Johannes Waldschütz ist nicht nur Leiter des Stadtmuseums, sondern auch des Stadtarchivs. Am bundesweiten Tag der Archive öffnete er erstmals die Türen, um interessierten Besuchern eine Führung durch die Räume zu geben. Und das Publikum merkte: Das Stadtarchiv enthält viel mehr als Bücher und Akten.

Es ist das historische Gedächtnis der Stadt Stockach und Anlaufstelle für Forschungen zur Stockacher Stadtgeschichte. Es ist zuständig für die Sicherung und Überlieferung städtischen Schriftguts, das rechtlich oder historisch einen bleibenden Wert besitzt. So führte der erste Gang zur Aktenrollregalanlage, die sehr viel Archivgut auf kleinem Raum lagern kann. Insgesamt umfasst das Stockacher Stadtarchiv 800 bis 1000 Regalmeter.

Wilhelm Kress hatte 1596 einen Jahrtag gestiftet und alles dazu in dieser Urkunde niedergeschrieben. Der große Fleck sei durch ...
Wilhelm Kress hatte 1596 einen Jahrtag gestiftet und alles dazu in dieser Urkunde niedergeschrieben. Der große Fleck sei durch ausgelaufene Tinte entstanden, erklärte Johannes Waldschütz, der die Urkunde hochhält. | Bild: Claudia Ladwig

Waldschütz erklärte, im Stadtarchiv würden im Gegensatz zu einer Bibliothek nur Unikate aufbewahrt. Archiviert werden Amtsbücher, Material aus den Gemeindeverwaltungen, Ratsprotokolle, Rechnungsunterlagen, aber auch Zeichnungen und Baupläne. Auch Zeitungen findet man hier. Bei jedem Objekt müsse man prüfen, ob es archivwürdig sei oder nicht.

Gelagert würden beispielsweise Unterlagen der Stadtkasse, des Melde- und Standesamtes. Viele dieser Dinge hätten bis heute juristischen Wert. Außerdem werden auch nichtamtliche Archivalien verwahrt wie Nachlässe, Unterlagen von Vereinen oder Fundsachen von privaten Dachböden.

Der badische Aktenknoten ist eine gute Möglichkeit, Dokumente zu binden. Er werde noch heute in der badischen Justiz verwendet, sagte ...
Der badische Aktenknoten ist eine gute Möglichkeit, Dokumente zu binden. Er werde noch heute in der badischen Justiz verwendet, sagte Johannes Waldschütz. | Bild: Claudia Ladwig

Die Besucher durften alte Urkunden und Bücher betrachten, wie die aus dem Jahr 1596, in der Wilhelm Kress einen Jahrestag gestiftet hatte. Zwar war ihm wohl beim Schreiben das Tintenfass umgekippt, sodass eine Stelle ohne spezielles Licht nicht lesbar ist, doch das Pergament, das er verwendet hatte, sei unglaublich haltbar, so Waldschütz: „Es kann gefaltet aufbewahrt werden und wird auch in 500 Jahren noch erhalten bleiben.“

Er fasste die alten Dokumente ohne Handschuhe an: „Die Wahrscheinlichkeit, etwas zu zerreißen, ist mit Handschuhen deutlich höher. Nur bei Fotos, Negativen und Grafiken verwende ich sie“, sagte er.

Archivleiter Johannes Waldschütz (links) und Wolfgang Kögl, der auch als Rentner noch im Stadtarchiv arbeitet.
Archivleiter Johannes Waldschütz (links) und Wolfgang Kögl, der auch als Rentner noch im Stadtarchiv arbeitet. | Bild: Claudia Ladwig

Acht Urbare (frühere Grundbücher) aus dem 18. Jahrhundert gibt es im Stadtarchiv, ältere seien vermutlich beim Stadtbrand 1704 verbrannt. Mit etwas Übung könne man die alte Schrift gut lesen, erklärte Waldschütz den Besuchern.

Das Papier aus Lumpen und Leinen halte sich ebenfalls gut. Er zeigte den Besuchern auch Aktenmaterial aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg.

Dabei wies er auf den badischen Aktenknoten hin. Man könne den Knoten lösen, einen provisorischen Knoten etwas höher machen und dann wunderbar durch die Akte blättern. „Die badische Justiz nutzt diesen Aktenknoten bis heute. Mit der Umstellung auf digitale Unterlagen wird er aber aussterben.“

Ratsprotokolle aus dem 17. Jahrhundert liefern noch heute interessante Informationen.
Ratsprotokolle aus dem 17. Jahrhundert liefern noch heute interessante Informationen. | Bild: Claudia Ladwig

Bilder und Gemälde befänden sich im Regelfall im Museum, so der Archivleiter. Rund 200 000 Fotografien aus dem Archiv der Fotografenfamilie Hotz, 1500 Glasplatten und Nitratfilme aus der Nachkriegs- und Kriegszeit sowie Kameras und das Hotz-Schild lagerten allerdings im Stadtarchiv. Da die Filme leicht entflammbar seien, würden sie nach der Digitalisierung vernichtet.

Auch der Nachlass der Familie Hotz lagert im Stadtarchiv. Das Bild zeigt eine Übersicht mit Abzügen, Negativen und einer historischen ...
Auch der Nachlass der Familie Hotz lagert im Stadtarchiv. Das Bild zeigt eine Übersicht mit Abzügen, Negativen und einer historischen Kamera. | Bild: Claudia Ladwig

Johannes Waldschütz hatte auch schadhafte Dokumente ausgelegt. Fotos, die mit der Zeit ausbleichen, müssten bald digitalisiert werden, sonst seien sie nicht zu retten.

Fast ebenso dringend müssten moderne Medien in ein archivgerechtes Format überführt werden, sagte er. Und während Papier aus dem 18. und 19. Jahrhundert eher problemlos aufbewahrt werden könne, müsse man Aktenstapel aus den 1950er-Jahren bald bearbeiten.

Das Holzschliffpapier sei sehr sauer und die Säure zersetze das Papier allmählich. „Man kann es entsäuern lassen, dann hält es sich. Sonst gibt es diese Akten in 150 Jahren nicht mehr“, betonte Waldschütz. Heute werde von der Stadt zertifiziertes, für die Archivierung geeignetes Papier verwendet.