Während des Gesprächs mit dem SÜDKURIER vibriert das Smarthphone von Bernd Metzger (45) mehrfach. Mal ist es ein Tierarzt, der einen Tipp braucht, was mit einem benommenen Eisvogel zu tun ist. Dann ruft jemand an, weil ein herrenloser Hund in Ostrach frei durch die Straßen läuft. Eine Kollegin der Ortsgruppe Ostrach wird das Fundtier einfangen. Der verletzte Sperber, um den sich am Morgen eine andere Kollegin gekümmert hat, wurde mittlerweile in die Auffangstation eines Falkners gebracht.
Zusammenarbeit mit Polizei
Von Mäusen und Igeln über Hunde und Katzen bis in zu Kamelen und Rindern ist bei der Tierrettung Südbaden alles geboten. Aus der Marienschlucht mussten schon abgestürzte Pferde gerettet werden, in Ostrach steckte ein Pferd im Wassergraben fest. In Scheer bat die Polizei um Unterstützung, weil nachts zwei aggressive Hunde nicht zu bändigen waren. Bei Verstößen gegen den Tierschutz werden Polizei, Veterinäramt und Tierschutzbund eingeschaltet, etwa im Fall von Verwahrlosung oder Misshandlung. Auch mit animal hording, Tiersammelsucht, hatte die Tierrettung schon zu tun. „40 Katzen in einem Wohnwagen“, präzisiert Metzger.
Im Einsatz für Spinne und Skorpion
Die Tierrettung funktioniert ganz ähnlich wie die Menschenrettung beim Deutschen Roten Kreuz. „Wir sind, anders als zum Beispiel in München, keine fahrenden Tierärzte.“ Dass die Tierrettung Südbaden alarmiert wird, hat vielfältige Gründe: Rehböcke, die sich in Zäunen verfangen, Füchse im Haus und die berühmte Katze im Baum. Einen Skorpion im Zug und Bananenspinnen im Supermarkt – auch das hat es schon gegeben. „Es wird nie langweilig“, bestätigt Metzger.
Hunde aus Kanal befreit
Die Tierrettung hat ihren Sitz in Radolfzell, übernimmt aber oft Einsätze im Landkreis Sigmaringen. So etwa beim Unfall mit einem Schweinetransporter bei Denkingen. „Wir haben Tiere eingefangen, tote Schweine aus dem Anhänger geborgen und die verletzten Tiere medizinisch versorgt.“ Die Retter halfen, 15 ausgebüxte Rinder in Sauldorf wieder einzufangen oder befreiten an Heiligabend 2020 in Pfullendorf zwei Hunde aus einem Kanalrohr.
Die Feuerwehr Pfullendorf und die Tierrettung Südbaden pflegen seit fast zehn Jahren ein freundschaftliches Verhältnis. „2014 rief uns die Feuerwehr zur Hilfe, weil sich im Seepark ein Schwan total in einer Angelschnur verheddert hatte“, erinnert sich Metzger. Kürzlich stellte sich die Tierrettung mit einem Infostand beim Tag der Feuerwehr im Seepark vor.

Auch Höhen- und Großtierrettung
Bernd Metzger ist Rettungssanitäter und Feuerwehrmann bei der Freiwilligen Feuerwehr in Radolfzell. Wie kam er dazu, 2006 den Verein zur Tierrettung zu gründen? „Ich war nachts bei einem Sucheinsatz der Rettungshundestaffel dabei. Der Hund meiner Kollegin verschwand im Wald, als er zurückkam, hatte ein Ast seinen Oberschenkel durchbohrt. Damals fanden wir keinen Tierarzt. So entstand die Idee, eine Rettung für Tiere in Not zu gründen.“ Die aktiven Mitglieder lernen Erste Hilfe und Reanimation am Tier, es gibt Ausbildungen zum Tierunfall-, Tierrettungs- und Tiernotfallsanitäter. Eine Gruppe ist spezialisiert auf Höhenrettung, eine andere ist für die technische Großtierrettung zuständig. Auch eine Drohnenstaffel gehört zum Verein. „Wir sind deutschlandweit eine der größten Tierrettungen mit sieben Fahrzeugen und neun Anhängern“, sagt Metzger. „Wir finanzieren uns über Mitgliedsbeiträge und Spenden. Wir erhalten keinerlei Förderung von Kommune, Land oder Bund. Nur selten zahlen Kommunen die Pauschale von 65 Euro, wenn wir uns einem Fundtier annehmen. Werden wir von Tierhaltern gerufen, sind diese Einsätze kostenpflichtig.“
Schwan in der Fußgängerzone
An den ersten Einsatz erinnert sich Metzger noch gut. An einem Sonntagmorgen im April 2006 hatte sich in der Fußgängerzone in Singen ein Schwan verirrt. Er wurde eingefangen und an der Aach wieder freigelassen.Es gibt Phasen, in denen mittlerweile zwischen 120 und 150 Anrufe am Tag eingehen. Die Zahl der täglichen Einsätze liegt zwischen null und 20. „Im Jahr kommen 1400 bis 2000 Einsätze zusammen“, erzählt Metzger. Deutlich distanzieren möchte er sich von der Tierrettung Oberschwaben. Dieser wird unter anderem die Veruntreuung von Spendengeldern vorgeworfen.
Verein mit 220 Mitgliedern
Zehn Gründungsmitglieder um Bernd Metzger riefen 2006 die Tierrettung Südbaden ins Leben. Der gemeinnützige Verein hat seinen Sitz in Radolfzell und zählt 20 aktive sowie rund 200 passive Mitglieder. Seit 2014 arbeitet die Tierrettung immer wieder mit der Feuerwehr Pfullendorf zusammen. Der Wirkungskreis erstreckt sich im Bodenseekreis bis Meersburg. Neben den Landkreisen Konstanz und Sigmaringen ist die Tierrettung auch im Schwarzwald-Baar-Kreis im Einsatz, gelegentlich auch in Rottweil und Tuttlingen. Die Retter sind an 365 Tagen im Jahr täglich 24 Stunden erreichbar. Weitere Infos unter www.tierrettung-suedbaden.de