Quereinsteiger den Beruf des Erziehers ergreifen.
FSJ-Angebot für junge Menschen
Immer wieder würden Praktikanten beschäftigt, die im Zuge der Anerkennung ihrer ausländischen Zeugnisse eine Zeit lang in der Kita arbeiten müssen. Außerdem biete die Stadt jungen Menschen einige Stellen im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahrs in den Kitas an, die als Berufsorientierung genutzt werden könnten. Tatsächlich sei es so, dass bei Personalausfällen Angebote gestrichen werden müssten. Auf die Bezahlung der Erzieherinnen hätte die Stadt keinen Einfluss, die sei über den Tarifvertrag geregelt.
Positiv sei allerdings, dass die Ausbildungsform PIA in den Tarifvertrag aufgenommen und dadurch deutlich aufgewertet worden sei. Im "Pakt für gute Bildung" des Kultusministeriums sei außerdem eine Offensive für gut ausgebildete Fachkräfte vorgesehen, welche die Zahl der Ausbildungsplätze in der praxisintegrierten Ausbildung erhöhen solle, erklärt Braun.
Die Zahlen
In den zehn städtischen Kindertageseinrichtungen gebe es 133 Stellen im Bereich der pädagogischen Fachkräfte, inklusive der Leitungen, Anerkennungspraktikantinnen und Praktikanten in der praxisintegrierten Ausbildung, berichtet die Stadt. Davon seien gerade vier Vollzeitstellen unbesetzt. Um kurzfristige Ausfälle auffangen zu können, beschäftigt die Stadt aktuell vier Teilzeit-Springfachkräfte und zwei Vollzeit-Springfachkräfte. In Singen gibt es außerdem 18 Einrichtungen, die nicht in städtischer Trägerschaft sind.