Die Narrakademie der Katzenzunft Meßkirch, die in den vergangenen Jahren Abende zum Fasnachtsbrauchtum gestaltete, tagte in dieser Saison zum ersten Mal. Im Schlosskeller griff sie die lange Brauchtumstradition des Schnurrens auf. Zwei Fasnachterinnen aus Munderkingen, Birgit Schumann und Marianne Neher, führten vor, wie kreativ diese Tradition bei ihnen gelebt wird. Der Meßkircher Kulturwissenschaftler Armin Heim, der einen Blick auf die Geschichte des Schnurrens warf, plädierte unter anderem für eine Wiederbelebung des Fasnachtssonntags.

Als „Pfarrhausere“, Haushälterinnen im Pfarrhaus, mischten sich Birgit Schumann und Marianne Neher unter das Meßkircher Narrenvolk im Schlosskeller. In ihre Gebetbücher hatten sie Rezepte geschoben und allerhand Nützliches für den Plausch mit der Banknachbarin in der Kirche – ein idealer Gesprächsstoff, um die Besucher der Narrakademie in ihr Gespräch einzubeziehen. „Munderkingen ist die Hauptstadt des ‚Maschgra gau‘“, berichtete Armin Heim zur Heimat des Frauen-Duos, das schon viele Jahre an der Fasnacht unterwegs ist, um den Leuten etwas Pikantes einzuflüstern oder auch offen mit ihren Sprüchen für gute Laune zu sorgen. Wer dabei mitmacht, bekommt ein „Gromet“, eine kleine gebastelte Erinnerung passend zum Thema, die sich an die Kleidung hängen lässt.

„Früher haben das nur Frauen gemacht“, beschrieb Birgit Schumann die Tradition des „Maschgra gau“. Sie seien als „alte Weible“ gegangen und hätten die Stimme verstellt, damit keiner sie erkenne. „Das ist unglaublich anstrengend, den ganzen Abend mit verstellter Stimme zu sprechen“, weiß Marianne Neher. Und schon beim Erzählen merkt man den beiden an, dass sie diesen Brauch leidenschaftlich gerne leben – und dies mitsamt den Vorbereitungen eigentlich das gesamte Jahr über. Die beiden sprühen vor Ideen und haben Freude daran, davon zu erzählen.

Früher wollten die Frauen unter Umständen wissen, was die Männer an der Fasnacht so treiben und hätten sich aus diesem Grund anonym unters Narrenvolk gemischt. Dabei habe es schon interessante Überraschungen gegeben, wenn beispielsweise die Frau, mit welcher der Mann den Abend über getanzt und geflirtet habe, sich als die eigene Ehefrau entpuppte.

Später sei die Anonymität ein Stück weit aufgegeben worden. Da reichte eine Halbmaske, ein dicker Bart, Schminke oder eine Perücke, um den Leuten zu erzählen, was sie „botzget hond“. Armin Heim ergänzte, dass es auch heute noch Narrenzünfte gebe, besonders am Oberrhein, denen die Anonymität äußerst wichtig ist. Diese behalten bei einem Narrentreffen stets die Maske auf und verzichten lieber auf das Trinken und Essen, um ihr Gesicht nicht zu zeigen.

Seit vielen Jahren gebe es ein Gejammere über den Niedergang der Fasnacht, meinte Armin Heim. „Das wird uns auch noch die nächsten hundert Jahre begleiten“, ist er sich sicher. Die Zünfte müssten sich Gedanken darüber machen, wie das Kernbrauchtum zu stützen sei. Man müsse Altes bewahren und sich aber gleichzeitig dem Neuen öffnen. Anhand des Schnurrens könne die Tendenz deutlich gemacht werden. „Früher hat es drei Schnurrabende gegeben“, erzählte er. Heute ist es nur noch einer am Rosenmontag. Am Fasnachtssonntag seien keine Schnurrer mehr unterwegs. Obwohl der Termin offiziell im Narrenkalender eingetragen sei, gebe es an diesem Sonntagabend nie Schnurrer, die unterwegs sind, und die Lokale seien leer. „Wir möchten den Fasnetssonntag neu beleben“, erklärte Armin Heim. In ausgewählten Lokalen soll dieses Jahr Live-Musik spielen und die Leute sollen sich amüsieren. „Kommt einfach und lasst den Sonntag nicht sterben“, appellierte er an alle.

Das Schnurren hat eine lange Tradition in der schwäbisch-alemannischen Fasnacht

Das Schnurren in den Lokalen hat in Meßkirch eine lange Tradition, änderte sich jedoch stark im Laufe der Zeit. Damals liefen verkleidete Narren von Lokal zu Lokal, setzten sich zu einzelnen Personen an den Tisch und hielten ihnen den „Wahrheitsspiegel“ vor. Wichtig dabei war, dass die Schnurrer vollkommen anonym blieben und auch ihre Stimme verstellten. Keiner wusste, wer unter der Maske steckt. Dies gewährte ihnen die sprichwörtlich gewordene Narrenfreiheit.

Das Schnurren gebe es überall in „Schwäbisch-Alemannien“, es habe jedoch teilweise eine andere Bezeichnung wie „Strählen“ oder „Maschgra gau“, berichtete Armin Heim. Dabei habe sich in Meßkirch die Frage gestellt, ob die Katzenzunft oder das Schnurren zuerst da war. Zurückgeblickt in die Geschichte der Zunft, ist die Antwort deutlich. „Die Katze geht zurück auf die Schnurrergruppen“, erläutert der Kulturwissenschaftler und Liebhaber des Fasnachtsbrauchtums.

Möglicherweise hat das Schnurren sogar das stärkste Lokalkolorit innerhalb des Brauchtums, da die Schnurrer sowohl die Politik im Städtchen als auch Persönliches einflüstern. Was dabei in das Ohr des Adressaten gelangt, wird dieser nicht immer an die Öffentlichkeit getragen haben. Denn Pikantes dürfte immer dabei gewesen sein. Was die Anonymität der Schnurrer von der anonymen Welt des Internets trenne, sei der Respekt vor den Anderen, die gepflegte und kultivierte Rede. „Wenn ich mir die Reden im Bundestag anhöre, brauche ich mich nicht zu fragen, wo die geschliffenere Rhetorik zu hören ist, in der Narrenrede oder im Bundestag“, so Heim. (imi)