Wer nach einem guten Restaurant in einer fremden Stadt sucht, musste sich vor wenigen Jahrzehnten noch auf die Meinung fremder Menschen oder das eigene Glück verlassen. In Zeiten digitaler Dienstleister kann man sich sofort und jederzeit viele verschiedene Meinungen zu jedem Ort einholen und sich so schneller als je zuvor einen eigenen Eindruck verschaffen. Im Gespräch mit dem Cano und dem Kulturbüro Singen zeigt sich auch: Solche Bewertungen können einen Einfluss auf Geschäfte und Tourismus haben. Was schreiben Nutzer über Singen und wie hilfreich ist das? Ein Überblick – mal mehr, mal weniger ernsthaft.

Burgruine zu anstrengend

Die Burgruine auf dem Hohentwiel ist eines der größten Wahrzeichen in Singen, Bewerter aus aller Welt haben den Weg zur Ruine auf sich genommen. Niederländische, englische und türkische Rezensionen kann man hier finden. Ein Punkt fiel bei einigen besonders ins Auge: Der Weg sei zu steil. Ein Nutzer ging sogar so weit und nannte die Burgruine „unsicher und viel zu anstrengend zum Aufsteigen“. Er kann nur hoffen, dass der Hohentwiel auf seine Kritik eingeht und sich in den folgenden Millionen Jahren weiter abträgt.

Auch nur einen Stern vergibt ein Nutzer mit der Begründung: „Sehr interessanter Ausflugsort, Wanderschuhe zu empfehlen.“ Man kann vermuten, dass er sich bei der Sterneauswahl vertan hat. Dennoch fließt seine Bewertung in den Durchschnitt ein.

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Der Hohentwiel wird ansonsten aber vor allem positiv gesehen. Mit 4,7 Sternen bei fast 2400 Berichten gehört die Burgruine zu den am häufigsten bewerteten Sehenswürdigkeiten in Singen. Ein Nutzer schildert sein positives Erlebnis und schreibt: „Wir hatten einen wunderschönen Nachmittag auf der Ruine Hohentwiel. Die Aussicht bis zum Rande des Bodensee war einfach genial.“ Auch ein anderer konnte Gutes berichten: „Bin am Morgen hochgejoggt. Es eröffnet sich ein wunderbarer Blick über Singen, bis hin zum Bodensee.“

Glaubensgemeinschaften halten zusammen

Die Kirchen und Moscheen gehören ohne Ausnahme zu bestbewerteten Gebäuden in der Stadt. Anders als bei vielen Geschäften oder Behörden nehmen sich Nutzer oft Zeit, um längere Bewertungen zu schreiben. Dabei hat die Moschee der Südstadt mit 4,9 Sternen bei 72 Bewertungen die meisten Sterne von allen Glaubenseinrichtungen in Singen.

Die Sankt Josef Kirche zwischen Rielasinger und Worblinger Straße.
Die Sankt Josef Kirche zwischen Rielasinger und Worblinger Straße. | Bild: Amir Murati

Einem anderen Nutzer war das aber nicht genug. Er bewertete die Kirche Sankt Joseph zwischen Worblinger und Rielasinger Straße mit nur einem Stern und schrieb auf türkisch dazu: „Ich bin nicht reingegangen.“ Die Moschee in Radolfzell nannte er dafür „großartig“. Mit aller Wahrscheinlichkeit hat er diese aber auch von innen gesehen.

Zu viel oder zu wenig Weihnachtsdeko am Cano?

Das Cano ist als Einkaufszentrum mit seinen vielen Läden seit bald drei Jahren ein belebter Ort in Singen. Die meisten Besucher scheinen sich nicht beschweren zu können, denn mit 4,3 Sternen hat das Cano einen vergleichsweise hohen Sternedurchschnitt. Kritik findet sich dennoch: an Jugendlichen, die im Essensbereich E-Zigarette rauchen würden, zu spät öffnenden Geschäften und am Wochenenden viel zu schnell belegten Parkplätzen.

Das Einkaufszentrum Cano bereichert seit 2020 den Singener Einzelhandel. Und auch hier schaut man auf Online-Rezensionen.
Das Einkaufszentrum Cano bereichert seit 2020 den Singener Einzelhandel. Und auch hier schaut man auf Online-Rezensionen. | Bild: Freißmann, Stephan

Was passiert, ist aber manchmal nicht so wichtig wie das, was fehlt. So vermisste eine Verfechterin von Festtageseinrichtungen die Weihnachtsstimmung und rief zum Boykott auf. Sie schrieb: „Selbst zur Weihnachtszeit ist dort nichts los. Keine Weihnachtsstimmung, nichts! Meiden!“ Seltsam war nur, dass die Nutzerin zu ihrer Bewertung aus dem Dezember 2021, also mitten in der Corona-Pandemie, auch einige Bilder mit Weihnachtsdekoration im Einkaufszentrum gepostet hat.

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Ein anderer Nutzer vergab ebenfalls nur einen Stern, aber genau aus dem anderen Grund. Er beschwerte sich, dass das Cano noch im späten Januar weihnachtlich dekoriert sei: „Ist denn immer noch Weihnachten oder schon wieder?“ Ein Treffen der beiden Kritiker wäre ohne Frage sehr spannend. Für Menschen, die das Cano nicht kennen und sich vorab ein Bild machen wollen, bleiben diese Bewertungen aber ohne großen Nutzen.

Stellung von Online-Bewertungen

Im Gespräch mit dem SÜDKURIER äußerte sich Center-Managerin Kitty Molnar dazu, wie sie mit solchen Bewertungen umgeht. Sie selbst kennt die mitunter kuriosen Bewertungen zum Cano und weiß, wie wichtig sie trotzdem sein können. Molnar glaubt, dass auch solche Bewertungen einen Einfluss auf Kunden hinterlassen können, die sich heutzutage vor allem auf Internetbewertungen verlassen.

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Abtun möchte sie also keine Kritik: „Jede Bewertung hat ihr Recht“, sagt Molnar. „Wir versuchen auch, die Sicht jedes Kunden nachzuvollziehen, um aus diesen Erfahrungen zu lernen.“ Das Cano-Team reagiert auch auf viele der kritischen Bewertungen. Für die Center-Leiterin sind Bewertungen auch eine wichtige Form der Marktforschung geworden, die ähnlich verlässlich ist wie professionelle Kundenumfragen.

Auswirkungen auf Touristen

Auch das Kulturbüro Singen weiß, wie wichtig Online-Bewertungen sein können. Laut Jana Goosmann, Abteilungsleiterin Tourismus bei der Stadt Singen, informieren sich die meisten Gäste und Besucher vorab digital zu den Aktivitäten und Ausflugsmöglichkeiten in einer Stadt. Auch für Goosmann spielen die negativen Bewertungen eine besondere Rolle, denn diese werden häufig zuerst gelesen und halten so potentielle Kunden oder Gäste gegebenenfalls davon ab, eine Buchung oder ähnliches zu tätigen.

Denn in der Masse können Bewertungen durchaus einen ersten Eindruck vermitteln und sind daher essenziell geworden für Unternehmen und Kunden – auch wenn nicht alle hilfreich sind.