Die Spannung ist groß, das mediale Interesse gewaltig: Verhandelt wird vor dem Amtsgericht Sigmaringen unter Richterin Ruth Rosauer wegen fahrlässiger Brandstiftung gegen einen 48-jährigen Pyrotechniker. Dieser soll im Juli 2022 für einen Großbrand verantwortlich sein, als er mit einem Feuerwerk die Hochzeit des Unternehmergründers und Reifengroßhändlers (Reifen-Göggel) in Gammertingen begleitete.
Das entzündete Feuerwerk über Batteriefeuerwerke, Kugelbomben und anderes soll das Feuer ausgelöst haben, bei dem eine Lagerhalle komplett niederbrannte. Als übergreifender Brandherd dürften mehrere auf einer Freifläche gelagerten, in Folien eingeschweißten Stapel von Rädern die Ursache gewesen sein.
Vier der rund 300 Hochzeitsgäste hatten leichte Rauchvergiftungen erlitten, elf weitere zogen sich leichte Blessuren zu. Der Sachschaden wird auf 25 Millionen Euro taxiert. Digital aufgenommene Bilder vom Großbrand wurden im Gerichtssaal vor zahlreichen Zuhörern auf dem Monitor gezeigt und detailliert analysiert.
Beschuldigter sieht sich in Existenz bedroht
Gegen einen ihm zugestellten Strafbefehl hat der Mann rechtszeitig Einspruch erhoben und schon in der ersten Verhandlungsrunde bekannt, dass seit dem Vorfall sein ganzes Leben „eingefroren“ sei. Er fühle sich in seiner Existenz bedroht.
Sollte er als Brandstifter verurteilt werden, gäbe es zivilrechtliche Ansprüche gegen ihn, stünde er vor einer Privatinsolvenz. Hauptberuflich sei er als gut dotierter Informatiker beschäftigt. Die Pyrotechnik für besondere Events betreibe er lediglich als „Nebengewerbe, mit minimalen Erträgen“.
Verbranntes Material wurde zusammengeschoben
Juristisch zur Seite steht dem Angeklagten die gewiefte Strafverteidigerin Regina Rick aus München. Bekannt für ihr scharfsinniges Insistieren, bringt sie einen Polizeibeamten in Sigmaringen fast in Verlegenheit, der als Spurensicherer betraut war. Dabei habe er die Örtlichkeit dokumentiert, zwei Brände im Hof festgestellt und Hülsen des Feuerwerks im Hof gefunden sowie Beschädigungen an Folien registriert.
Ihm sei neben der großen Zerstörung aufgefallen, dass die Brandstätte durch einen Bagger bereits „verändert“ worden war, der verbranntes Material zusammengeschoben hatte. Von der Verteidigerin befragt, ob er in seiner Funktion als Spurensicherer nicht nachgefragt hätte, wer denn diese Aufräumarbeiten auf dem Firmengelände angeordnet hätte, räumte er ein, dies nicht getan zu haben. Ein ihm assistierender Spurensucher schloss einen technischen Defekt als Brandauslöser aus, das Feuer sei durch einen Menschen entstanden.
Landratsamt stellte sprengstoffrechtliche Erlaubnis aus
Die Verteidigerin sah auch die Rolle der Feuerwehr, die mit sechs Leuten im Einsatz war und die bei ihrem Eintreffen von einem geparkten Lastwagen blockiert wurde, nicht zur Genüge berücksichtigt. Dass diese mit einem Wasserschaumgemisch bei der Löschung gearbeitet habe, nannte sie befremdlich.
Hierzu widersprach Staatsanwältin Denise Merkle: In punkto Feuerwehr stelle sich nicht die Frage eines Mitverschuldens, zur Aufklärung des Sachverhalts sei dies nicht erforderlich. Worauf ihr die Verteidigerin entgegnete, dass es dennoch hier zu beleuchten wäre. Eine Verwaltungsbeamtin des Landratsamts Esslingen sagte aus, die die sprengstoffrechtliche Erlaubnis ausgestellt hatte. Der Pyrotechniker sei bezüglich seiner Zuverlässigkeit und Eignung geprüft worden.
Dickere Folie brennt
Seine Aussage macht ein aus Nordrhein-Westfalen angereister Sachverständigen-Zeuge, der von der Versicherung beauftragt ist, mit der Kripo und der Unternehmensführung vor Ort die Lage inspizierte. Da vor Ort nicht mehr viel nachzuvollziehen gewesen sei, richtete er einen Fokus auf eine Vielzahl von Reifen, die entweder in festeren oder klassischen Stretchfolien eingeschlagen und in Metallboxen eingelagert waren.
Hierbei galt es festzustellen, ob Folien durch die Pyrotechnik entzündet werden können. Vorgenommene Tests in der Nachstellung, allerdings ohne Reifen, ließen sich nur auf dem Gelände seiner Firma bewerkstelligen und hätte ergaben, das die dickere Folie abtropft und dann weiter brennen würde. Hinweise auf eine bewusste Entzündung seien „objektiv nicht auszuschließen“.
Verhandlung wird fortgesetzt
Die Verhandlung wird am 2. und am 9. Dezember, jeweils um 10 Uhr fortgesetzt. Bei der Prozessfortsetzung sollen Sohn und Ehefrau des im Januar dieses Jahres verstorbenen Unternehmers als Zeugen geladen werden und der Gutachter des Großbrands zu Wort kommen. Erst danach wollen Staatsanwaltschaft und Verteidigung über weitere Beweisanträge befinden.