Der Begriff Biodiversität wird oft im selben Atemzug mit den Begriffen Klimawandel, Klimakatastrophe und Artensterben genannt. Doch was bedeutet er eigentlich? Der Begriffsklärung und der Vermittlung und Kommunikation dieses Themas nahm sich kürzlich der Verein Lernort Bauernhof im Amt für Landwirtschaft in Stockach in einem dreiteiligen Live-Online-Seminar an.
Hier vermittelten die Dozentinnen Sigrid Alexander, Diplomingenieurin für Ökologischen Landbau und Interne Qualitätsauditorin, und Kerstin Bullack, Pädagogin und Freie Mitarbeiterin bei Lernort Bauernhof, nicht nur die Inhalte, sondern leiteten die Teilnehmerinnen, Landwirtinnen aus der Region, zur kreativen Ideensammlung und zur zukunftsorientierten Ideenentwicklung für die eigenen Höfe an. Ziel: Höfe mit Publikumsverkehr sollenin der Lage sein, ihren Gästen das Thema Biodiversität auf spannende Art und Weise näherzubringen, zum Beispiel bei Besucherführungen.

Doch was genau ist nun Biodiversität? Einfach übersetzt bedeutet der Begriff Artenvielfalt, beinhaltet jedoch auch die Vielfalt der Genetik und die Vielfalt der Lebensräume, erklärte Sigrid Alexander. Um Biodiversität zu verstehen, müsse man seine Sinne einschalten. Man könne Artenvielfalt nicht nur sehen, sondern auch hören, riechen, schmecken oder fühlen.
„Es muss klar sein, dass auch der Mensch ein Teil des Artensterbens ist“
Als ganz einfachen Test vergleiche man einen x-beliebigen, konventionellen Kräutertee aus dem Supermarkt mit einem hochwertigen Bio-Tee: Schon hier schmecke man einen deutlichen Unterschied. Gehe man durch eine Streuobstwiese und sammele drei Äpfel von drei unterschiedlichen Bäumen, so böten sich einem beim Obst mannigfaltige Unterschiede in Geruch, Farbe, Form, Struktur, Haptik, Festigkeit und Geschmack.
Dozentin Kerstin Bullack sprach Klartext: „Wenn wir vom Artensterben sprechen, dann muss klar sein, dass auch der Mensch ein Teil dieses Artensterbens ist. Der Mensch ist nur eine Art unter mindestens acht Millionen Arten auf dieser Erde.“ Alle Arten seien miteinander verbunden und jede Art habe ihre Funktion in den Ökosystemen.

Der Mensch ziehe ganz selbstverständlich aus den Ökosystemen einen Nutzen, beute sie aus. Doch seien, so Bullack, diese Ökosysteme unsere Lebensgrundlage, die wir Menschen kontinuierlich zerstörten – und somit uns selbst. Gerne zitiert Kerstin Bullack die Landwirtschaftsexpertin Tanja Busse, die sagt: „Wir brauchen die biologische Vielfalt. Sie ist unsere Lebensversicherung.“
Kerstin Bullack führte weiter aus, dass die Landwirtschaft zur Zielscheibe der Anschuldigungen gemacht werde. Doch zu schwindender Biodiversität trügen außerdem bei: Firmen, Gemeinden, der Straßenverkehr, der Flugverkehr, die Deutsche Bahn, der Mobilfunk und Privatpersonen.

Die Landwirtschaft sei, so Bullack, nicht nur ein Teil des Problems, sondern auch ein Teil der Lösungen. Denn sie habe unendlich viele Möglichkeiten, um Artenvielfalt zu fördern und zu schützen, sei es mit dem Anlegen von Hecken, Gräben, Teichen, Regenwurmkisten, Insektenhotels, Streuobstwiesen, Blühstreifen und mehr. Auch Privatpersonen könnten helfen. Doch Biodiversität brauche Landwirtschaft – nicht zuletzt, um Wissen zu verbreiten.
Zur Veranschaulichung dessen, dass das Problem des Artensterbens jeden Einzelnen angehe, solle man sich sein Lieblingsprodukt beim Frühstück vorstellen. Dann solle man sich fragen: „Würde es dieses Produkt noch geben, wenn Bienen fehlen?“ Das Ergebnis sei recht ernüchternd, denn in den meisten Fällen wäre das Lieblingsprodukt nicht mehr da.
Das wecke die emotionale Betroffenheit, mache klar, was es mit jedem Einzelnen zu tun habe. Kerstin Bullack erklärte, dass 80 Prozent der Pflanzen von der Insektenleistung abhängig seien. Und ohne Pflanzen gehe in der Ernährung nun mal fast nichts.
Schleichende Gewöhnung ist eine Gefahr
Die Menschen müssten dafür sensibilisiert werden, was gegen das Artensterben getan werden könne und dass etwas getan werden müsse. Bei jungen Kindern, so erklärte Kerstin Bullack, müsse man die Entdeckerfreude wecken und ihnen erklären, wie die Natur eigentlich sein sollte: „Die Kinder finden eine ganz andere Grundlage vor, als wir sie noch kennen. Sie kennen den Zustand der Welt aber nicht anders.“
So gebe es Generation für Generation eine immer neue Basis, eine schleichende Gewöhnung finde statt. Dieser gelte es unbedingt entgegenzuwirken mit Lernen, oder besser noch: mit Ausflügen in die Natur. Denn die Natur könne man weder online noch aus Büchern lernen.
Zusammenhänge
Laut Umweltbundesamt sind für die Biodiversität auch Umweltschutzaspekte von Bedeutung: Stoffkreisläufe, klares Wasser und saubere Luft, die Produktion von Nahrungsmitteln, die Anpassungsfähigkeit an veränderte Umweltbedingungen und die menschliche Erholung in der Natur. Fürs Überleben muss die Spezies Mensch die biologische Vielfalt nutzen und sie gleichzeitig schützen. Weitere Infos zu dem Thema gibt es unter www.umweltbundesamt.de