Fröhlich krabbelt Jace Stange durch sein Kinderzimmer im Örtchen Beuren am Ried. Er strahlt alle an, vor allem seine Eltern. Man lächelt automatisch zurück, wenn man ihn sieht. Das Problem jedoch ist, dass der Dreieinhalbjährige eigentlich kein Krabbelkind mehr ist. Andere Kinder in seinem Alter stehen, rennen, hüpfen – und sprechen. All das kann Jace nicht. „Jace ist unser besonderes Kind. Er ist ein Angelman“, erläutert Mutter Isabella Stange. Und Lächeln ist eines der Merkmale, das auf dieses Syndrom hinweist.
Wenn man mit dem Begriff „Angelman“ nichts anfangen kann, sei dies nichts Ungewöhnliches. Angel wird dabei wie das englische Wort für Engel ausgesprochen, der Defekt ist nach dem englischen Kinderarzt benannt, der ihn 1965 beschrieb. Einmal sei Stange mit ihrem Sohn zu einem Kinderarzt gegangen. Dieser habe eingeräumt, dass er eben zehn Minuten im Internet nachgelesen habe, was ein Angelman sei. Dies sei alles, was er darüber wisse. Aber er habe versprochen, dazuzulernen – und der Arzt habe sein Versprechen gehalten.
Jace ist ein Wunschkind, betonen Vater Christian (57) und Mutter Isabella (46). Der Gendefekt, der dazu gehört, war nicht erwünscht. Sie leben zur Miete in einem Haus im Tengener Teilort Beuren. Dort wohnen ebenfalls die älteren Kinder Joel (12) und Joleen (10) sowie die 72-jährige Mutter von Isabella. Als sich der Nachzügler ankündigte, ließ die Mutter das werdende Kind vor der Geburt untersuchen. Die Tests zeigten keine Auffälligkeiten. Nach der Geburt sagten die Ärzte, irgendetwas stimme hier nicht. Mit sechs Monaten sei er damals einer der Jüngsten gewesen, bei dem der seltene Gendefekt festgestellt wurde.

Wie anstrengend das Leben für die Familie werden würde, zeigte sich schnell: Das Schlucken klappte nicht. Stillen ist für die meisten Angelmänner nicht möglich. „Ich habe dann einen Monat lang wohl alle Trinkfläschchen durchprobiert, die es auf dem Markt gibt“, erläutert die Mutter.
Dreijähriger kann Gefahren nicht einschätzen
Der Kleine schlafe nur etwa zwei Stunden pro Tag, die restlichen 22 Stunden sei er wach. Für die Nacht hat er ein Kaiserbett – ein Bett, das fast bis zur Decke geht und höhenverstellbar ist. Die Leihgabe der Krankenkasse ist mit Polstern etwa 12.000 Euro wert. Nachts schläft er unter einer speziellen Decke, damit er nicht heraus kann und sich nicht verletzt. „Babyknast“, nennt Mutter Isabella das Bett.
Es sei nicht auszuschließen, dass er in einigen Jahren ein anderes Bett brauche, das bis unter die Decke geht. „Jace kann die Gefahren nicht einschätzen und ihm ist nicht klar, dass man herunterfallen kann“, erklärt die Mutter.

Zum Alltag gehören leider auch epileptische Anfälle, Krankenwagen-Einsätze und dass er Medikamente nehmen muss. „Aber wenn er einen nach einer unruhigen Nacht anstrahlt und die Arme ausstreckt, dann ist der Akku gleich wieder voll“, sagt Isabella Stange.
Jace hat viele weitere Diagnosen, unter anderem Skoliose, Störung der Fein- und Grobmotorik, Gang-, Stand- und Extremitäten-Ataxie, muskuläre Hypotonie, Haltungsschwäche sowie sekundäre Mikrokephalie. Jace werde nie ein eigenständiges Leben führen können, erläutert seine Mutter Isabella Stange.
Großer Aufwand für die Ferienbetreuung
Betreut werde der Junge im heilpädagogischen Schulkindergarten im Haus am Mühlebach in Mühlhausen-Ehingen. Aber während der Ferien kümmere sich die Familie ununterbrochen um ihn. Vater Christian ist Fernfahrer und von Montag bis Freitag in ganz Deutschland unterwegs. Die Mutter ist gelernte Rolladen- und Jalousiebauerin sowie Bürokauffrau. „Da ich 15 Wochen Schulferien abdecken muss, kann ich nicht arbeiten gehen“, erläutert sie. Im Angelman-Verein, einem Verein von Eltern für Eltern, fühlt sich die Familie verstanden und gut aufgehoben. Auch wenn man nie zu dieser Gruppe gehören wollte, so Isabella Stange.
Während eines epileptischen Anfalls etwa habe eine andere Angelman-Mama aus dem Verein die Mutter aus dem Tengener Ortsteil per Videoanruf beruhigt. Der Zusammenhalt im 326-Seelendorf Tengen-Beuren sei ebenfalls groß.
Vor wenigen Wochen hat Isabella Stange einen Spendenaufruf auf der Online-Plattform Gofundme eingerichtet. Denn der Kleinbus der Familie sei in die Jahre gekommen. Der Aufruf hängt auch in verschiedenen Fenstern in Tengen-Beuren. Ortsvorsteherin Véronique Maus etwa sagt: „Ein Auto ist bekanntermaßen teuer und Familie Stange braucht ein großes Auto, damit der Rollstuhl und der behindertengerechte Autositz Platz haben.“
18.000 Euro braucht es laut Spendenaufruf, knapp 9500 Euro sind Stand 5. Februar bereits eingegangen. 198 Menschen haben bereits zwischen 10 und 500 Euro gespendet. Natürlich könne jeder und jede selbst entscheiden, für wen oder was man sein Geld spendet oder auch nicht, betont Maus. Der Ortschaftsrat Beuren habe den Spendenerlös der Adventsaktion im Dorf an Familie Stange weitergegeben.