In seiner Ansprache beim Neujahrsempfang hob Bürgermeister Michael Reichle eine Aktion des Angelvereins Illmensee besonders hervor: Jedes Jahr ab Februar/März erbrütet der Verein zertifiziert seuchenfreie Hechte. Nicht nur in die eigenen Gewässer werden die Fische eingesetzt, der Verein verkauft die herangewachsenen Hechtlarven in ganz Süddeutschland. Seuchenfreie Hechte sind gesucht, denn wer möchte schon die Fischkrankheit namens virale hämorrhagische Septikämie in seinen Flüssen und Seen?

Verkauf der Larven nach Gewicht

Die Einnahmen aus dem Verkauf der Fischlarven fließen in die Gemeindekasse. „Das geht nach Gewicht, 20 Gramm, das entspricht etwa 1000 Stück, verkaufen wir für rund 20 Euro“, erklärt Michael Nadler, Vorsitzender des Angelvereins. Doch wie funktioniert Hechterbrütung eigentlich? Und was haben Gardinen im Becken zu suchen? Der SÜDKURIER durfte Michael Nadler und seinen Vorgänger im Amt, Ludwig Lehmann, einen Nachmittag lang begleiten.

Michael Nadler holt das Netz ein. Die Reuse steht im flachen Wasser. Ist die Laichzeit vorbei, wird sie wieder abgebaut.
Michael Nadler holt das Netz ein. Die Reuse steht im flachen Wasser. Ist die Laichzeit vorbei, wird sie wieder abgebaut. | Bild: Johanson, Kirsten

Seit Ende Februar rudern Mitglieder des Vereins alle zwei Tage zu den Reusen auf dem Illmensee und Ruschweiler See, um die Fische zu entnehmen. „Noch zirka zehn Tage, dann endet in diesem Jahr die Laichzeit. Das hängt eng mit der Wassertemperatur zusammen. Zu Beginn des Hechtabstreifens am 27. Februar hatte das Wasser keine sechs Grad“, erklärt Lehmann. Nicht nur Hechte, auch Karpfen und Schleien sind ins Netz gegangen. Die wandern sofort zurück in die Seen. Die Hechte werden in wassergefüllten Wannen zunächst an Land gebracht. Nadler und Lehmann sortieren nach weiblichen und männlichen Hechten, Rogner und Milchner genannt.

In der Natur streift das Weibchen mit dem Bauch energisch am Schilf entlang, um abzulaichen. Hier wird per Hand nachgeholfen.
In der Natur streift das Weibchen mit dem Bauch energisch am Schilf entlang, um abzulaichen. Hier wird per Hand nachgeholfen. | Bild: Johanson, Kirsten

Während das Hechtweibchen in der Natur mit ihrem Bauch energisch an Schilf und sonstigem Bewuchs entlang streift, um die Eier abzulegen, hilft Nadler an Land mit einer leichten Bauchmassage nach. Schon quillt das Laich aus der Kloake und wird in einer Schüssel aufgefangen. Danach kommt der Fisch zurück ins Wasser und schwimmt davon. Die Milchner steuern ein paar Tropfen Samenflüssigkeit bei, auch hier genügt ein leichter Druck auf den Fischbauch.

Im Bruthaus werden die Eier in spezielle Gläser gefüllt. Sie gleiten entlang einer Schwanenfeder ins 10 Grad kalte Wasser.
Im Bruthaus werden die Eier in spezielle Gläser gefüllt. Sie gleiten entlang einer Schwanenfeder ins 10 Grad kalte Wasser. | Bild: Johanson, Kirsten

Dann geht es mit der wertvollen Fracht ins Bruthaus bei der Kläranlage. Mit Unterstützung der Fischereiforschungsstelle Langenargen wurde hier eine Brutanlage errichtet. Sechs Glasflaschen stehen kopfüber in einem Gestell. Jetzt kommen Schwanenfedern ins Spiel. Nachdem Nadler die Glasflasche gereinigt und desinfiziert hat, schüttet er vorsichtig den Laich von oben durch die Öffnung. Damit dies nicht schwallartig passiert, lässt er es entlang der Schwanenfeder hineingleiten.

So sehen Hechtlarven aus. In diesem Becken entwickeln sie sich zwölf Tage.
So sehen Hechtlarven aus. In diesem Becken entwickeln sie sich zwölf Tage. | Bild: Johanson, Kirsten

Die Eier werden von unten mit zehn Grad kaltem Wasser umspült, in der gleichmäßigen Strömung trudeln sie herum und verkleben nicht miteinander. In einem Liter Wasser befinden sich rund 40.000 Eier. „Ist der Hecht einen Meter lang, rechnen wir mit bis zu 80.000 Eiern“, so Lehmann.

Das Laich wird in einer Schüssel aufgefangen. Zur Befruchtung kommt die Samenflüssigkeit der Milchner hinzu.
Das Laich wird in einer Schüssel aufgefangen. Zur Befruchtung kommt die Samenflüssigkeit der Milchner hinzu. | Bild: Johanson, Kirsten

Anfangs sind sie orange, je älter sie sind, desto dunkler sehen sie aus. Weiße Eier sind unbefruchtet. Nach etwa zwölf Tagen werden die Eier in ein Becken transferiert, in dem die Hechtlarven schlüpfen. Jetzt erklärt sich auch, warum über dem Becken Stangen mit Gardinenstoff hängen. Daran heften sich die etwa zehn Millimeter langen Fischlarven, die Ähnlichkeit mit schlanken Kaulquappen haben. Sie bleiben zwölf Tage im Aufzuchtbecken und ernähren sich in dieser Zeit vom Dottersack. Dann schwimmen sie an die Wasseroberfläche, um die Schwimmblase mit Luft zu füllen. Damit endet der Aufenthalt im Bruthaus und ab geht‘s in die Seen. Dort lauern durch Fressfeinde auf sie viele Gefahren – doch das ist eine andere Geschichte.