Überbordende Regale, vieltausendfache Auswahl und günstige Preise – dieses Bild prägte die Lebensmittelversorgung in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland. Aber der Ukrainekrieg und dessen Folgen führen dem Verbraucher derzeit vor Augen, dass die existenzielle Frage, ob man stets in ausreichender Menge genügend Lebensmittel kaufen kann, von Unwägbarkeiten bestimmt wird. In den vergangenen 50 Jahren erlebte die deutsche Landwirtschaft einen nie gekannten Strukturwandel und die Zahl der Landwirte verringerte sich ebenso dramatisch, wie die gesellschaftliche Wertschätzung des Bauernstandes.
Familienbetrieb betreibt derzeit nur Ackerbau und hat Tierhaltung aufgegeben
Im Landkreis Sigmaringen gibt es noch 1250 landwirtschaftliche Betriebe mit mehr als fünf Hektar. 80 Prozent aller Betriebe betreiben Tierhaltung. In Kleinstadelhofen gibt es noch fünf Hofstellen, darunter die Familie Ferrari. Sie hat die frühere Schweinehaltung aufgegeben und betreibt auf 50 bis 60 Hektar Fläche nur noch Ackerbau. „Wir bauen vor allem Gerste und Dinkel an“, erzählt Markus Ferrari, der sich auf den Weg macht, mit einer besonderen Pflanze die Zukunft des Bauernhofes zu sichern – der Süßkartoffel.

Im vergangenen Jahr beschäftigte sich der 34-Jährige, der hauptberuflich als freier Monteur tätig ist, erstmals mit der Pflanze, die aus den tropischen Gebieten Südamerikas stammt. Mit einem Landwirt aus Wolfsburg, der zu den Pionieren des Süßkartoffelanbaus in Deutschland zählt, nahm er Kontakt auf und dann startete Ferrari auf 2000 Quadratmetern einen Versuch und pflanzte tausende Süßkartoffelsetzlinge, die er aus Portugal bezog.
Je Hektar müssen bis zu 40 000 Pflanzen in das Erdreich gebracht werden
Entscheidend ist dabei der Pflanzzeitpunkt, denn die Süßkartoffel mag Wärme und Wasser. Der Landwirt wählte den Wonnemonat Mai, um mit Familie, Freunden und Bekannten die Setzlinge händisch ins Erdreich zu bringen. Um das Unkraut zu beseitigen, nutzte er ein spezielles Hackgerät, und, um die Pflanze mit ausreichend Wasser zu versorgen, rüstete der Tüftler eine Spritze um. In den nächsten Monaten verfolgte er das Wachstum seiner Süßkartoffeln und entdeckte im Erdreich zunächst nichts, denn erst in den letzten 40 Tagen vor der Ernte bildet sich die Knolle aus. Pech hatte Markus Ferrari, dass es einen nassen Sommer gab und der Acker sogar unter Wasser stand. Geerntet wurde dann im Oktober, und zwar wieder von Hand. Denn die Kartoffel ist nicht schalenfest. Das heißt, mit einem Vollernter würde die Haut abplatzen und die Knolle womöglich faulen. Deshalb wird die Süßkartoffel zunächst für zwei Wochen bei 25 Grad und 85 Prozent Luftfeuchtigkeit eingelagert, bis die Schale fest ist und dann weitere sechs Monate bei zehn Grad aufbewahrt.
Interesse von Gastronomen und Hofläden ist da
Bei seinen Anfragen bei potenziellen Abnehmern stieß der Landwirt aus Kleinstadelhofen bei Hofläden und Gastronomie auf Interesse, aber bewusst hatte er diese Kontaktaufnahme klein gehalten, denn der Ernteerfolg war ja ungewiss. In diesem Jahr wird Ferrari die Anbaufläche auf 0,5 Hektar vergrößern und 20 000 Setzlinge pflanzen, und, sollte sein Plan gelingen, will er die Anbaufläche sukzessive erweitern, denn die Nachfrage erhöht sich. Der 34-Jährige kennt auch den Grund: „Das ist ein gesundes Lebensmittel, fettarm, kalorienarm und mit viel Vitamin A.“ Als Pflanzzeitpunkt hat er sich in diesem Jahr für Mitte bis Ende Mai entschieden, dann scheint die Frostgefahr gebannt, denn ein Frost würde das Aus bedeuten. Wenn alle Wetterunbilden überstanden sind, wird er im Oktober dann zwischen zehn und 15 Tonnen Süßkartoffeln ernten, die dann auch bei heimischen Gastronomen auf der Speisekarte zu finden sein werden. Wobei es noch einen anderen Feinschmecker gibt, wie Markus Ferrari erzählt: „Der Feldmaus schmeckt die Süßkartoffel auch sehr gut.“