Der erste Tuchmarkt im Freilichtmuseum Neuhausen ob Eck hat am vergangenen Wochenende großen Anklang gefunden. Speziell bei jenen Gästen, die ein Faible für textile Materialien aller Art, aber auch für alte Handwerkstechniken haben, die in der Vergangenheit unabdingbar waren. So drehte sich bei diesem Markt, der zum Teil in den Räumen der alten Museumshäuser stattfand, alles um Tuche, Stoffe, Fäden, Bänder und Fasern, die so manches Handarbeitsherz höher schlagen ließ. So konnten Besucher neben historischem Handwerk –beeindruckend die sehr lebendige Wagnerwerkstatt des Schreiner- und Wagnermeisters Adolf Riester aus Leibertingen – Selbstgeschneidertes erwerben, wobei jedes einzelne Teil ein Unikat und somit ein echtes Designerstück war.

Vorführungen im „Haus Mennwangen“
Einige der Teilnehmerinnen wie eine der Weberinnen, hatten ihre „Werkstatt“ in dem erst kürzlich aufgebauten und eröffneten „Haus Mennwangen“ eingerichtet. Das Kleinbauernhaus, dessen Bau etwa auf das Jahr 1720 datiert wird, bot mit seinen niedrigen Stubendecken, den derben Holzplankenboden und dem mit großen Rundkieseln gepflasterten Flur das passende Ambiente für den Webstuhl der Weberin, die damit die Tradition des Hauses weiterführte. Denn die einstigen Besitzer des „Hauses Mennwangen“ haben mit dem kargen Ertrag ihres kleinen bäuerlichen Anwesens ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können. Deshalb betrieben sie im Nebenerwerb die Verarbeitung von Flachs und Hanf.
Zahl der Marktteilnehmer geschrumpft
Stoffe aus diesen Pflanzenfasern gab es bei Henriette Fleck, die in Kooperation mit dem Freilichtmuseum Neuhausen diesen Tuchmarkt veranstaltet und organisiert hat. Sie beklagte bitter den Aus- und Wegfall mancher Marktteilnehmer, die die Corona-Pandemie mit dem Lockdown wirtschaftlich nicht überlebt hätten. „Wir sind händeringend auf der Suche nach Kunsthandwerkern jeglicher Couleur, um vergangenes Handwerk lebendig zu erhalten und solche Märkte attraktiv zu machen“, sagte die im Freilichtmuseum Hessenpark und in der „Keltenwelt am Glauberg“ tätige freiberufliche Kunsthistorikerin.
Auch beim ersten Tuchmarkt hier in Neuhausen habe sie nicht mehr viele Teilnehmer mobilisieren können, wobei drei noch kurzfristig abgesagt hätten. „Vermutlich wegen der miserablen Wettervorhersage für Samstag“, so ihre Vermutung. In der Tat hatte Petrus nach anfänglich schönem Wetter die Schleusen des Himmels für eine Weile geöffnet, besann sich aber etwas später eines Besseren. Die Outdoor-Standbetreiberinnen hatten jedoch mit Planen vorgesorgt, um ihre Ware zu schützen.
Netzwerk über altes Handwerkskunst sinnvoll
Im Gespräch mit dem stellvertretenden Museumsleiter Christof Heppeler regte Henriette Fleck an, im Freilichtmuseum Lehrstellen für aussterbende Berufe zu schaffen, solange es noch lebende Meister wie Adolf Riester gibt. „Ein solches Museum ist geradezu prädestiniert, solche Lehrstellen zu schaffen, um alte Handwerkskunst zu erhalten und weiterzugeben“, machte sich Fleck für die Techniken der Vergangenheit stark. Zudem sollte ein dichtes Netzwerk geknüpft werden, in dem alle mitgenommen werden, die altes Wissen und Können beherrschen. Heppeler sagte zu, diese Anregungen an entsprechende Stellen weiterzugeben.
Informationen über verschiedene Techniken
Neben dem Weberhandwerk konnten sich die Gäste auch über die vielfältigen Spitzen- und Knüpftechniken wie Klöppeln, Weißstickerei oder Makramee informieren. Dass neben Seide, Wolle, Leinen und Baumwolle auch Bananenblätter, Bambus und Soja zu Fäden verarbeitet werden können, war am Stand von Brigitte Ruprecht zu erfahren. Die Spinnerin aus Freiburg hatte wunderschöne Garne und Rohfasern aus diesen Materialien dabei, aber auch Objekte und Schmuck aus Seidenkokons. Daneben verspinnt sie auch Sariseide. „Das sind die Restfäden, die nach Fertigstellung der indischen Saris auf dem Webstuhl verblieben sind“, erläuterte Ruprecht. Entsprechend sind die so hergestellten Garne farbenprächtig und von leuchtendem Glanz.

Renaissance von Brennnessel und Hanf
Wer das gefühlte Gegenteil erfahren wollte, nämlich wie sich ein Stoff aus Brennnesselfasern anfühlt, war bei Henriette Fleck richtig. „Die Nessel war vor Verbreitung der Baumwolle die wichtigste Faserpflanze für die arme Bevölkerung“, sagte die Kunsthistorikerin. Der Stoff werde mit jeder Wäsche heller und weicher. Zu Unrecht seien die Nessel und auch der Hanf in Vergessenheit geraten. Doch derzeit erleben beide Pflanzen eine verdiente Renaissance, wobei gerade die Brennnessel auch als Gemüse, Heil- und „Superfood“-Pflanze eine berechtige Würdigung erfahre.
Wolle wieder vermehrt genutzt
Auch die Schafwolle profitiert von Forschungserkenntnissen, die ihr Eigenschaften wie Geruchsneutralisierung, Feuchtigkeits- und Schmutzabweisend, isolierend, schwer entflammbar und anderes mehr bescheinigen, was die Altvorderen aber schon immer wussten und zeitgenössische Wollliebhaber wieder entdeckten. Nicht umsonst wird sie neuerdings vermehrt für Funktionswäsche und Outdoorkleidung genutzt. Handspinnerin Sabine Heinzelmann erklärte einer Besucherin händisch mit einer Wollflocke, wie sich Wollfasern durch Ziehen und gleichzeitiger Drehung zu einem Faden verbinden. Mit einem Spinnrad geht das natürlich schneller und bei entsprechender Übung wird der Faden fein und gleichmäßig. Auch die Kinder kamen bei dieser Veranstaltung nicht zu kurz, konnten sie doch unter anderem mit Kartoffelstempeln einen Stoffbeutel bedrucken.