Überlingen Den Auftakt gaben am Donnerstag zwei Standardensembles der Kantorei, nämlich das Heinrich-Schütz-Vokalensemble und das gleichnamige Consort. Unter dem Titel „Motetto“, jener im 13. Jahrhundert entstandenen, seit dem 16. Jahrhundert breit entwickelten kirchenmusikalischen Gattung geistlichen Chorgesangs fächerten die Musiker unter souveräner Leitung von Bezirkskantor Thomas Rink die Bandbreite der Motette von der Reformationszeit bis zu Johann Sebastian Bach auf. Frühbarocke Werke von Johann Walter oder Melchior Franck trug das Vokalensemble a cappella vor, also ohne Instrumentalbegleitung. Es gibt nicht viele Chöre in der Region, die diese Hohe Schule des Ensemblegesangs singtechnisch und im künstlerischen Ausdruck so überzeugend beherrschen. Dabei konnten sich die fünf Männerstimmen gegenüber den 14 Frauen in der Gesamtbalance gut behaupten, jedenfalls im Bass. Nun mag der Begriff „Barock“ eine sinnvolle musikhistorische Klammer sein, aber zwischen seinen frühen Vertretern und einem Johann Sebastian Bach liegen doch Welten. Dieser Gegensatz wurde dem Auditorium im voll besetzten Gotteshaus sehr deutlich vor Ohren geführt, als zum Höhepunkt und Abschluss des Programms Bachs Motette „Jesu, meine Freude“ erklang. Gegen die satztechnische Raffinesse und die dramatische Expressivität dieser Musik wirkt manches Frühere – Heinrich Schütz einmal ausgenommen – doch oft recht bieder und konventionell. Vokalensemble und Consort entledigten sich dieses anspruchsvollen Auftrags eindrucksvoll, wenngleich man sich beim Chor dort, wo es im Text „kracht und blitzt“, etwas mehr Leidenschaft für die Konsonanten gewünscht hätte. Imponierend aber, dass fast alle Choristen auch mit Solopartien zu überzeugen wussten. Mit seiner generellen Hinwendung zur Barockmusik macht Thomas Rink aus dem quantitativ überschaubaren Rahmen seiner Kantorei eine Tugend, denn die Musik jener Epoche leuchtet am hellsten aus kleinen, beweglichen Besetzungen.