Wenn plötzlich das warme, rote Licht aufblitzt, wird einem schlagartig bewusst, dass man gerade zu schnell unterwegs gewesen ist. Rund 2000 Mal blitzen jeden Monat in Singen die vor fünf Jahren installierten stationären Geschwindigkeitsmessanlagen der Firma Jenoptik.
2014 war es ein genialer Gedanke, statt des Kaufs der Anlagen, die Geräte zu mieten. Das bedeutet, dass die Stadtverwaltung nur für Messungen bezahlt, die sie im Rahmen eines Bußgeldverfahrens verwertet. Investitionen waren nicht nötig. Aufbau, Betrieb und Instandhaltung der Anlagen erfolgen auf Kosten des Vertragspartners.
Jetzt ist der Vertrag ausgelaufen und es galt Entscheidungen zu treffen. Die Dienstleistung zum Betrieb neuer Säulen muss neu ausgeschrieben werden und die Ratsvertreter hatten zu entscheiden, ob weiter das Mietmodell bevorzugt werden soll, oder die kostengünstigere Variante zum Erwerb der Geräte.

Singens OB Bernd Häusler bevorzugt das Mietmodell, da die Stadt mit den Blitzern Erziehungsarbeit statt Ertragsabsichten verfolgt. „Am liebsten wäre mir, wir würden gar nichts verdienen, weil die Verkehrsteilnehmer sich an die Geschwindigkeitsbeschränkungen halten“, so Häusler. „Das eigentliche politische Ziel ist, durch die Geschwindigkeitsmessungen überhaupt kein Geld zu verdienen, sondern, dass sich die Autofahrer an die Geschwindigkeit halten.“ Dennoch bleiben Fragen offen:
- Warum nicht kaufen? Der Vorteil des Erwerbs: das gesamte Bußgeld verbleibt in Singen. Aber es gibt auch Nachteile, wie Marcus Berger von der Stadtverwaltung erläutert. Es entstehen indirekte Kosten: Stromversorgung, Vandalismusversicherung, Wartungsverträge und Eichkosten. „Außerdem muss die Funktionsfähigkeit durch städtische Mitarbeiter geprüft werden“, so Berger. Darüber hinaus habe der Verkäufer der Anlage kein gesteigertes Interesse, ausgefallene Anlagen mit höchster Priorität wieder instand zu setzen. Beim Kauf müsste zudem die Aufbereitung der Bilddaten durch städtisches Personal erfolgen, das in diesem Umfang bisher nicht vorhanden ist.
- Warum doch kaufen? Beim Mietmodell entstehen je Messung Kosten, die die Höhe des Bußgeldes für die Stadt reduzieren. Allerdings entfallen die oben aufgeführten Kosten komplett. Bei Mietmodell rechnet Berger mit Gesamtkosten von rund 1,3 Millionen Euro. Die Summe basiert auf einer Hochrechnung der Aufwendungen der letzten sechs Monate auf zehn Jahre.
- Welche Kosten entstehen? Für den Kauf der sieben Blitzer im Stadtgebiet rechnet Berger mit 500 000 Euro Anschaffungskosten. Dazu kommen Personalkosten von rund 6500 Euro pro Jahr – in zehn Jahren 65 000 Euro ohne Tarifsteigerungen – plus Versicherungskosten von jährlich 11 000 Euro, was sich innerhalb von zehn Jahren auf weitere 110.000 Euro aufaddiert. Kosten für Strom, Wartung, Eichung und Software können mangels Erfahrungswerten nicht benannt werden. Dennoch kalkuliert die Stadtverwaltung, dass die nackten Zahlen bei einer Laufzeit von zehn Jahren und einer Bilderzahl von über 35 000 statt bisher berechneten 20 000 Bildern pro Jahr bei rein wirtschaftlicher Betrachtung für den Kauf der Anlagen sprechen würden.
- Was spricht für die Miete? Gerade der Bereich der Geschwindigkeitsmessung dürfe nicht unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet werden darf. „Wir wollen die Verkehrssicherheit erhöhen, nicht den städtischen Haushalt verbessern“, betont OB Bernd Häusler. Die Stadt trägt beim Mietmodell kein wirtschaftliches Risiko, wenn die Einnahmen geringer werden, weil Autofahrer sich regelgerecht verhalten. So gesehen verliert die Stadt am wenigsten, wenn alle ordnungsgemäß fahren.
- Was soll sich ändern? Statt auf fünf Jahre soll auf zehn Jahre ausgeschrieben werden. Dies muss europaweit und aus Gründen der Chancengleichheit als kompletter Neuaufbau inklusive Betonfundament erfolgen. Die vorhandenen Sockel müssen vom bisherigen Betreiber Jenoptik selbst dann entfernt und neu angelegt werden, wenn er die Ausschreibung gewinnt.
- Welche Standorte sind geplant? Aktuell sind die Blitzer an der Georg-Fischer-Straße, Hohenhewen-, Ekkehard- und Freiheitsstraße sowie am Posthalterswäldle aufgestellt. Zusätzliche Standorte sollen in diesem Verfahren nicht ausgeschrieben werden. Geprüft werden soll gemäß eines Antrags von Hans-Peter Stroppa, ob die vorhandenen Standorte verändert werden können, wenn ohnehin die Fundamente erneuert werden müssen.

Die Statistik
- Stationär: Die Zahl der Geschwindigkeitsverstöße ist von knapp 3500 Fahrzeugen im Dezember 2014 auf knapp 2500 Fahrzeuge im Dezember 2016 gesunken. 2019 wurden bis Juli etwa 2000 Fahrzeuge monatlich gemessen. Aufgrund dieser Entwicklung wird bei gleichbleibender Auslastung der Anlagen mit Einnahmen von rund 6 Millionen Euro im Verauf der Zehn-Jahres-Frist gerechnet.
- Mobil: Um die Verkehrssicherheit nicht auf die Bereiche der stationären Blitzer zu beschränken, setzt die Stadtverwaltung weiterhin auf mobile Messanlagen, die an wechselnden Standorten eingesetzt werden. (bie)