Moderne Medizin in einem altehrwürdigen Gebäude: So fasst Frank Hinder zusammen, was die Ärzte am Singener Krankenhaus derzeit tun. Hinder ist Ärztlicher Direktor des Hegau-Bodensee-Klinikums und in dieser Funktion gewissermaßen der oberste Mediziner der Krankenhäuser in Singen, Radolfzell und Stühlingen. Und in dieser Funktion beschäftigt ihn auch das Strukturgutachten der Firma Lohfert und Lohfert zum Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN). Der Vorschlag der Gutachter: Die beiden Häuser in Singen und Radolfzell sollten durch einen gemeinsamen Neubau ersetzt werden.

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Doch wie sieht die Sache aus ärztlicher Sicht aus? Hinder lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig: „Man kann hier hervorragend Patienten behandeln und es macht uns Spaß.“ Er hebt die Lebensqualität hervor, die das Krankenhaus für Mitarbeiter wie Patienten biete mit seinem Park und der Lage am Hohentwiel. Und er weist darauf hin, dass das Singener Krankenhaus in vielen Bereichen zertifizierte Leistungen erbringe, etwa beim Gefäß- oder dem onkologischen Zentrum. Etwa bei Notfallversorgung und Intensivbehandlung arbeite man auf höchster Stufe.

Doch er sagt auch: „So schön wie es für Patienten und Mitarbeiter ist: Es ist ein altes Haus und bleibt es.“ Viele Faktoren hätten dazu beigetragen, dass der GLKN ein Defizit macht. Der Kreistag rechnete zuletzt mit einem Minus von 21 Millionen Euro für 2021, das vom Landkreis und den Städten Singen und Konstanz übernommen wird. Dieses Defizit sorgt für Handlungsdruck. Einer der Faktoren dafür ist laut Hinder, dass die Entgelte für die Behandlung langsamer steigen als die Lohnkosten. Er rechnet vor, dass allein dieser Punkt die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben inzwischen jedes Jahr um mehrere Millionen Euro aufgehen lässt.

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Ein weiteres Problem bei der Wirtschaftlichkeit sind nach seinen Erklärungen die Stationsgrößen. Denn seit 2019 gibt es die Pflegepersonaluntergrenzenverordnung. Hinter dem sperrigen Wort verbirgt sich eine Vorschrift, wie viele Krankenschwestern und -pfleger mindestens auf einer Station sein müssen, um die Patienten zu versorgen. Wie Hinder erklärt, seien bei den meisten Normalstationen 18er-Schritte bei der Zahl der Patientenbetten ideal. Denn dann geht die Zahl der Betten und die des Pflegepersonals gut auf. Weicht die Stationsgröße davon ab, wird das Verhältnis ungünstiger – ein Nachteil aus wirtschaftlicher Sicht.

Versorgung kann ökonomischer laufen – aber trotzdem gleich gut

Beim ärztlichen Dienst seien nach dem Tarifvertrag für kommunale Krankenhäuser vier Bereitschaftsdienste pro Monat und Arzt möglich. Die Nebenfolge für kleine Abteilungen ist, dass man viele Ärzte braucht, um diese Dienste abzudecken. Hinders Fazit: „Die Mitarbeiter identifizieren sich sehr stark mit den Häusern in Singen und Radolfzell. Aber die Notwendigkeit eines Neubaus und die Chance für die Zukunft sieht jeder.“

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All diese Faktoren könnte man in einem Neubau berücksichtigen, ist die Überzeugung des Ärztlichen Direktors. Dann könnte die Versorgung bei gleicher Qualität ökonomischer erfolgen – zum Beispiel durch passendere Stationsgrößen oder eine bessere Verteilung von Diensten. Und auch andere Punkte, die das Personal im jetzigen Gebäude zur Improvisation zwangen, könnte man berücksichtigen. Räume, in denen man Patienten wie bei Corona isolieren könne, könnte man beispielsweise näher an die Notaufnahme bauen. Man müsse sich mit einem Neubau möglichst gut auf absehbare Entwicklungen einstellen, sagt Hinder.

Eine davon sind immer strengere Auflagen bei den Mindestmengen. Darunter ist zu verstehen, dass die Krankenkassen für einen bestimmten Eingriff nur dann bezahlen, wenn ein Krankenhaus mindestens eine gewisse Anzahl dieser Eingriffe macht. Und da könnte es an manchen Stellen eng werden, wenn Konstanz und Singen weiterhin getrennt operieren, sagt Hinder.

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Auch dass immer mehr Eingriffe ambulant erfolgen, sei schon absehbar. Dafür spricht auch die Entwicklung bei den stationären Patienten von 2016 bis 2019, noch vor Corona. Wie Hinder aufzählt, ging deren Zahl im Kreis Konstanz um 2,5 Prozent zurück, im Regierungsbezirk Freiburg um 2,0 Prozent. Und das alles ähnlich wie im Bundestrend. Gleichzeitig werden die Liegezeiten der Patienten immer kürzer, und zwar weil viele Operationen mit viel kleineren Wunden gemacht werden können, etwa durch Schlüssellochtechnik. Daher ist auch Hinder davon überzeugt, dass ein Neubau für den Hegau mit weniger Betten auskäme, als es in Singen und Radolfzell derzeit zusammen gibt. Hinder kommt zum Schluss: „In einem neuen Krankenhaus sehe ich mehr Chancen als Risiken.“