Günther Töpfer

Wegen sexueller Übergriffe in Tateinheit mit dem Missbrauch von Schutzbefohlenen ist ein 28-jähriger Mann aus dem Kreisgebiet vor dem Schöffengericht Sigmaringen angeklagt. Opfer waren eine geistig behinderte Jugendliche und eine 28 Jahre alte geistige behinderte Frau. Der Angeklagte musste deswegen seine Ausbildung zum Heimerzieher abbrechen.

Vorfälle ereigneten sich im Frühjahr 2018

Aus der von Staatsanwalt Markus Engel verlesenen Anklage geht hervor, dass es zu den Taten im Frühjahr 2018 in einem Heim gekommen sein soll. Nach der Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres hatte der Angeklagte im Jahr 2017 in der gemeinnützigen Einrichtung mit seiner Ausbildung begonnen. Dem 28-Jährigen wird vorgeworfen, die 28 Jahre alte Frau geküsst sowie an Brust und Oberschenkel angefasst und gestreichelt zu haben. Die Jugendliche soll er dazu gebracht haben, ihn zu küssen und mit der Hand sexuell zu befriedigen.

Heimleitung reagiert und kündigt Ausbildungsvertrag

Entdeckt wurden die Taten, als sich die 28-Jährige im Heim offenbarte, worauf die Heimleitung die Vorwürfe unverzüglich überprüfte und der Vater eines der beiden Opfer Strafantrag stellte. Während die Staatsanwaltschaft mit ihren Ermittlungen begann, kündigte die Heimleitung den Ausbildungsvertrag des Angeklagten.

Angeklagter behauptet, angesprochen worden zu sein

In der Hauptverhandlung bestritt der Angeklagte die ihm zur Last gelegten Anschuldigungen. Der Sachverhalt sei völlig anders gewesen. Dem Gericht berichtete er, dass die Frau ihn angesprochen habe, als er mit seinem Hund unterwegs gewesen sei. Eine Woche später sei es dann auf dem Heimweg zur Wohngruppe zu einer zweiten Begegnung gekommen. Auch dieses Mal habe ihn die Frau angesprochen. Zu einer dritten Begegnung sei es dann vor der Haustür gekommen und dabei habe er die 28-Jährige dazu aufgefordert, ihn in Ruhe zu lassen. Darauf habe sich die Frau schriftlich bei ihm entschuldigt. Er bedaure zutiefst, dass er diesen Brief nicht mehr habe. Ausdrücklich betonte der 28-Jährige, dass die Frau nie in seiner Wohnung gewesen sei. Völlig unverständlich sei für ihn, wie man ein Jahr später dazu komme, ihm sexuellen Missbrauch vorzuwerfen. Seiner Meinung nach sei die Frau einfach in ihn verknallt gewesen.

Jugendliche soll Sex-Geschichten erfunden haben

Auch die Jugendliche habe ihn mit ihrer Anschuldigung falsch belastet. Seiner Meinung nach lebe sie in einer Fantasie-Welt, denn sie schreibe Tagebücher und erfinde dabei solche Sex-Geschichten. Ein früherer Arbeitskollege des Angeklagten bestätigte diese Aussage. Die Jugendliche habe sich kuriose Sachen ausgedacht sowie Bilder von knutschenden Mitarbeitern der Einrichtung gemalt. Nach Ansicht einer Sexual-Therapeutin habe die Jugendliche damit Aufmerksamkeit erregen wollen.

Der Angeklagte berichtete dem Gericht, dass er seit Frühjahr 2019 mit seiner Freundin zusammen lebe, die im gleichen Heim eine Ausbildung absolviert. In der Zwischenzeit sei er Vater geworden. Seine Ausbildung zum Heimerzieher habe er seinerzeit mit viel Herzblut begonnen, doch die Anschuldigungen hätten ihm viel genommen.

Den Reigen der Zeugen eröffnete eine Heimerziehungspflegerin, die von den Vorwürfen erst von der Wohngruppenleitung erfahren habe. Die Frau habe sich ihr zunächst nicht anvertraut. Später habe sie dann mit ihr darüber gesprochen und darüber berichtet, dass man in der Wohnung des Angeklagten geknutscht habe und intim geworden sei, bis er sie rausgeworfen habe. Ähnliche Erlebnisse habe die Frau jedoch schon davor erzählt, aber so etwas Derartiges habe sie noch nie geschildert. Die Zeugin wies in ihrer Aussage auch darauf hin, dass die Frau unter dem Vorfall leide und es ihr auch sehr unangenehm sei, darüber zu reden.

Rechtspsychologin nimmt an Verhandlung teil

An der Verhandlung nimmt auch eine Rechtspsychologin aus Tübingen teil, die von der Staatsanwaltschaft mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt wurde. Als Nebenklägervertreterin vertritt eine Anwältin die Interessen der Frau. Gemeinsam mit Staatsanwalt Engel beantragte die Vertreterin der Nebenklage bei der Vernehmung ihrer Mandantin, die Öffentlichkeit und den Angeklagten auszuschließen. Diesem Antrag wurde stattgegeben. In einem Beschluss verkündete der Vorsitzende Richter Jürgen Dorner, dass zur Vernehmung der Frau sowohl der Angeklagte wie auch die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, weil zu befürchten sei, dass die Zeugin bei ihrer Vernehmung im Beisein des Angeklagten nicht die Wahrheit sagen würde.

Ein 22-jähriger Auszubildender berichtete im Zeugenstand, dass sich so nach und nach aufgeklärt habe, dass es der Frau nur darum ging, Aufmerksamkeit zu erregen. So habe ihn die 28-Jährige einmal gefragt, ob er sie in der Dusche beobachtet habe. Mit aller Deutlichkeit wies der Azubi darauf hin, dass im Falle solcher Anschuldigungen das Thema sofort im Team angesprochen werden müsse. Der 22-Jährige sagte: „Bei uns in der Wohngruppe ist das damals öfters vorgekommen, doch die Frau vergißt danach alles wieder sehr schnell.“

Mehrere Zeugen aus dem Heim werden gehört

Neben der 24-jährigen Freundin des Angeklagten, die sich noch in einer Ausbildung zur Altenpflegerin befindet, berichteten ein 33-jähriger Heimerziehungspfleger, eine 52-jährige Heimerziehungspflegerin und eine 63-jähriger Erzieherin ausführlich und detailliert im Zeugenstand ihre Wahrnehmungen und das Ergebnis ihrer Befragungen. Aus ihren Aussagen ging hervor, dass man wegen der Widersprüche nicht immer alles geglaubt habe.

Die 63-jährige Erzieherin hatte den Schilderungen der 28-Jährigen teilweise nicht nur Glauben geschenkt, sondern untermauerte diese mit weiteren Hinweisen, wonach die Frau den Vorfall sehr konkret geschildert habe. So habe die 28-Jährige sie auch im Gespräch gefragt, ob der Angeklagte nach seiner Entlassung auch nicht mehr ins Heim komme und zugleich ihre Sorge offenbart, dass er nicht mehr in ihr Zimmer komme.

Die Verhandlung wird am Dienstag, 16. März, mit der Vernehmung weiterer Zeugen und des zweiten Opfers fortgesetzt.

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