Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Das dachte so ähnlich nicht nur Goethe vor etwa 200 Jahren, sondern das denken sich in diesem Jahr auch viele Deutsche. Die Corona-Pandemie macht das Planen von Reisen schwer, deshalb entdecken viele Urlaub innerhalb Deutschlands für sich – und den Hegau. „Wir sind sehr gut unterwegs, was die Auslastung angeht“, sagt Markus Bumiller für die Tourismus-Initiative Singen. Die hat sich im vergangenen Jahr mit Mitgliedern aus Beherbergung, Gastronomie und anderen Anbietern gegründet, um den Tourismus voranzubringen. Gerade bei jüngeren Menschen werde die Region immer beliebter, beobachtet Bumiller.
Damit das weiter so ist und zunimmt, braucht es in seinen Augen aber einige Maßnahmen: „In den nächsten 24 Monaten muss was passieren, damit Singen künftig ein attraktives Ziel wird und bleibt. „
An Bahngleisen statt idyllisch in der Natur: Camping-Trend verschlafen?
Einen Trend habe die Stadt am Hohentwiel in seinen Augen fast verpasst: Wohnmobile und Wohnwagen. „Singen hat es ein bisschen verschlafen, auf diesen Trend aufzuspringen“, konstatiert Bumiller. Während andere Kommunen die Camper auf neu gestalteten Plätzen willkommen heißen wie etwa in Radolfzell unter anderem auf der Mettnau, werden sie in Singen am Rande eines Parkplatzes in direkter Nähe zu Bahngleisen empfangen. Doch nicht nur der Ort sei wenig charmant, auch ein digitales Check-In-Konzept fehle.
Laut Bumiller ist es aber noch nicht zu spät, auch Singen attraktiver für diese Zielgruppe zu machen: Wer sich jetzt Wohnmobil oder Wohnwagen gekauft habe, werde das für viele Jahre nutzen wollen.
Der 40-jährige Unternehmer kann sich auch einen weiteren Campingplatz gut vorstellen: „Die Region gäbe es auf jeden Fall her“, findet er. Bislang gebe es zwei Anbieter im Hegau und der Campingplatz in Tengen sei so erfolgreich, dass er zu den größten Beherbergungsbetrieben des Landkreises gehöre. Bleibe nur noch die Standort-Frage: Wo ist Platz für einen Campingplatz?
Sieben Prozent mehr Übernachtungen im Hegau
Längst sei die Region nicht mehr nur irgendein Ziel in der Nähe des Bodensees. „Der Hegau hat extrem gut aufgeholt“, so Bumiller. Im August 2020 übernachteten beispielsweise sieben Prozent mehr Menschen im Hegau als im Vorjahr, wie das Statistische Landesamt festhält. Besonders bei Wanderern und Fahrradfreunden sei die Region beliebt, so Bumiller. Um das tolle Angebot nach außen zu tragen, fehlt ihm aber ein Konzept. Die städtische Tourismus-Webseite sei beispielsweise wenig hilfreich. Die Tourismus-Initiative Singen bietet dabei Hilfe an: „Über Vereinsstrukturen ist es vielleicht einfacher zu lösen. Wir sehen uns da als Dienstleister, brauchen aber die Unterstützung der Stadt.“
Nur kostenlos den ÖPNV nutzen? Touristiker versprechen sich mehr von der Kurtaxe
Nicht zuletzt wegen der Tourismus-Abgabe, die im Mai eingeführt wurde, habe die Branche auch Erwartungen an die Stadt. Zu Jahresbeginn hieß es, dass die Einnahmen der Kurtaxe für touristische Zwecke genutzt werden sollen. Pressesprecher Achim Eickhoff nannte als Beispiele den Hohentwiel-Bus und Wanderwege.
Allein damit, dass Gäste dank Kurtaxe den Nahverkehr kostenlos nutzen können, ist es für Markus Bumiller nicht getan. „Man sollte sich ein Konzept überlegen, mit dem man ab 2022 Messen besucht und mehr Außenwerbung macht“, appelliert er. Das übernimmt bislang auch der Verein REGIO Konstanz-Bodensee-Hegau, der vereint für den westlichen Bodensee eintreten möchte.
Was könnte man in Singen und Hegau verbessern? Bumiller hat Ideen
Bumiller hat weitere Ideen: Ziele wie die Bohlinger Schlucht könne man entwickeln, um immer wieder etwas Neues anbieten zu können – nicht nur für Touristen, wie er betont. „Man darf die Einheimischen nicht außer Acht lassen und muss einen guten Weg finden, um Naherholungstourismus für Einheimische wie für Gäste zu entwickeln.“ Im Fall der Bohlinger Schlucht arbeite man bereits an der Reaktivierung.
Um den Hohentwiel besser zu erreichen, spricht der Vereinsvorsitzende sich für einen Ausbau des Shuttle-Verkehrs aus. Dann könne man auch über ein Fahrverbot für Autos nachdenken. Außerdem wünscht er sich Schulungen für Touristiker, damit diese ihre Gäste noch besser beraten können. Auch beim Rad-Tourismus sieht Bumiller noch Potenzial.
Tourismus ist wichtig – und von der Pandemie gezeichnet
Für mehr Zugkraft im Tourismus sei ein gutes, motiviertes und fachkundiges Team der Stadt gefragt, konstatiert der Vereinsvorsitzende. Denn Tourismus sei eine wichtige Branche und an Platz drei der Bereiche mit den höchsten Beschäftigungszahlen im Landkreis, wie Bumiller bereits im Frühjahr erklärte. Am Bodensee würden 60.000 Menschen im Tourismus arbeiten. Die Corona-Pandemie hat dabei tiefe Spuren hinterlassen. Auch wenn die Auslastung momentan gut sei, fehle ein halbes Jahr, erinnert Bumiller. Außerdem mache ein extremer Personalmangel selbst etablierten Einrichtungen zu schaffen. „Viele Leute haben sich was anderes gesucht, als sie während des Lockdowns nicht in der Gastronomie oder im Hotel arbeiten konnten“, so Bumiller. Manch ein Restaurant habe deshalb nicht mehr sieben Tage pro Woche geöffnet, sondern nur fünf.
Die Serie
Sommer, Sonne, Ferien: Normalerweise bedeutet der Start der Sommerferien für viele Menschen aus Singen und dem Hegau, in den Urlaub zu fahren oder zu fliegen. Doch dann kam die Corona-Pandemie und stellte unseren Alltag auf den Kopf. In der losen Serie „Wohin die Reise geht“ sprechen Menschen darüber, wie sich Urlaub im zweiten Corona-Sommer verändert – oder auch nicht.
Sie haben dazu etwas zu erzählen? Dann melden Sie sich gerne per Mail an singen.redaktion@suedkurier.de
Was die KTS schon unternommen hat und noch geplant hat
Jörg Unger erklärt für die Kultur und Tourismus GmbH Singen, kurz KTS, welche Projekte im Tourismus von städtischer Seite zu erwarten sind.
- Was tut die KTS dafür, Singen als Tourismus-Ziel bekannter zu machen?
Gerade haben wir die Kurtaxe eingeführt. Das klingt erstmal nicht besonders attraktiv, da man meinen könnte, dass der Urlaub damit teurer wird. Allerdings kann der Gast den ÖPNV im gesamten Landkreis Konstanz und bis nach Überlingen (Stichwort Landesgartenschau) kostenlos nutzen. Vergünstigungen bei Einritten in Museen, Bäder, bei der Schifffahrt auf Untersee und Rhein sind ebenfalls sehr attraktiv. Gemeinsam mit den anderen Gemeinden gibt es eine Vermarktung des Westlichen Bodensees und des Hegaus. In Singen wurden und werden neue Angebote geschaffen, zum Beispiel Hohentwiel-Bus, Rad- und Wanderführer, zwei Lauschtouren (Hohentwiel und Kunstpfad), Premiumwanderwege....
- Was sind die Projekte der nächsten Wochen, Monate und Jahre? Stichwort Webseite und Wohnmobilstellplatz.
Der touristische Teil der neuen Website der Stadt muss gestaltet werden. Bisher ist die alte Version unter Singen Tourismus noch verfügbar. Für Wohnmobile haben wir seit nunmehr 20 Jahren einen Stellplatz in Singen mit Ent-/Versorgungsstation und Stromanschlüssen. Da haben andere Gemeinden sich noch gar nicht damit befasst. Der Platz ist gerade in den Ferien sehr gut besucht. Vor drei Jahren wurde die Ent-/Versorgungsstation erneuert und kommt jetzt sehr modern und kundenfreundlich daher. Desweiteren werden gerade Pläne diskutiert, einen weiteren Stellplatz in einem Ortsteil umzusetzen. Mehr kann ich dazu leider noch nicht sagen.
- Warum ist Singen einen Besuch wert?
Wir haben in den vergangenen zehn Jahren mit den anderen Hegau-Gemeinden umfangreiche Projekte umgesetzt. Es gibt inzwischen neun Premiumwanderwege, zwei davon auf der Gemarkung Singen. Mitte September kommt der zehnte Weg dazu, eine Streckenwanderung über knapp 30 Kilometer von Engen nach Singen. Fünf Hegauberge werden dabei berührt. Nach der Mountainbike-Weltmeisterschaft wurde zusammen mit der Gemeinde Hilzingen die WM-Strecke für unsere Gäste und auch Einheimische ausgeschildert. Kulturell haben wir mit den Museen einiges zu bieten, MAC, Kunstmuseum, Hegau Museum, Otto-Dix-Wandbilder im Rathaus und Kunst im öffentlichen Raum müssen hier genannt werden. Und dann gibt es natürlich noch ein Besuchermagnet, den Hohentwiel, der Besucher aus nah und fern anzieht. Für viele Besucher ist das Shoppingerlebnis in Singen auch von großer Bedeutung.