In der Landwirtschaft ist der Begriff „Familienbetrieb“ geradezu symbolhaft für ein Miteinander von Mensch und Natur. Mehrere Generationen bearbeiten gemeinsam die Felder und ernten die Früchte ihrer Arbeit. Der Bauernhof und damit die Verantwortung für Ländereien, Tiere und Menschen wird über Generationen weitergegeben, was nur durch nachhaltiges, weil bewahrendes Wirtschaften möglich ist. Der Familienbetrieb erscheint vielen Menschen als natürlicher Gegenpol zu agro-industriellen Produktionseinrichtungen mit Massentierhaltung. „Unser Familienbetrieb steht auch diese Krise durch“, ist deshalb der 26-jährige Martin Duelli überzeugt. Der junge Mann vereint Vergangenheit und Zukunft. „Landwirt war immer mein Traumberuf“, wusste er früh, dass er den elterlichen Hof in Wintersulgen und damit das Erbe auf dem „Winkelhof“ übernehmen würde.
Er studierte im bayerischen Weihenstephan und schloss nach sieben Semestern als Agrar-Ingenieur ab. 85 Hektar bewirtschaftet seine Familie und lebt von der Milchviehhaltung. Rund 7500 Liter Milch liefert jede der 85 Kühe im Durchschnitt, wobei der Junglandwirt die Leistung auf 9000 Liter steigern will. „Der Literpreis von 23 Cent ist nicht auskömmlich“, werden nach Ansicht von Martin Duelli besonders Kleinbauern angesichts des Preisverfalls aufgeben müssen. Die aktuelle Krise bezeichnet er als „Härtetest“, die von Familienbetrieben besser gemeistert werden könne, da sie, anders als Lohnbetriebe, bei den Arbeitsentgelten flexibler seien. Wobei ohne die aktive Unterstützung der „Altbauern“ die Arbeit auf dem „Winkel-Hof“ nicht zu stemmen wäre, denn vor allem die Nachzuchtpflege ist zeitaufwendig, denn die 85 Kühe gebären jährlich ein Kalb.
Und so tummeln sich in den Boxen gruppenweise die Kälber, wobei die männlichen Tiere nach zwei Wochen an einen Rindermäster abgegeben werden. Die weiblichen Kälber sind im Stall und auf der Weide, bevor sie mit 24 Monaten den 10er-Melkstand kennenlernen. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft werde weitergehen, was größere Flächen und den Einsatz größerer Maschinen bedeute. „Und im Jahr 2050 wird es noch einen Winkel-Bauern geben“, ist Martin Duelli überzeugt und blickt auf Freundin Vanessa, die bejahend nickt.
Zukunftspläne haben auch die Bauernfamilien Kaltenbach, König, Metzler und Rauch in Ostrach-Hahnnenst, die allesamt einen Hofnachfolger haben und rund 1150 Hektar bewirtschaften. Anstatt ihre bestehenden Ställe zu erweitern, wollen sie gemeinsam einen Stall für 1000 Kühe bauen. Seit Bekanntwerden der Pläne vor zwei Jahren gibt es Widerstand von vielen Seiten. Neben Umweltschäden, Verunreinigung des Grundwassers, Emissionsbelastungen bewerten viele Gegner den Stall als Tabubruch für die heimische Landwirtschaftsstruktur. Obwohl die Landwirte mit dem Projekt den Fortbestand ihrer Hofstellen sichern wollen, sprechen ihnen die Gegner angesichts der Dimensionierung das Etikett „Familienbetrieb“ ab. Geplant ist ein 220 mal 58 Meter großer Außenklimastall mit zwei Futterachsen. Der neue Stall ist das zweite Großprojekt, das die Familien gemeinsam stemmen, denn seit 2012 betreibt das Quartett den Energiepark Hahnennest, eine Zwei-Megawatt-Biogasanlage mit angeschlossener Methangas-Aufbereitung. Die rund 20 000 Kubikmeter Gülle aus dem neuen Kuhstall sind die Hälfte der Menge, die die Biogasanlage benötigt.
Für Mitgesellschafter Thomas Metzler ist dieses komplett geschlossene System von Tierhaltung und dazugehörigem Pflanzenbau, die Zukunftsstrategie, denn die Abfallstoffe der Tierhaltung und der nachwachsenden Rohstoffe gehen in die eigene Energieproduktion. „Ich bin der Überzeugung, dass jede Größeneinheit überlebensfähig ist, wobei aber gute Ideen nötig sind“, ist für ihn das Miteinander von Groß- und Kleinbetrieben sinnvoll. Er verhehlt nicht, dass das Tempo des Strukturwandels zu schnell geht und Betrieben „kaum Luft zum Atmen lässt“. Als die „Zukunftsidee“ der nachhaltigen Energiewirtschaft sieht er den Anbau der nachwachsenden Silphie, einer aus den USA stammenden Stängelpflanze. Die Pflanze bedarf keiner Bodenbearbeitung, wächst bis zu 25 Jahre im gleichen Ertrag und bildet jährlich bis zu fünf Tonnen Humus je Hektar.
"Die Fläche ist vielerorts zu knapp!"
Holger Stich ist Geschäftsführer des Badisch-Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV) in Stockach
Derzeit fürchten viele kleinere Milchbauern um ihre Existenz. Müssen Betriebe immer größer werden, um zu überleben?
Wachstum in der Fläche ist für viele südbadische Betriebe nicht die beste Option, um auch in Zukunft bestehen zu können. Die Fläche ist vielerorts zu knapp. In der BLHV-Region konnten sich viele Betriebe durch Diversifikation eine solide betriebswirtschaftliche Basis aufbauen. Statt wachsen kann man sich aus „Besonders“ machen.
Unterm Strich muss ein Betrieb gut geführt werden und auch auf wenig Fläche kann eine rentable Wertschöpfung geleistet werden. Das hängt doch vor allem davon ab, ob die „Jungen“ Lust haben, die Betriebe weiterzuführen. Dafür muss die Landwirtschaft attraktiv bleiben, der Nachwuchs muss die Möglichkeit haben, den Betrieb für die Zukunft aufzubauen und zu investieren. Bürokratische Auflagen müssen zurückgefahren werden
Müssen kleinere Betriebe sich von der Tierproduktion verabschieden und künftig für landschaftserhaltende Maßnahmen von der Gesellschaft entlohnt werden?
Landschaftserhaltende Maßnahmen sind nur in Kombination mit Tierhaltung möglich, gerade im Bereich Grünlandpflege und Offenhaltung der Landschaft! Zusätzlicher Aufwand muss mit öffentlichen Mitteln ausgeglichen werden. Schützen durch Nutzen, am besten eben in Verbindung mit Tierhaltung.
Wie sieht der BLHV die Zukunft der Landwirtschaft und der Bauern?
Die südbadische Landwirtschaft wird in ihrer Struktur, Vielfalt und Nachhaltigkeit von der Gesellschaft sehr geschätzt. Das belegt die steigende Nachfrage nach regionalen Lebensmitteln. Der BLHV wird alles einsetzen, um sie weiter in der Form zu erhalten. Letztendlich entscheidet der Verbraucher, wie und was die Landwirtschaft produziert und inwiefern anfallende öffentliche Leistungen wie Pflege und Offenhaltung der Landschaft finanziell zu honorieren sind.
Fragen: Siegfried Volk