Der kommende Sonntag trägt den Namen Lätare – „Freut euch!“ Mitten in der Fastenzeit, die ja sonst eher von Einkehr und Besinnung geprägt ist, so ein extrovertierter Aufruf!
Aber darf man sich freuen, wenn in der Ukraine Krieg ist? Wenn Corona noch immer zu Infektions-Hochständen führt – zwar nicht mehr so oft zu Todesfällen, aber nicht so selten zu Langzeit-Schäden? Darf man sich freuen, wenn die derzeitige Teuerung Menschen mit geringen Einkommen besonders hart trifft?
Krisen kosten uns Kraft. Schlechte Nachrichten erzeugen eine Sogwirkung. Manchmal kommen wir gar nicht davon los, noch mehr und noch Genaueres wissen zu wollen. Manchmal sind wir so beschäftigt mit Maßnahmen zum eigenen Durchkommen, dass wir aus dem Hamsterrad gar nicht mehr herauskommen. Die Dauer-Sorge und Dauer-Angst mach uns aber kraftlos, unglücklich, manchmal auch aggressiv.
Wegschauen keine Lösung
Wegschauen ist keine Lösung. Dann würden wir in eine Parallelwelt flüchten und unser Mitgefühl verlieren. Es ist wichtig, immer wieder genau hinzublicken – aber nicht ständig.
Wir brauchen die Suche nach dem, was tröstet, was die Seele nährt. Was uns am meisten Kraft gibt sind Gelegenheiten, wo wir uns von Herzen freuen können.
Mich freut, wenn ich sehe, wie die ersten Frühlingblumen wachsen und die Sonnenstrahlen so kraftvoll sind, dass sie die Haut wärmen. Aber gegen Kriegs-Bilder und Existenz-Sorgen braucht es da nicht mehr als Blumen und Sonnenstrahlen?
Von diesem Propheten-Wort bekam der Sonntag Lätare seinen Namen: „Freut euch mit Jerusalem! Jubelt über diese Stadt, alle, die ihr sie liebt! Früher habt ihr um sie getrauert, doch jetzt dürft ihr singen und jubeln vor Freude“ (Jesaja 66,10). In der Bibel sind Erfahrungen wie diese aufbewahrt. Nach einer langen Zeit des Exils kehren die Israeliten in ihr verwüstetes Land zurück und bauen es wieder auf.
Gott ist auf der Seite des Lebens
Solche Erfahrungen, die es zu vielen Zeiten gab, sagen mir: Gott will nicht Krieg, Zerstörung, Hoffnungslosigkeit. Er arbeitet daran – mit Menschen guten Willens – dass Krieg aufhört, Umstände sich bessern, Leben wieder Freude macht und erfüllt ist. Quälend lange dauert das meistens, weil Zerstören schneller geht als Aufbauen, Streit beginnen schneller als Frieden stiften. Auch eine Kritik steckt in diesen Hoffnungsbildern: Gott ist auf der Seite des gelingenden Lebens und ganz gewiss nicht auf der Seite der Aggression und der zerstörerischen Gewalt.
Selbst etwas Gutes beitragen
Kürzlich fuhr ich mit dem Auto durch eine Waschstraße. Eine Menge Getöse war um mich herum, das Auto schwankte, aber ich hatte einen kleinen Raum um mich, der sich relativ sicher anfühlte. Ich finde das ein treffendes Bild für unsere derzeitige Situation und für „Lätare“: Mitten im Getöse der Welt Raum finden, der sich halbwegs sicher anfühlt. Dann ist es möglich auch an anderes zu denken: Nicht nur an Vergeltung und Gegengewalt, sondern an den Ausgleich von Interessen und Bedürfnissen. Nicht nur an die teilweise Sinnlosigkeit von Maßnahmen, sondern an Möglichkeiten, selbst etwas Gutes beizutragen für andere. Eigene Freude zu suchen und anderen Freude zu machen.