Von Ulrike Blatter

In Zeiten von Corona ist der Begriff der politischen Korrektheit etwas in den Hintergrund geraten. Aber mein Autorinnenleben geht weiter und damit die Auseinandersetzung mit Sprache. Als Schriftstellerin muss ich in der Lage sein, eine Figur mit Worten so zu skizzieren, dass sich die Leserschaft ein Bild machen kann. Klischees sollte man dabei nach Möglichkeit vermeiden, wobei neuerdings auch in der Literatur auf politische Korrektheit geachtet wird. Das geht so weit, dass sogar in Klassikern missliebige Wörter durch angeblich neutrale ersetzt werden. Aber ist gut gemeint auch immer gut gemacht?

Diese Frage stellt sich mir auch im echten Leben. Aktuell teile ich mein coronabedingtes Homeoffice mit einem Freund und der ist... tja, da fangen die Probleme bereits an. Bis vor Kurzem sagte ich im Rahmen der Personenbeschreibung: Er ist dunkelhäutig. Schwarz stimmt nicht, da er eher der Typ Milchkaffee ist. Nicht, dass ich Menschen ausschließlich über ihre Hautfarbe definiere – mein Freund hat Hobbies, einen Beruf und andere Dinge, über die zu reden lohnt. Aber manchmal ergibt es sich, dass die Hautfarbe doch erwähnt werden sollte (zum Beispiel, wenn es um real erlebte Diskriminierung geht).

„Schwarze Liste“ – korrekt oder nicht?

Nun las ich von einem Schriftstellerkollegen, dass der Ausdruck „dunkelhäutig“ oder gar „farbig“ eine krasse Diskriminierung sei – fast schon auf dem gleichen Niveau wie das N-Wort. Auch die Begriffe „schwarz“ und „afrodeutsch“ stehen offenbar auf einer Schwarzen Liste (‘tschuldigung, diesen Gag konnte ich mir jetzt nicht verkneifen). Außerdem hat mein Freund keinen afrikanischen Hintergrund – aber dies nur nebenbei.

Ich war ratlos und fragte ihn direkt nach seiner Einschätzung. Überraschung! Dunkel oder dunkelhäutig fand er genauso in Ordnung wie Milchkaffee – er persönlich fühle sich da keineswegs diskriminiert. Als Süßspeise bevorzuge er aber statt Mohrenkopf den Schokokuss. Ja klar, das versteht sich. Als er dann aber – durchaus selbstkritisch – von eigenen Vorurteilen erzählte, wurde es wirklich knifflig. Er habe früher immer wieder mal Probleme mit arabischstämmigen Jungs gehabt – und diese negative Erfahrung später auch verallgemeinert. Die Ironie: Er wurde selbst immer wieder als Araber beschimpft, womit sich der Kreis schließt. Irgendwo las ich den Spruch, dass erst dann Friede auf der Welt herrsche, wenn wir alle milchkaffeebraun sind. Aber das ist vermutlich auch nur gut gemeint...

Die Autorin Ulrike Blatter wohnt in Gottmadingen und ist Schriftstellerin. Für den SÜDKURIER nimmt sie sich montags in der Kolumne „Am Rande“ Themen vor, die das Bewusstsein für alltägliche Begebenheiten schärfen.