
Der Novemberwind pfeift durch das menschenleere Gemäuer. Ansonsten ist es still am Hohentwiel. Nur sieben einsam von der Westseite baumelnde Seile zeugen davon, dass hier in den vergangenen Wochen Sicherungsarbeiten stattgefunden haben. „Immer drei Industriekletterer waren parallel damit beschäftigt, einen Geröllfangzaun unterhalb der Hochwart anzubringen“, berichtet Ela Dünkelsbühler. „Dass sich heute niemand von den Festungsmauer abseilt, hat einen Grund: Vergangenen Donnerstag ist erneut ein Steinschlag heruntergegangen.“

Als Architektin im Auftrag des Amts Vermögen und Bau Baden-Württemberg ist Ela Dünkelsbühler bereits seit 15 Jahren für den Hohentwiel zuständig. „Eine solche Steinschlaggefahr wie in den vergangenen Monaten habe ich in der Vergangenheit noch nie erlebt“, betont sie.
Fast eine Tonne
Die Materialmenge, die vor einer Woche in die Tiefe rauschte, schätzt die Architektin auf eine knappe Tonne. „Menschen sind dabei nicht zu Schaden gekommen und auch auf den Wegen ist kein neuer Schaden entstanden.“ Allerdings sei der gerade erst installierte Geröllfangzaun schon jetzt mit Steinen gefüllt und durch die Wucht des Aufpralls beschädigt worden.

Einen Tag, nachdem das Gestein in die Tiefe donnerte, haben Geologen den dadurch entstandenen Schaden unter die Lupen genommen. „Der Bauleiter, der die Sicherungsarbeiten für uns koordiniert, hatte zunächst vor, den kompletten Hohentwiel zu sperren“, blickt Ela Dünkelsbühler zurück.
Nachdem die Fachleute das Gelände inspiziert und Satellitenbilder ausgewertet hätten, habe man jedoch die Entscheidung getroffen, weiterhin nur die obere Festung für den Publikumsverkehr zu sperren. „Es wurde allerdings ein Baustopp verhängt.“

Wie es jetzt weitergeht
Wann die Arbeiten wieder aufgenommen werden, kann Dünkelsbühler noch nicht genau sagen. Bereits am Freitagabend vergangener Woche hätten die Geologen jedoch ein aktualisiertes Konzept an das Unternehmen weitergeleitet, das den Hang sichern soll. „Diese Vorschläge muss die Firma jetzt akzeptieren“, erklärt Dünkelsbühler.
„Ich hoffe, dass die Kletterer nächste Woche schon wieder im Einsatz sind.“ Dass die ursprünglich mit 40.000 Euro veranschlagten Kosten eingehalten werden können, kann die Architektin allerdings schon jetzt ausschließen. Ob die obere Festung – wie von Mitarbeitern von Vermögen und Bau Baden-Württemberg zuletzt im Singener Gemeinderat angekündigt – tatsächlich im Frühjahr wieder geöffnet werden kann?
Ela Dünkelsbühler will sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Sie sei aber zuversichtlich, dass die Arbeiten bald fortgeführt werden können. „Definitiv kann ich aber schon jetzt sagen, dass der Berg nicht vor der offiziellen Abnahme durch die Geologen wieder freigegeben wird.“
Sicherungsnetz wird größer
Der jüngste Steinschlag beweise, wie wichtig es tatsächlich ist, den Hang der Festung abzusichern. Damit das gelingt, muss aber nicht nur der Geröllfangzaun geleert und repariert werden: „Ursprünglich hatten wir vor, ein 50 Quadratmeter großes Drahtgeflecht am Hang anzubringen“, berichtet die Architektin. „Wir möchten die Größe dieses Sicherungsnetzes jetzt auf 75 Quadratmeter erweitern.“
Woher kommt diese Sprengkraft?
Warum an der in Richtung Hilzingen aufragenden Felswand die Steine ins Rollen gekommen sind, lasse sich nicht so einfach sagen. „Vermutlich sind die Vibrationen der Sicherungsarbeiten mitverantwortlich für den Felssturz gewesen. Fest steht aber auch, dass die in den Hang hineinwachsenden Baumwurzeln, die von innen gegen das Gestein drücken, über eine enorme Sprengkraft verfügen.“ Nicht nur deshalb sollen die bereits regelmäßig stattfindenden Geländebegehungen in Zukunft ausgeweitet werden.
Ela Dünkelsbühler weiß um den Stellenwert, den der Hohentwiel in der Region hat. „Es ist schön zu sehen, wie sehr dieser Berg den Menschen am Herzen liegt.“ Ihr selbst dürfte aber ein kleiner Stein vom Herzen fallen, sollten sich tatsächlich in der kommenden Woche wieder die Industriekletterer von den Festungsmauern herabschwingen.