Johannes Waldschütz ist nicht nur Leiter des Stadtmuseums, sondern auch des Stadtarchivs. Am bundesweiten Tag der Archive öffnete er erstmals die Türen, um interessierten Besuchern eine Führung durch die Räume zu geben. Und das Publikum merkte: Das Stadtarchiv enthält viel mehr als Bücher und Akten.
Es ist das historische Gedächtnis der Stadt Stockach und Anlaufstelle für Forschungen zur Stockacher Stadtgeschichte. Es ist zuständig für die Sicherung und Überlieferung städtischen Schriftguts, das rechtlich oder historisch einen bleibenden Wert besitzt. So führte der erste Gang zur Aktenrollregalanlage, die sehr viel Archivgut auf kleinem Raum lagern kann. Insgesamt umfasst das Stockacher Stadtarchiv 800 bis 1000 Regalmeter.

Waldschütz erklärte, im Stadtarchiv würden im Gegensatz zu einer Bibliothek nur Unikate aufbewahrt. Archiviert werden Amtsbücher, Material aus den Gemeindeverwaltungen, Ratsprotokolle, Rechnungsunterlagen, aber auch Zeichnungen und Baupläne. Auch Zeitungen findet man hier. Bei jedem Objekt müsse man prüfen, ob es archivwürdig sei oder nicht.
Gelagert würden beispielsweise Unterlagen der Stadtkasse, des Melde- und Standesamtes. Viele dieser Dinge hätten bis heute juristischen Wert. Außerdem werden auch nichtamtliche Archivalien verwahrt wie Nachlässe, Unterlagen von Vereinen oder Fundsachen von privaten Dachböden.

Die Besucher durften alte Urkunden und Bücher betrachten, wie die aus dem Jahr 1596, in der Wilhelm Kress einen Jahrestag gestiftet hatte. Zwar war ihm wohl beim Schreiben das Tintenfass umgekippt, sodass eine Stelle ohne spezielles Licht nicht lesbar ist, doch das Pergament, das er verwendet hatte, sei unglaublich haltbar, so Waldschütz: „Es kann gefaltet aufbewahrt werden und wird auch in 500 Jahren noch erhalten bleiben.“
Er fasste die alten Dokumente ohne Handschuhe an: „Die Wahrscheinlichkeit, etwas zu zerreißen, ist mit Handschuhen deutlich höher. Nur bei Fotos, Negativen und Grafiken verwende ich sie“, sagte er.

Acht Urbare (frühere Grundbücher) aus dem 18. Jahrhundert gibt es im Stadtarchiv, ältere seien vermutlich beim Stadtbrand 1704 verbrannt. Mit etwas Übung könne man die alte Schrift gut lesen, erklärte Waldschütz den Besuchern.
Das Papier aus Lumpen und Leinen halte sich ebenfalls gut. Er zeigte den Besuchern auch Aktenmaterial aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg.
Dabei wies er auf den badischen Aktenknoten hin. Man könne den Knoten lösen, einen provisorischen Knoten etwas höher machen und dann wunderbar durch die Akte blättern. „Die badische Justiz nutzt diesen Aktenknoten bis heute. Mit der Umstellung auf digitale Unterlagen wird er aber aussterben.“

Bilder und Gemälde befänden sich im Regelfall im Museum, so der Archivleiter. Rund 200 000 Fotografien aus dem Archiv der Fotografenfamilie Hotz, 1500 Glasplatten und Nitratfilme aus der Nachkriegs- und Kriegszeit sowie Kameras und das Hotz-Schild lagerten allerdings im Stadtarchiv. Da die Filme leicht entflammbar seien, würden sie nach der Digitalisierung vernichtet.

Johannes Waldschütz hatte auch schadhafte Dokumente ausgelegt. Fotos, die mit der Zeit ausbleichen, müssten bald digitalisiert werden, sonst seien sie nicht zu retten.
Fast ebenso dringend müssten moderne Medien in ein archivgerechtes Format überführt werden, sagte er. Und während Papier aus dem 18. und 19. Jahrhundert eher problemlos aufbewahrt werden könne, müsse man Aktenstapel aus den 1950er-Jahren bald bearbeiten.
Das Holzschliffpapier sei sehr sauer und die Säure zersetze das Papier allmählich. „Man kann es entsäuern lassen, dann hält es sich. Sonst gibt es diese Akten in 150 Jahren nicht mehr“, betonte Waldschütz. Heute werde von der Stadt zertifiziertes, für die Archivierung geeignetes Papier verwendet.
Wie man Schäden beseitigt
Manch ein Archivgut weist Schäden auf. Johannes Waldschütz, Leiter des Stockacher Stadtarchivs, erklärte bei den Rundgängen auch, was es damit auf sich hat und wie man solche Schäden beseitigt. Einige Buchrücken wurden durch Löschsand gesprengt, der in den Buchrücken gesickert war.
Viele Dokumente haben herausgerissene Seiten, Risse oder Spuren umgekippter Tintenfässer. Wasserschäden seien oft schlimmer als Brandschäden, so Waldschütz. Nass gewordene Akten könne man retten, indem sie gefriergetrocknet würden. Wenn Bücher eng nebeneinander stünden, würden bei einem Brand meist nur die Ränder verkohlen, diese könnten mit Japanpapier restauriert werden.
Ein Schädlingsbefall durch Papierfischchen müsse dringend verhindert werden. Die stabile Luftfeuchtigkeit im Stadtarchiv von etwa 40 Prozent sei für Papier optimal, sagte Johannes Waldschütz. Das Material solle im Stadtarchiv nicht weggesperrt, sondern erhalten und allen öffentlich zugängig gemacht werden, die zur Stockacher Geschichte forschen, arbeiten oder recherchieren.