Sagen Sie mal Frau Streit, Sie leben in Steißlingen und sind in Stockach Standesbeamtin. Was bedeutet Ihnen Ihr Beruf?
Der Beruf einer Standesbeamtin übe ich mit großer Leidenschaft und mit Leib und Seele aus. Während der Woche gilt es viel Bürokratie zu bewältigen, die Trauungen finden meistens freitags oder samstags statt. Ich empfinde es jedoch nie belastend, am Wochenende zu arbeiten, denn ich traue gerne. Es stellt für mich jedes Mal aufs Neue eine Bereicherung dar, Menschen kennenzulernen, ihre Geschichten zur hören, ein Teil der Trauungszeremonie sein zu dürfen.
Hat sich organisatorisch einiges bei der Eheschließung geändert?
Ja, was früher noch als „Aufgebot“ bekannt war, heißt seit einiger Zeit „Anmeldung der Eheschließung“. Auch braucht es heute keine Trauzeugen mehr, die haben nur noch einen symbolischen Charakter. Zudem gibt es keine Wartefrist zwischen der Anmeldung der Eheschließung und der Trauung.
Wie bereiten Sie sich auf die Eheschließung vor?
In Stockach ist es uns nach wie vor ein großes Anliegen – anders als in etlichen Großstädten – die Brautpaare zeitlich weit vor dem Trauungsakt in einem ausführlichen Gespräch kennenzulernen. Damit ich die Zeremonie individuell auf das Brautpaar ausrichten kann, findet zuvor eine persönliche Befragung der Brautleute statt. Dabei werden an das Brautpaar etliche Fragen, wie beispielsweise zu ihren Lebensläufen, persönlichen Eigenschaften, ihrem Kennenlernen und so weiter gerichtet. Diese Informationen werden dann zum Bestandteil meiner Traurede.
Bekommen Sie eine Rückmeldung der Paare?
Sehr häufig und das freut mich jedes Mal. Die positiven Rückmeldungen sind für mich Zeichen, dass sich die Brautpaare während der Trauung wohlgefühlt haben. Ich möchte es an einem schicksalshaften Beispiel festmachen: Für einen Musiker hatte ich zu seiner Hochzeit ein Zitat herausgesucht, das ich für ihn und seine Braut sehr passend fand. Aufgrund einer schweren Erkrankung verstarb der Bräutigam leider kurze Zeit später. Die Witwe und die Schwester des Verstorbenen nahmen in der Trauerrede mein Zitat auf, was mich tief berührte.
Sie schließen nicht nur Trauungen, sondern bearbeiten unter anderem auch Geburten und Sterbefälle.
Das Aufgabengebiet einer Standesbeamtin ist vielfältig. Emotionale Stabilität ist meines Erachtens eine Grundvoraussetzung, um diesen Beruf ausüben zu können. Es ereignen sich Lebenssachverhalte, die mich persönlich bewegen und es gibt Gedanken zu einzelnen Schicksalen, die bei Dienstschluss nicht an der Bürotür abgelegt werden können, sondern die ich mit nach Hause nehme. So möchte ich es wiederum beispielhaft darlegen: Ein Paar, das schon über einen langen Zeitraum zusammenlebte, fasste den freudigen Entschluss zu heiraten. Schon kurze Zeit später lag die Sterbeurkunde eines der beiden zum Bearbeiten auf meinem Tisch. Das sind Momente, die mich tief berühren und eine gewisse Zeit auch emotional umtreiben.
Wie hat sich das Heiraten im Laufe der Corona-Pandemie verändert?
Durch die Vorgaben aus der Corona-Verordnung und der Beachtung der Hygienebestimmungen musste der Personenkreis der Hochzeitsgäste bei den Trauungen erheblich reduziert werden. Er ist dadurch nach meiner Auffassung intimer geworden. Doch stelle ich zunehmend fest, dass die Reduzierung der Gästezahlen bei der Trauungsfeier den Blick des Brautpaars schärfen. Dadurch nehmen sie das Eheversprechen intensiver wahr und genießen den Moment noch ausgiebiger.
Wie schaut denn das Heiraten auf dem Standesamt mit den aktuellen Corona-Regeln aus?
Eine Hochzeit in Corona-Zeiten stellt definitiv eine große Herausforderung dar. Schließlich ist die Heirat ein unwiederbringlicher Moment und den an die Coronaregeln anzupassen, bedeutet ein erhöhtes Maß an Kreativität und Flexibilität – sowohl seitens der Brautpaare, als auch seitens der Verwaltung. Das fängt schon bei der Gästeliste an. Lange Zeit waren nur bis zu fünf Personen im Trauzimmer zugelassen. Seit der letzten Anpassung, am 7. März 2021, hat sich das ein wenig gelockert. Das Brautpaar darf acht weitere Personen einladen zuzüglich der eigenen Kinder. Die Abstandsregeln müssen dabei peinlich eingehalten werden.

Im Standesamt Stockach haben wir das Glück, dass unsere räumlichen Gegebenheiten vieles möglich machen. So haben wir einen breiten Tisch, der den Abstand zwischen dem Brautpaar und mir gewährleistet, so dass zwischen uns keine Plexiglasscheibe benötigt wird. Ich weiß von Kolleginnen und Kollegen, die beispielsweise an Vorerkrankungen leiden, dass sie noch penibler auf Abstand und die Schutzmaßnahmen achten. Für die Gäste und mich gilt die Maskenpflicht, für das Brautpaar gottlob nicht. Da wäre schon der Brautkuss schwierig. (lacht)
Wird seit dem letzten Jahr, seit es die strikten Regeln gibt, weniger geheiratet?
Im Jahr 2020 verzeichneten wir in Stockach circa 20 Prozent weniger Eheschließungen. Daran jedoch abzuleiten, dass „keiner mehr heiraten möchte“, wäre ein Trugschluss. Es gibt ja unterschiedliche Gründe, sich das Ja-Wort zu geben. So spielt bei einigen der Aspekt der gegenseitigen Absicherung eine Rolle, gerade für die Personengruppen, wo ein Partner erkrankt ist. Der möchte seine Partnerin – seinen Partner nicht nur abgesichert wissen, sondern auch Rechte einräumen.
Oft geht es auch bei Paaren mit Migrationshintergrund um den Aufenthaltsstatus. Und wir haben sogar Paare, die genau jetzt heiraten wollen, eben weil sie das nur zu zweit, oder im kleinsten Kreis machen möchten und sich nicht vor der Verwandtschaft dafür rechtfertigen wollen. Fakt ist, dass als Tag der Eheschließung die standesamtliche Hochzeit gilt. Und wer groß feiern möchte, der holt das mit einer großen, kirchlichen Hochzeit nach, sobald das wieder möglich ist.
Darf man nach dem Ja-Wort einen kleinen Sektempfang geben?
Leider nicht, da das Stadesamt ein öffentlicher Raum ist und die Ansammlung von Menschen untersagt wird. Manche splitten daher die Hochzeitsfeier und feiern mehrere Feste, jeweils mit der zugelassenen Personenzahl. Wenn das Wetter schön ist, gibt es auch die Möglichkeit einen Teil der Trauung nach draußen zu verlegen. Jüngst haben sich Gäste mit viel Abstand vor dem Standesamt aufgestellt und Luftballons steigen lassen. In diesem Rahmen habe ich dem Brautpaar das Stammbuch und die Glückwünsche der Stadt übergeben, sodass sie wenigstens diesen Moment in einem bisschen größeren Rahmen genießen konnten. Insgesamt ist es aber erstaunlich, wie findig die Menschen werden. Letztens zogen die Freunde des Brautpaares in einem großen Autokorso mit geschmückten Fahrzeugen und lauter Musik am Brautpaar vorbei, um so zu gratulieren. Sie sehen, wer heiraten will, der heiratet und lässt sich auch von Corona-Regeln nicht abschrecken.
Zur Person
Sarah Streit, 42 Jahre, verheiratet, sie wohnt in Steißlingen und ist seit 1996 bei der Stadtverwaltung Stockach tätig. Seit dem Jahr 2012 darf sie dort als Standesbeamtin Brautpaare trauen. Aktuelle Informationen zum Thema „Heiraten und Corona“ erhalten Brautpaare auf der Internet-Seite ihres Wohnsitzes unter dem Stichwort Heiratsstandesamt.