Mit Macht treiben die Stadtwerke die Energiewende voran, um für Pfullendorf bis 2035 oder spätestens 2040 einen Autarkiegrad von 85 Prozent zu erreichen. Der Ausbau der Photovoltaik ist dabei nach Überzeugung von Geschäftsführer Jörg-Arne Bias ein entscheidender Hebel, um diese ehrgeizigen Pläne zu verwirklichen. Im Gewann Hinterösch, unterhalb des Wohngebiets Vogelsang, wird im Januar 2023 eine Freiflächen-PV-Anlage mit zwei Megawatt errichtet, die im März in Betrieb gehen und rund 700 Haushalte mit Strom versorgen soll.
Energieknappheit hat viele Ursachen
Je größer die eigenproduzierte Strommenge ist, desto weniger muss man Energie an der Strombörse kaufen. Denn an diesem Spotmarkt gelten besondere Gesetze. Jörg-Arne Bias spricht von „verrückten Zeiten“, denn bei einer Order gebe es nicht einmal für zehn Sekunden eine Preisgarantie. Auf dem deutschen Energiesektor hat sich nach seiner Überzeugung fast ein „perfekter Sturm“ zusammengebraut, listet er neben dem Erdgaslieferstopp aus Russland die anhaltende Trockenheit auf, die zu Niedrigwasser auf den Schifffahrtswegen führe. Frachter könnten nur noch mit einem Bruchteil ihrer Ladekapazität Kohle transportieren, was die Knappheit erhöhe und die Vorräte an Kohle reichten nur für wenige Tage.
Extreme Preisentwicklung am Spotmarkt
Die Dürre führte in Frankreich dazu, dass etliche der 56 Atomkraftwerke abgeschalten wurden, weil die Kühlung angesichts des warmen Flusswassers nicht mehr gesichert war. Also entfällt die Möglichkeit, aus dem Nachbarland Atomstrom zu beziehen, wobei Bias dafür plädiert, die verbliebenen deutschen AKWs weiterlaufen zu lassen.

Damit könnte man günstigen Strom produzieren und müsste nicht die extremen Belastungen des Spotmarktes tragen, bei dem bekanntlich der Preis für die letzte Einheit als Referenzpreis gilt. Wenn also die letzte Stromeinheit aus dem aktuell extrem teuren Gas produziert wird, dann erhalten auch Windkraftbetreiber oder AKWs denselben Preis, was ihnen enorme Überschüsse beschert.
21 Gebäude an Heizzentrale angeschlossen
Bei der Wärmeversorgung sehen sich Bias und Bürgermeister Thomas Kugler mit ihrem Konzept auf dem absolut richtigen Weg, auch mit dem Bau der Heizzentrale Museumsgasse, unterhalb des Alten Hauses, die im Oktober in Betrieb gehen soll. Man habe schon 1800 Meter Leitungen verlegt und 21 Gebäude angeschlossen, wobei der Großteil sich in öffentlicher Hand befinde. Der hohe Wärmeverbrauch der öffentlichen Gebäude in diesem Bereich machen die hohen Baukosten von 3,6 Millionen Euro tragbar, sind die Verantwortlichen überzeugt.
20 Meter hoher Heizkamin wird zu sehen sehen
Gegen das Vorhaben gab es bekanntlich vor allem von direkten Anwohnern massive Kritik und sogar der Petitionsausschuss des Landtages beschäftigte sich ausführlich mit den Vorwürfen, die unter anderem den Natur- und Denkmalschutz betrafen. Man könne manche Ängste verstehen, weisen Stadtwerkechef und Bürgermeister dabei auf die enge Zusammenarbeit mit den Behörden im Landratsamt und Regierungspräsidium. Letztlich wurde die Petition abgewiesen.

Nach Angaben von Rathauschef Kugler wird von dem Bauwerk, in das nächste Woche die Wärmekessel eingebaut werden, letztlich nur ein 20 Meter hoher Heizkamin zu sehen sein. „Ein großer Vorteil der neuen Heizzentrale, in der Gas verfeuert wird, ist, dass man für das Gasnetz in Pfullendorf Kunststoffrohre verlegt hat, die wasserstofftauglich sind“, erklärt Jörg-Arne Bias. Sollte man in Zukunft auf diesen Energieträger wechseln, ist die gesamte Investition bereits heute zu 100 Prozent dafür vorbereitet.
Weitere Stadtgebiete sollen an Nahwärmenetz angeschlossen werden
Nach der Inbetriebnahme der Heizzentrale in der Museumsgasse werden angrenzende Straßenzüge wie die Andreas-Rogg-Gasse, die Heiligenbergerstraße bis zur Volksbank, die Postgasse und der Hillergraben untersucht und gleichzeitig das Interesse der Anwohner abgefragt. Die Stadtwerke planen derzeit auch die Wärmezentrale „Sechslinden-Schule“, die in Abstimmung mit dem Schulneubau realisiert werden soll, und wo man als Baubeginn das Jahr 2024 anvisiert. Dann will man von beiden Seiten, also dem Sechslinden-Standort über die Sechslindensteige und -öschle sowie der Altstadt, das Netz sukzessive erweitern, sodass im Jahr 2040 rund 80 Prozent der Wärme in diesem Bereich aus erneuerbaren Energien stammt.
60 Prozent der Energie stammen aus regenerativer Erzeugung
Derzeit beträgt der gesamte Stromverbrauch von Haushalten und Unternehmen in Pfullendorf 98 Gigawattstunden, das sind unvorstellbare 98 Millionen Kilowattstunden, wovon 60 Prozent aus erneuerbaren Energien stammen. Dabei hat Biomasse mit 24 Prozent den höchsten Anteil, gefolgt von Wind mit 21 Prozent, Photovoltaik mit 15 Prozent und acht Prozent stammt aus Kraftwärmekoppelung. Die restlichen 32 Prozent stammen aus konventionellen Quellen wie Kohle und Atomstrom. Bei der Wärmeversorgung beträgt der derzeitige Verbrauch rund 178 Gigawattstunden, wobei 56 Prozent des Wärmeverbrauchs aus Erdgas stammt und 28 Prozent aus Heizöl.