Dem Vorsitzenden Richter Joachim Dospil bleibt nur noch Sarkasmus. Er verteile jetzt den „Sonderband“ zum Selbststudium. Es geht um die 35 Vorstrafen eines 42-Jährigen. Der Mann, der schwer süchtig nach Kokain war, wird seit 28 Jahren verurteilt. Diebstahl, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Betrug. „Das Album ist voll“, sagt der Vorsitzende Richter. Doch es wird noch einiges dazu kommen.

Vor dem Landgericht Konstanz geht es nämlich um gleich mehrere Punkte. Erstens: um den Etikettenschwindel an einer Selbstbedienungskasse in Singen, Schaden fast 1000 Euro. Zweitens: um die Rolle des Angeklagten bei einem Einbruch in eine Tierarztpraxis in Singen, erbeutet wurden 100 Euro, zudem entstand ein Schaden von über 6800 Euro. Drittens: ums mehrfache Fahren ohne Führerschein sowie den Missbrauch eines Kennzeichens, das nur für fünf Tage ausgestellt war, und nicht zuletzt um den Diebstahl eines elektrischen über 2000 Euro teuren Kinderwagens in Villingen.

Der Angeklagte streitet einen Einbruch ab

Vor dem Landgericht räumt der Angeklagte die Delikte ein, mit einer Ausnahme. Mit dem Einbruch in die Tierarztpraxis habe er nichts zu tun. Er habe lediglich einem Kumpel einen Gefallen getan, und diesen nach ein Uhr nachts in die Nähe des Friedhofs in Singen gefahren. Der Freund habe dort angeblich jemanden treffen wollen. Der Angeklagte habe im Auto gewartet. Als sein Kumpel zurück kam, habe dieser die Autotür aufgerissen, ein Kästchen in den Wagen geworfen und ihn aufgefordert, schnell wegzufahren. Dieser Bitte sei er nicht nachgekommen. Dann kam die Polizei.

Der Praxisinhaber hatte diese alarmiert. Er wurde per Handy über Bewegungen in der Praxis informiert, steuerte per Mobiltelefon eine Kamera an und sah, wie sich um 1.44 Uhr eine Person in den Räumen zu schaffen machte. Ein Polizist sagt als Zeuge vor Gericht, der Beifahrer habe eine schwarze Skimaske getragen. Der Angeklagte dagegen behauptet, sein Kumpel habe keine Maske getragen, als er ins Auto stieg.

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Zufall oder Plan?

Unstrittig ist ein anderes Delikt. An einer Selbstbedienungskasse in einem Großmarkt in Singen soll der 42-Jährige das Etikett eines 950 Euro teuren Mähroboters gegen das einer Ware von knapp 10 Euro ausgetauscht haben. Der Betrug flog noch vor Ort auf. Der Markt bekam den Roboter wieder. Der Angeklagte sagt: „Ich habe immer alles zugegeben, was ich angestellt habe.“

Doch es bleiben Fragen. So behauptet der Mann, er habe in Villingen aus Zufall gerade den Kinderwagen geklaut, der über 2000 Euro wert ist. Oder gab es doch einen Plan? Nach Aussagen eines als Zeugen geladenen Polizisten löste eine Schwangere, die Frau des Bruders des Angeklagten, an einem Notausgang einen Alarm aus und zog so die Blicke auf sich. Es gibt Videos und Zeugen. Im mutmaßlichen Fluchtfahrzeug saßen nach Angaben der Polizei der Angeklagte am Steuer, neben ihm der Bruder und auf der Rückbank die Schwangere. Nur der Kinderwagen war weg und tauchte auch bei einer Hausdurchsuchung nicht auf.

Auch anderes bleibt rätselhaft. Zum Beispiel ist unklar, wie der Angeklagte, der vor der Privatinsolvenz steht, teure Geldstrafen aus der Schweiz bezahlen kann. Ebenso im Dunklen bleibt, warum er zum ersten Verhandlungstermin nicht erschienen ist. Die nachträgliche Entschuldigung hatte das Gericht nicht anerkannt. Es lässt ihn festnehmen. Bis zum Ende der Verhandlung muss der Angeklagte hinter Gittern bleiben: „Wir haben Angst, dass Sie nicht kommen“, erklärt Joachim Dospil.

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Der Angeklagte war drogenabhängig

Der deutsche Angeklagte sagt, er könne kaum lesen und schreiben. Er besuchte die Sonderschule und verließ sie ohne Abschluss. Mit 15 Jahren musste er den frühen Tod seines Bruder verkraften. Er griff zu Drogen. Lange Zeit war er vor allem von Kokain abhängig. Wegen Drogen wurde ihm im Jahr 2010 auch das Recht entzogen, eine ausländische Fahrerlaubnis zu gebrauchen. Diese hatte der Angeklagte offenbar erworben. Der Mann mit Leseschwäche sagt, es sei einfacher, wenn einem ein Dolmetscher alles vorlese.

Auch ohne Fahrerlaubnis ist der Angeklagte allerdings vielfach im Auto unterwegs. Er will auch als Fahrer gearbeitet haben. Als er merkt, dass das im Gerichtssaal für Grinsen sorgt, korrigiert er sich: Er sei der Mitfahrer gewesen. Als der Angeklagte mal wieder in Haft musste, habe die Mutter seiner fünf Kinder sich von ihm getrennt. Über seine vielen Strafen sagt er: „Ich bedaure das hinterher auch. Aber wenn man auf Drogen ist, ist es einem egal.“ Am Freitag, 11. April, geht der Prozess am Landgericht weiter.