Das Flüchtlingsthema bewegt die Verwaltung in Illmensee enorm. Mit Hochdruck wird nach Wohnraum gesucht. Doch damit ist es nicht getan, die Flüchtlinge brauchen im Alltag weitere Unterstützung. „Das ist aufreibend, bindet viel Manpower, kostet Zeit und Nerven – vor allem im Hauptamt, aber auch auf dem Bauhof“, sagt Bürgermeister Michael Reichle. Das Tagesgeschäft rücke in den Hintergrund. „Die Kommunen werden von der Landes- und Bundespolitik nicht gehört“, beklagt Reichle. Auch der Gemeindetag Baden-Württemberg stellt in einer Pressemitteilung fest: „Die Grenzen des Machbaren sind erreicht.“
Vielfältige Aufgaben zu bewältigen
In den kommenden zwei Wochen werden zwölf neue Geflüchtete erwartet, wie Hauptamtsleiterin Yvonne Schümann in der jüngsten Gemeinderatssitzung mitteilte. Sie kümmert sich intensiv um die hauptsächlich aus der Ukraine stammenden Flüchtlinge. Pro Woche wendet sie mindestens einen Tag auf, manchmal mehr. „Wir organisieren nicht nur Wohnraum, sondern Busfahrkarten, damit die Leute beispielsweise zum Sprach- und Integrationskurs kommen, stellen den Kontakt zu Schulen her, helfen beim Ausfüllen des Familienfragebogens für die Krankenkasse oder unterstützen dabei, die Menschen in Arbeit zu vermitteln“, zählt sie einige Beispiele auf. Die Sprachbarriere macht die Arbeit nicht leichter. Die Kommunikation findet teilweise mit einem Dolmetscher statt, auf Englisch, mit Händen und Füßen oder mit Smartphone-Übersetzer.
Caritas-Beratung nicht mehr vor Ort
Unterstützt wird Schümann von ehrenamtlichen Helfer aus dem Helferkreis um Gabriele Redlich. Bis vor kurzem kam alle zwei Wochen eine Caritas-Beraterin ins Rathaus, was aber aufgrund von Personalengpässen bei der Caritas eingestellt wird. „Ab Oktober findet die Beratung nur noch in Sigmaringen statt“, so Schümann. Eine Begegnungsstätte etwa in Art eines Flüchtingscafés zu schaffen, wäre aus ihrer Sicht eine tolle Sache, doch dazu brauche es wiederum engagierte Helfer sowie finanzielle Mittel. „Damit Integration gelingt, brauchen wir viele helfende Hände.“
Gemeinde sucht Haus für mehrere Wohnungen
Bei der großen Flüchtlingswelle 2015/2016 wurde der Fremdenverkehrsraum der Drei-Seen-Halle zur Unterbringung genutzt. Dies – und ebenso die Anschaffung teurer Wohncontainer – möchte Reichle vermeiden. Die Gemeinde mietet leer stehende Privatwohnungen an, sie würde auch gerne Ferienwohnungen mieten, doch da habe sich noch nichts aufgetan. „Ideal wäre ein großes, leer stehendes Haus, in dem wir zwei, drei Wohnungen einrichten können“, so Reichle. „Der Vermieter hat mit uns einen verlässlichen Vertragspartner.“
Die Hauptamtsleiterin ergänzt: „Wir achten darauf, keine übertrieben teure Wohnungen anzumieten. Vom Jobcenter erhalten wir für eine Person 382 Euro Warmmiete. Für zwei Personen verdoppelt sich das nicht. Für vier Personen bekommen wir rund 640 Euro, doch zu diesem Preis finden wir kaum etwas. Das heißt, was über dem Betrag des Jobcenters liegt, bleibt oft an der Gemeinde hängen.“
Sach- und Geldspenden helfen
Es hebe die Kommune positiv heraus, dass Flüchtlinge nicht auf einer Matratze auf dem Fußboden schlafen müssen. „Sind die Wohnungen unmöbliert, ist das unproblematisch, wir kümmern uns um die Ausstattung“ . Nach Spendenaufrufen seien viele gebrauchte Möbel zusammengekommen. Notwendige E-Geräte wie Waschmaschine oder Kühlschrank beschafft die Gemeinde über Ebay-Kleinanzeigen oder kauft sie neu, für solche Zwecke wurde ein Spendenkonto eingerichtet. „Nicht zuständig sind wir für so etwas wie WLAN oder TV-Geräte. Wenn wir gespendete Fernseher erhalten, geben wir die selbstverständlich weiter.“
Für Ukrainer unkomplizierte Aufenthaltserlaubnis
Durch die umgehende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wohnen Geflüchtete aus der Ukraine höchstens sechs Monate in der vorläufigen Unterbringung und wechseln dann in die Anschlussunterbringung. Im Gegensatz zu Menschen aus anderen Herkunftsländern können Ukrainer recht schnell Leistungen des Jobcenters beanspruchen. Sie erhalten zügig eine Versichertenkarte und können ärztliche Versorgung in Anspruch nehmen. Diese gesonderte Behandlung birgt Konfliktpotential.
Auf Nachfrage erklärte Simone Kurz, Leiterin des Fachbereichs Migration und Integration am Landratsamt, dass Geflüchtete aus der Ukraine und Asylbewerber zwei verschiedenen Rechtskreisen unterliegen, die unterschiedliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen beinhalten. Die Massenzustrom-Richtlinie der Europäische Union vom März 2022 sieht vor, dass Ukrainer schnell und unkompliziert eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Geflüchtete aus anderen Ländern müssen ihre Schutzbedürftigkeit individuell in einem Asylverfahren nachweisen. „Durch die umgehende Erteilung der Aufenthaltserlaubnis erhalten Geflüchtete aus der Ukraine schneller Zugang zum Bürgergeld und damit auch zu einer gesetzlichen Krankenversicherung. Auch der Zugang zum Arbeitsmarkt steht ihnen uneingeschränkt offen. Geflüchtete aus anderen Herkunftsländern erhalten diese Möglichkeiten erst nach einem positiven Abschluss ihres Asylverfahrens“, erklärt Kurz.
Aktueller Stand
Zur Zeit leben 32 Kriegsflüchtlinge in der Gemeinde Illmensee, der Großteil aus der Ukraine, drei aus Afghanistan und sechs aus Syrien. 13 Geflüchtete aus der Ukraine sind unter 18 Jahre alt, sie besuchen in Illmensee den Kindergarten und die Grundschule, die Realschule in Wilhelmsdorf und das Berufsvorbereitungsjahr in Ravensburg.