Auf große Resonanz stieß der Vortrag „Welt im Wandel – Kirche(n) im Stillstand?“ des alt-katholischen Pfarrers Andreas Sturm. Er sprach auf Einladung des Bildungswerks Meßkirch im Seminarraum des Schlosses. Seine Betrachtung der Situation der Kirchen, die er mit seriösen Umfragen und Statistiken unterlegte, war ernüchternd. Ohne einen umfassenden Wandel und eine gemeinsame Entwicklung sah er keine langfristige Zukunft für die einzelnen christlichen Kirchen.
Große mediale Aufmerksamkeit
Als Sigrid Weißhaupt, Leiterin des Meßkircher Bildungswerks, Pfarrer Andreas Sturm im Seminarraum des Schlosses begrüßte, waren alle Plätze belegt. „Sie sind sozusagen der Experte für den Wandel“, sprach sie Sturms Konvertierung von der römisch-katholischen zur alt-katholischen Kirche an, von der prominenten Stellung als Generalvikar im Bistum Speyer zum Amt als Pfarrer der kleinen Gemeinden Singen sowie Sauldorf-Meßkirch. Dieser Wechsel, dem Andreas Sturm das Buch „Ich muss raus aus dieser Kirche“ folgen ließ, hatte große mediale Aufmerksamkeit erregt.
Thema brennt unter den Nägeln
Als das Thema für das Bildungswerk vor einem Dreivierteljahr vereinbart worden sei, so Sigrid Weißhaupt, habe man noch nicht ahnen können, wie sehr der Wandel zu einem aktuellen und brennenden Thema werden sollte. „Wir waren uns damals nicht bewusst, dass es so dramatisch wird“, erklärte sie.

Der Wandel durch die geopolitischen Spannungen, durch Nationalismus und Populismus, militärische Konflikte und Kriegsangst sowie durch die Verschiebung globaler Allianzen habe die Welt in Unruhe versetzt. Hier gelte es global Verantwortung zu übernehmen, da die Auswirkungen alle Länder betreffen, führte Andreas Sturm zu Beginn seines Vortrags aus.
Wahrheit zählt nicht mehr
Wir hätten erlebt, dass Integration nicht von alleine funktioniere und der Wunsch, dass es unseren Kindern mal besser gehen solle, zunehmend unrealistischer werde. Eines der größten Probleme sah er darin, dass die Wahrheit nicht mehr zähle, sondern die Inszenierungen der Politiker und in den sozialen Medien. Die Spaltung der Gesellschaft sei nicht nur in den USA Realität, sondern auch in Deutschland.
„Die Austrittswelle in den Jahren 2023 und 2024 war hochdramatisch.“Andreas Sturm, Pfarrer
„Die Austrittswelle in den Jahren 2023 und 2024 war hochdramatisch“, blickte der ehemalige Speyrer Generalvikar zurück. Es seien nicht nur Desinteressierte ausgetreten, sondern auch Christen, die engagiert waren. Viele hätten sich nach seinem Austritt bei ihm gemeldet. Lediglich ein Prozent der Ausgetretenen seien in einer anderen Kirche gelandet. Sturm führte es darauf zurück, dass viele das Grundvertrauen in die christlichen Kirchen verloren hätten und nicht mehr an ihre Wandlungsfähigkeit glaubten.
Missbrauch in zahlreichen Bereichen
Missbrauch sei leider ein Phänomen, das in zahlreichen Bereichen auftauche. „Wir müssen uns überlegen, wie wir als Institution damit umgehen können“, meinte er dazu. Da Kirche als die „makellose, unfehlbare Braut“ betrachtet werde, hätten Verantwortliche lieber den „Mantel des Schweigens“ über alles geworfen und Täter geschützt und versetzt. Der Vertrauensverlust, der dadurch eintrat, sei fundamental. „Es ist schwer, einen Weg zu finden, dieses Vertrauen zurückzugewinnen“, befürchtet Andreas Sturm.
Immer weniger Seelsorger
Ein großes Problem sieht der alt-katholische Pfarrer darin, dass durch die Reformen immer weniger Seelsorger für immer mehr Menschen zuständig sind. Dadurch leide der direkte Draht zu den einzelnen Gemeindemitgliedern. Doch gerade dies mache den Wert einer christlichen Gemeinschaft aus, erläuterte er und erzählte, dass auch ihn dies in seiner Jugend geprägt habe. Gerade für junge Menschen sei wertvoll, jemanden zu haben, der zuhört, dem man alles erzählen kann und Verständnis zeigt.
Für ein Miteinander der christlichen Gemeinden
Andreas Sturm verwies auf die kirchlichen Institutionen wie Caritas und Diakonisches Werk sowie auf das große Engagement von Ehrenamtlichen. Doch wie geht es weiter? Noch eine Weile werde es gut gehen, aber irgendwann nicht mehr, dann müssten die christlichen Kirchen näher zusammenrücken. „Die konfessionellen Abgrenzungen leuchten immer weniger ein“, spricht er sich für ein Miteinander der christlichen Gemeinden aus. Nur so schaffen es die Gemeinden, Menschen auf ihrem individuellen Weg zu begleiten und Zeit für Fragen zu haben. Um die Wahrheit nicht der Beliebigkeit zu opfern, braucht es alle.