Während seiner Rede beim Neujahrsempfang in der Pfullendorfer Stadthalle am vergangenen Samstagabend war es mucksmäuschenstill: Oberst Andreas Schmand, Kommandeur Ausbildungszentrum Spezielle Operationen der Bundeswehr, hat den Ernst der sicherheitspolitischen Lage in Europa ohne Umschweife zum Ausdruck gebracht. Seine Botschaft war eindeutig: „Wir müssen kriegstüchtig werden, sein und bleiben.“
Nicht auf der Insel der Glückseligen
Seit mehr als 1000 Tagen ist Krieg in der Ukraine, seit fast drei Jahren sterben dort jeden Tag Menschen. Oberst Andreas Schmand trat nicht mit der Absicht ans Pult, um eine schöne, angenehme Rede zu halten. Ihm ging es darum, die 600 Gäste als wichtige Multiplikatoren zu gewinnen, „um meine Gedanken und Lagebeurteilung mit in ihr Umfeld zu nehmen, damit hoffentlich ein Ruck zumindest durch unsere Kreise geht“, so Schmand zu Beginn. Der Oberst hat durch Gespräche und Diskussionen den Eindruck, „dass ein Teil unserer Bevölkerung glaubt, dass wir auf der Insel der Glückseligen leben und uns die Krisen nur rudimentär betreffen. Die Realität sieht anders aus.“
Lage in Afrika verschlechtert sich
Seinen Ausführungen war zu entnehmen, dass auch Deutschland vom Krieg in Europa bedroht sei. Das Nebeneinander von Krisen gebe es nicht mehr. „Sie gehen ineinander über, beeinflussen, ja verstärken sich gegenseitig“, so Schmand, weshalb diese Gemengelage auch die Streitkräfte mehr und mehr fordere. Denn vor allem regionale Mächte wie der Iran erhöhen die Komplexität der Auseinandersetzungen. Und auch die Lage auf dem afrikanischen Nachbarkontinent habe sich drastisch verschlechtert, weil der Sahel eine einzige Konfliktzone bleibe. „Auch hier kleben Moskaus Fingerabdrücke an jedem Militärputsch“, so Schmand.
„Sie schüren Ängste, verbreiten Unsicherheit und Zweifel an den Fähigkeiten von Behörden und Regierungen.“Andreas Schmand, Kommandeur der Staufer-Kaserne
Der Kommandeur der Pfullendorfer Staufer-Kaserne berichtete davon, wie im September 2024 deutsche Schiffe im Indo-Pazifik – die Fregatte Baden-Württemberg und der Einsatzgruppenversorger Frankfurt am Main – mehrfach in der Straße von Taiwan durch China bis auf die Brücken angelasert wurde. Er zählte auf, dass es konkrete Anschlagspläne gegen den US-Stützpunkt Geilenkirchen gab, dass Handys der Ausbilder gehackt wurden, dass plötzlich im DHL-Frachtzentrum in Leipzig ein Paket brannte – Absender: eine Fake-Adresse in Litauen, die sich nicht nachverfolgen ließ. Diese Beispiele würden ihre Wirkung erzielen: „Sie schüren Ängste, verbreiten Unsicherheit und Zweifel an den Fähigkeiten von Behörden und Regierungen.“
Schauplätze hängen zusammen
Die entscheidende Veränderung im sicherheitspolitischen Umfeld ist, „dass all diese Schauplätze und damit unsere sicherheitspolitischen Handlungsfelder miteinander zusammenhängen“, ergänzte Schmand. Krieg müsse demnach anders gedacht werden, bis hinunter auf das Gefechtsfeld. Schmand stellt klar: „Technische Entwicklungen erzeugen strategische Herausforderungen.“ So sind beispielsweise überall Drohnen im Einsatz – Drohnen im Roten Meer, Drohnen in Israel. Und Schmand richtet den Blick schon nach vorn, wenn eines Tages Quantencomputer die Sicherheitssysteme knacken können, wenn die Künstliche Intelligenz die Rahmenbedingungen für die Gefechtsführung schafft.
Im Ukraine-Krieg gehe es nicht um die Ukraine, nicht um Russland, nicht um Territorium. „Russland will die öffentliche Meinung im Westen beeinflussen, damit unsere Solidarität mit der Ukraine bröckelt.“ Dafür sei Putin jedes Mittel recht. „Er kennt keine Skrupel. Unsere Schwäche ist seine Stärke“, sagte Schmand. Putin bereitet nach seinen Angaben die russischen Streitkräfte darauf vor, NATO-Territorium anzugreifen, Deutschland vielleicht im Jahr 2029: „Ich sage nicht, dass Russland uns dann angreifen wird. Aber es könnte sein.“ Denn Putins Ziele gehen weit über die Ukraine hinaus. „Er zielt auf das ab, was liberale Demokraten, wie wir es sind, im Innersten zusammenhält: unsere Werte, Freiheiten und Überzeugungen.“
All dies bedeutet für die deutschen Streitkräfte eine Zeitenwende, zumal die Kriegstüchtigkeit für Schmand mehrere Dimensionen hat: eine materielle, eine personelle, aber auch eine mentale. Vieles sei schon angeschoben worden, es wurden Kampfjets, Hubschrauber, Panzer und Schiffe bestellt- „aber bestellt heißt es eben noch nicht auf dem Hof“. Die Bundeswehr sei gewappnet: „Wenn es morgen losginge, dann stünden wir Gewehr bei Fuß.“ Das sage er auch immer, wenn er gefragt werde, ob die Bundeswehr Deutschland verteidigen könne. „Klar können wir das“, so Schmand.
Aber, so richtete er die Frage an das Publikum, „können wir Krieg, können Sie Krieg“? Denn – so beendete Schmand seine Rede – „je besser und schneller wir unsere Streitkräfte ausrüsten können, umso besser wird sich Putin abschrecken lassen. Je besser wir abschrecken, desto größer sind unsere Chancen, dass wir auch in Zukunft so leben können, wie wir jetzt leben.“