Steißlingen – Steißlingens Bürgermeister Benjamin Mors empfindet die Vorgehensweise des Landes als unmoralisch. Auf der einen Seite stünden hohe Zinsbescheide für Rückforderungen und auf der anderen zögerlich ausgezahlte Fördergelder für abgeschlossene Projekte, sagt er. Bürger und Unternehmer ächzten unter der Last der Bürokratie und forderten bereits seit Jahrzehnten Bürokratieabbau. Vor der Wahl versprächen dies auch alle Politiker, doch Pandemie und Klimawandel scheinen eher ein Turbo für Bürokratie zu sein. Mors betonte sein Unverständnis über die Vorgänge rund um die kommunale Unterbringung von Flüchtlingen und das Messen mit zweierlei Maß – je nachdem, ob die übergeordneten Stellen etwas von den Gemeinden wollen oder die Gemeinden etwas von ihnen wollen.
Mittlerweile sind 230 Geflüchtete in Steißlingen untergebracht. „Die Gemeinde musste den Beschluss fassen, im Industriegebiet eine Notunterkunft für die Unterbringung von Geflüchteten für 1,8 Millionen Euro zu errichten“, schildert Mors. „Kleinteilige Lösungen im Ort, wie sie für eine bessere Integration sonst favorisiert werden, waren aufgrund der hohen Zahl unterzubringender Personen nicht mehr möglich“, bedauert er. Für den Bau der Notunterkunft habe die Verwaltung mit einer Förderung in Höhe von 580.000 Euro gerechnet. Diese wurden auch ausgezahlt. Doch nun erhielt die Gemeinde einen Rückzahlungsbescheid über 140.000 Euro. Der Grund hierfür sei, dass Flure, Gemeinschafts- und Technikräume nicht gefördert würden. „Wie soll eine Unterkunft ohne diese Räumlichkeiten überhaupt funktionieren“, fragte sich der Bürgermeister. Doch während er sich noch mit dieser Frage beschäftigte, flatterte ein weiteres Schreiben zum Thema bei der Gemeindeverwaltung ein. Der Zinsbescheid in Höhe von rund 7500 Euro bezog sich auf die zurückzuzahlende Summe von 140.000 Euro, die rund sechs Monate auf dem Konto der Gemeinde waren. Die Rückzahlungssumme sei zu verzinsen und das mit einem Zinssatz von über acht Prozent. „Das ist äußerst unmoralisch“, ärgert sich Mors.
Zum einen prangert er an, dass das Land der Kommune einen Zinsbescheid erteile, und zum anderen, dass dieser einen am derzeitigen Markt nicht erzielbaren hohen Zinssatz zugrunde lege. Zudem weist er darauf hin, dass die Geflüchteten in der Vergangenheit wesentlich schneller durch die Erstaufnahmestellen und Gemeinschaftsunterbringungen durchgeschleust worden seien als rechtlich vorgesehen. „Die Gemeinden haben es ermöglicht, die vielen Flüchtlinge schneller in die Anschlussunterbringung aufzunehmen, um dem Land und dem Landkreis in der Not zu helfen.“
Er habe diesen Vorgang an die zuständige Ministerin schriftlich gemeldet. Seine Bitte, die Vorgehensweise zu überdenken, sei nicht zufriedenstellend beantwortet worden. Die Verantwortlichkeiten werden zwischen den verschiedenen Stellen wie Ministerien und der Landesbank hin- und hergeschoben. Zudem habe die Gemeinde an anderer Stelle ein Recht auf Auszahlung, könne aber leider keinen Zinsbescheid an das Land richten.