Mit einer großartigen Ausstellungseröffnung zum Thema Werbegrafiken im Wandel der Zeit hat das Freilichtmuseum Neuhausen ob Eck die zahlreich erschienenen Besucher begeistert. Den rätselhaften Titel der Vernissage „Triumph bleibt im Karton“ erläuterte dann auch Julia Berlitz, die die Idee zu dieser Ausstellung hatte und sie hervorragend umgesetzt hat. Tuttlingens Landrat Stefan Bär stellt in seiner Begrüßung die junge Kunsthistorikerin vor, die im Freilichtmuseum ein wissenschaftliches Volontariat in praktischer Museumsarbeit ableistet mit dem Ziel, die Bereiche Sammeln, Bewahren, Forschen, Ausstellen und Vermitteln zu erfahren und praktisch umzusetzen. Das hat sie wahrlich mit Herzblut getan, wie Bär und Museumsleiter Andreas Weiß hervorhoben und wovon sich das Publikum selbst überzeugen konnte.

So präsentiert sich das Kaufhaus Pfeiffer derzeit im Museumsdorf.
So präsentiert sich das Kaufhaus Pfeiffer derzeit im Museumsdorf. | Bild: Susanne Grimm

Eine echte Mammutaufgabe

Dabei war das Thema eine echte Mammutaufgabe, denn sie hatte sich das Inventar des Kaufhauses Pfeiffer vorgenommen, das im Jahr 2009 von seinem Standort Stetten am kalten Markt ins Freilichtmuseum versetzt worden ist und seitdem im Museumsdorf eine Sonderstellung einnimmt. Zum einen ist das im Jahr 1925 zum Kaufhaus umgebauten Gebäude in ganzen Stücken versetzt worden, so dass selbst die Originaltapeten erhalten geblieben sind, was an sich schon ungewöhnlich ist, wie Bär betonte. Außergewöhnlich ist der Umstand, dass das Haus von seinem letzten Besitzer Franz Pfeiffer bis zu dessen Tod 1995 nicht mehr verändert worden ist.

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Das gilt sowohl für das Mobiliar seiner Wohnung und der Einrichtung des Ladengeschäfts, wie auch für den Warenbestand. Denn Franz Pfeiffer hat nichts erneuert oder weggeworfen. „Allein das macht das Haus zu einer wahren Schatzkiste für Historiker“, sagte Bär, selbst sichtlich begeistert. Gleichzeitig stellt es das Museumsteam vor große Herausforderungen, denn so viel Material will adäquat gelagert und wissenschaftlich aufgearbeitet werden. Immerhin stehen noch rund 600 Kartons unausgepackt im Lager und harren auf die Sichtung der Inhalte.

Zahlreiche Gäste bei der Ausstellungseröffnung (vorne, von links): Julia Berlitz, Museumsleiter Andreas Weiß und Tuttlingens Landrat ...
Zahlreiche Gäste bei der Ausstellungseröffnung (vorne, von links): Julia Berlitz, Museumsleiter Andreas Weiß und Tuttlingens Landrat Stefan Bär. | Bild: Susanne Grimm

Plakat mit Marlene Dietrich der Auslöser

„Das ist eine sehr kleinteilige und zeitintensive Arbeit“, aber, so Julia Berlitz, „auch überaus spannend“. Als sie mit ihrer Arbeit anfing, packte sie erst einmal der Schreck: „So viele Kartons!“ Nach der ersten Grobsortierung sei sie auf das Werbeplakat mit Marlene Dietrich gestoßen, was sie neugierig gemacht und zum Weitersuchen veranlasst habe. Das sei die Geburtsstunde für die Werbegrafikausstellung im Kaufhaus Pfeiffer gewesen. „Denn wer erzählt bessere Geschichten als die Werbung?“ Die meisten der noch vorhandenen Werbeplakate stammen aus den 1950er bis 1970er Jahren.

Nachkommen unter den Gästen

Volontärin Julia Berlitz (von links) mit Utta und Fritz Pfeiffer, Nachfahren des Kaufhausbesitzers Franz Pfeiffer, während der Ausstellung.
Volontärin Julia Berlitz (von links) mit Utta und Fritz Pfeiffer, Nachfahren des Kaufhausbesitzers Franz Pfeiffer, während der Ausstellung. | Bild: Susanne Grimm

Die Kunsthistorikerin hat die Ausstellung in drei Teile gegliedert, wobei natürlich die damals allgegenwärtige Zigarettenwerbung einen großen Raum einnimmt. Hierbei konnten die Gäste, darunter auch Fritz und Utta Pfeiffer sowie Ursula Mattes, Verwandte von Franz Pfeiffer, Werbeplakate von namhaften Künstlern entdecken. Und natürlich Erinnerung weckten: „Weißt du noch, die Werbung mit dem HB-Männchen?“ – die amüsierten Kommentare der Gäste ließen die Ausstellung lebendig werden. Das Zielobjekt der häufigsten Werbung war die Hausfrau und Mutter, der damals permanent eingetrichtert wurde, was sie tun und lassen sollte, aber auch die gepflegte Dame.

Die Zigarettenwerbung von einst offenbarte so manchen namhaften Künstler, wie die Reval-Werbung von Gerd Grimm.
Die Zigarettenwerbung von einst offenbarte so manchen namhaften Künstler, wie die Reval-Werbung von Gerd Grimm. | Bild: Susanne Grimm

Sängerin Eleonore Hochmuth dichtet um

Und hier kommt Marlene Dietrich ins Spiel. Sie wirbt auf einem der Plakate für eine Schönheitsseife, 40 Pfennig das Stück, ebenso die damals bekannte österreichische Schauspielerin Inge Egger. Das nahm die zur Vernissage geladene Tübinger Sängerin Eleonore Hochmuth zum Anlass, Marlene Dietrichs bekanntestes Lied umzutexten. So sang sie dann zu der Ohrwurmmelodie „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Werbung eingestellt, ja sie ist meine Welt und sonst gar nichts“. Und weiter: „Sie ist von Kopf bis Fuß aufs Verführen eingestellt, die Werbung dieser Welt, und sonst gar nichts!“ Die Besucher zeigten sich ob dieser auf den Punkt getroffenen Aussage begeistert und taten dies auch lautstark kund.

Vielleicht etwas zu aufreizend?

Die Ausstellungsinitiatorin Julia Berlitz vor einem Triumph-Werbeplakat, das vermutlich nie im Pfeifferschen Schaufenster hing.
Die Ausstellungsinitiatorin Julia Berlitz vor einem Triumph-Werbeplakat, das vermutlich nie im Pfeifferschen Schaufenster hing. | Bild: Susanne Grimm

Letztendlich lüftete Julia Berlitz das Geheimnis um den Ausstellungstitel. Sie fand bei Suche in den Kartons ein ungeöffnetes Päckchen mit einem aufklappbaren Aufsteller der Wäschefirma Triumph, auf dem mehrere Modells in Unterwäsche zu sehen waren. Ebenso ein weiteres Plakat derselben Firma, ebenfalls unversehrt und offensichtlich nie benutzt. „Ob Franz Pfeiffer diese Plakate nie ausgestellt hat, weil sie ihm zu aufreizend waren, ist aber nur eine These“, meinte die Volontärin augenzwinkernd.