Erst sammelte er Kunst-Postkarten, später echte Werke. Der Stockacher Ehrenbürger Heinrich Wagner war schon immer von der Malerei begeistert. "Im Studium bin ich statt in die Pflichtvorlesungen manchmal in Kunstvorlesungen", verrät der 85-Jährige. Er besuchte in Stuttgart immer wieder die Galerie Valentin und kaufte dort öfters Postkarten, die Gemälde von Malern der klassischen Moderne zeigten. Als wagner dann im Berufsleben war, fand er in der Galerie mehrere Lithografien aus der Reihe "Daphnis und Chloe" von Marc Chagall, die er sich schon immer gewünscht habe. "Ich habe sie gesehen und gekauft", erzählt Wagner.

Mit diesen Bildern legte er in den 1960er-Jahren den Grundstein der Sammlung, die bis zum Jahr 2016 auf stattliche 328 Werke von 70 verschiedenen Künstlern anwuchs. Chagall spielt eine zentrale Rolle in der Sammlung, die Wagner nun der Stadt als Dauerleihgabe überlassen hat und von der ab 23. Juni eine Auswahl in der Sonderausstellung "Von Joan Miró bis Otto Dix" zu sehen ist. "Daphnis und Chloe" umfasst 42 Lithografien, die Wagner über die Jahrzehnte vollständig zusammengetragen hat. "Ich habe 50 Jahre gebraucht, um alle zusammen zu haben", erzählt er. Die Reihe ist der wertvollste Teil der Sammlung. Nebenher taten es Wagner aber auch viele andere Künstler an: große Namen wie Salvator Dali, Max Ackermann und Willi Baumeister, Eduard Bagheer oder Joan Miro, aber auch regionale Maler.

Unter diesen ist mit Otto Dix ebenfalls ein sehr bekannter Name, aber zur Wagner-Sammlung gehören auch zahlreiche Bilder des Künstlers August Stroth aus Überlingen, ein Stockach-Bild von Karl Rudigier, ein Gemälde von Gerda Nagel, Seniorchefin des Goldenen Ochsen, ein Hans-Kuony-Bild von Gunther Henning und eine Hirtenfigur aus Bronze von Werner Gürtner, aus dessen Werkstatt der Hans-Kuony-Brunnen in der Oberstadt stammt. "Ich habe wahrscheinlich die größte Privatsammlung von Stroth", vermutet Heinrich Wagner beim Blick in die Aufzeichnungen über die im Lauf der Jahrzehnte gesammelten Werke.

Alles sind Künstler mit verschiedenen Stilen. "Ich habe gekauft, was mir gefallen hat", sagt Wagner. Seine Lieblingswerke schmücken immer noch in der Wohnung – jetzt allerdings als Reproduktionen. Gretchen aus der Faust-Serie von Salvator Dali hängt gemeinsam mit Werken von Baumeister, Miró und Picasso im Wohnzimmer, "Katze und Hahn" von Otto Dix hat zum Beispiel einen Platz im Arbeitszimmer. Die Originale sind nun bei der Stadt und teilweise in der ersten Sonderausstellung zu sehen. Welche Bilder genau in diesen Tagen ihre Plätze an den Wänden im Stadtmuseum finden, weiß der 85-Jährige nicht. Es wird für ihn genauso eine Überraschung wie für alle anderen Besucher. Yvonne Istas, die bald die Leitung des Museums an Johannes Waldschütz abgibt, hat die Auswahl getroffen.

Aus den 328 Werken von 70 Künstlern, die Wagner seit den 1960er-Jahren gesammelt hat, sind in der ersten Sonderausstellung 85 Bilder von 32 Künstlern zu sehen. Die Bilder sind vor allem Druckgrafiken, also Lithografien, Radierungen, Siebdrucke und Holzschnitte. Es gibt aber auch Gemälde in Öl, Acryl oder Mischtechniken, Aquarelle, Pastelle und Gouachen. Letzteres ist "eine mit Wasser verdünnbare, deckende Farbe, mit der man streifenfreie und matte Flächen malen kann", wie das Kulturzentrum in der Ausstellungsankündigung näher erläutert. Die ausgewählten Werke sollen einerseits repräsentativ die Sammlung abbilden und andererseits ihre Glanzlichter zeigen. Es sind Phantasiewelten, geometrische Bilder oder auch kubistisch-abstrakte Landschaften.

Die feierliche Eröffnung der Schau "Von Joan Miró bis Otto Dix – Die Sammlung Heinrich Wagner" findet am Dienstag, 20. Juni, im Bürgerhaus Adler Post mit einer großen Vernissage statt, bei der SÜDKURIER-Chefredakteur Stefan Lutz die Laudatio hält. Heinrich Wagner ist auch bei der Ausstellungseröffnung, "wenn die Gesundheit es erlaubt", sagt er. Das Reden wolle er an diesem Abend aber den anderen überlassen. Parallel zur Vernissage ist im Stadtmuseum im Alten Forstamt bereits die Ausstellung zu sehen, die offiziell am Freitag, 23. Juni, beginnt. Die Sonderschau läuft bis Ende September. „Für die Ausstellung erhoffen wir regen Besuch“, sagt Yvonne Istas. „Die Sammlung ist vielschichtig, ja kontrastreich. Zu vielen Bildern und Künstlern gibt es spannende Geschichten zu erzählen oder im Katalog nachzulesen. Es ist faszinierend, was Heinrich Wagner quasi im Verborgenen zusammengetragen hat.“

Die Eckdaten zur Ausstellung

  • Inhalt: In der Ausstellung mit Werken aus der Sammlung von Heinrich Wagner sind 85 von 328 Bildern zu sehen. Diese 85 Werke von 32 Künstlern hat die scheidende Stadtmuseumsleiterin Yvonne Istas ausgewählt. Sie sollen einen repräsentativen Querschnitt aus der Sammlung zeigen. Unter ihnen sind auch wertvolle Einzelstücke von Marc Chagall, Willi Baumeister, Eduard Bargheer, Max Ackermann, Carl Walter Liner und Werke regionaler Künstler.
  • Öffnungszeiten: Die Ausstellung in den beiden obersten Stockwerken im Alten Forstamt ist von Freitag, 23. Juni, bis Samstag, 30. September, immer von Montag bis Freitag zwischen 9 und 12 Uhr sowie Dienstag bis Freitag von 14 bis 18 Uhr und samstags von 10 bis 13 Uhr geöffnet. Eintritt: fünf Euro. Katalog: zehn Euro. Führungen gibt es donnerstags um 18 Uhr. Eintritt und Teilnahme: sechs Euro. In den Sommerferien sind Museumsrallyes.
  • Infos gibt es im Internet unter www.stockach.de/stadtmuseum