Die fünf Damen in den auffällig weinroten Schürzen haben sich mit je einem Probierlöffel bewaffnet, um ihre fünf verschiedenen Soßen, die in großen Stahltöpfen seit geraumer Zeit vor sich hin köcheln, abzuschmecken. Zuerst ist die Gorgonzola-Spinat-Soße an der Reihe.
Die sei an sich schon sehr lecker, wie die Köchinnen befinden, doch fehle es noch etwas an Säure, wie sich Beate Ritzi und Traudl Ritter schnell einig sind, und schon schneidet Marta Kümmerle die Zitronen, deren Saft dann frisch gepresst hinzukommt. Ja, so passe es, nun nicken auch Ulrike Lauber und Hannelore Hör-Hanselmann.

Weiter geht's zum Topf mit der Bolognese. Die sei noch etwas zu flüssig, also geben sie weiter Hitze drauf, um das Hackfleisch-Tomaten-Gemisch zu reduzieren und geben für die Sämigkeit und die Geschmacksbindung noch ordentlich Olivenöl hinzu.
Von der Strickrunde bis zur Kleinkindgruppe
Jeden Mittwoch treffen sich beim Bürgerverein Jung und Alt, wie zum Beispiel die jung gebliebenen, reiferen Damen, die sich selbstironisch als „die Lindenblüten“ bezeichnen. Es gibt auch eine Strickrunde und über der Wirtsstube, einen Stock höher, befindet sich das Refugium der Kleinkindgruppe, der „Lindenkäferle“, wo die Eltern sich austauschen und die Kleinen miteinander spielen können.
Der Gasthof selbst wird mittwochs betrieben und bietet Vesper und ein warmes Gericht an, wobei auch viele Schweizer Nachbarn nach Büßlingen kommen. Diesmal gibt es eine Besonderheit: ein Nudelbuffet.
100 Vorbestellungen fürs Buffet
Während sich die Köchinnen der Champignon-Maroni-Curry-Soße zuwenden, produzieren die Herren fleißig Nudeln. Ulrich Ritzi, Nudelenthusiast und gleichzeitig Vorstand die Bürgervereins Linde, befüllt seine vollautomatische Nudelmaschine gerade mit Hartweizengries und Weizendunst. Er gibt Eier hinzu und eine Prise Kurkuma für die schöne gelbe Farbe.
Während Ulrich Ritzi mit einer profanen Haushaltsschere alle dreißig Zentimeter die frischen Spaghetti kappt, erzählt er, dass er zusammen mit Raimund Ritter schon dreizehn Kilo Nudeln produziert habe. Übrigens kämen alle Zutaten aus der Region, die Eier vom Haslacherhof in Tengen und Gries und Weizendunst von der Steigmühle in Anselfingen.
Es soll keine Konkurrenz für das Gasthaus sein
Tags zuvor hätten sie schon losgelegt, denn schließlich seien einhundert Vorbestellungen eingegangen und in knapp anderthalb Stunden würden die ersten Gäste erwartet. Nein, dem Gasthaus Kranz im Ort wollten sie natürlich keine Konkurrenz machen, und heute, am Mittwoch, sei dort sowieso Ruhetag, wie Ritzi ergänzt. Der Bürgerverein Linde habe nur mittwochs geöffnet und sei ein beliebter Treff für Jung und Alt, eine Begegnungsstätte.
Sie böten Vesper und ein warmes Gericht, doch das große Nudelbuffet, wie heute, gebe es nur einmal im Jahr. Gewinne mache man keine, die Einnahmen nutze der Bürgerverein zur Darlehenstilgung, für Strom, Wasser, Müllgebühren, Versicherungen, GEMA, wie der Vorstand erläutert.
Inzwischen wird im Gastraum schon ordentlich geschlemmt, den Gästen schmeckt’s, es wird geschwatzt, gelacht und Badener Wein getrunken. Als Traudl Ritter und ihr Mann Raimund Nudeln und Soßen am Buffet nachfüllen, bläst sie plötzlich ihre Wangen auf und seufzt: „Und wer soll des nochher wieder suber mache?“
200 Mitglieder
Der im Jahr 2010 gegründete und inzwischen zweihundert Mitglieder starke Bürgerverein Linde in Büßlingen gilt als Vorzeigeprojekt für das Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum (ELR). die Baden-württembergische Landesregierung will mit diesem lebendige Ortskerne schaffen helfen und der Urbanisierung, also der Landflucht, entgegenwirken. Aus diesem Fördertopf des Landes wurden die Umbaumaßnahmen des Sitzes des Bürgervereins, das ehemalige Gasthaus Linde, mit 163 000 Euro gefördert.