Beim Thema Störche scheiden sich die Geister: Viele Menschen freuen sich über die großen Vögel und ihr Geklapper in der Nachbarschaft, andere dagegen stören sich genau an diesem Geräusch und den Hinterlassenschaften der Tiere auf ihren Dächern oder in ihren Gärten.

Wie ist die Lage in Stockachs größtem Teilort Wahlwies? Die Storchenbeauftragte Astrid Wochner berichtet von 35 Nestern. Vier davon – alles Baumnester – sind in diesem Jahr neu hinzugekommen. Doch gerade in den Nestern sind die Tiere bedroht – durch achtlos weggeworfenen Müll.

Kritische Nester in Bäumen

Astrid Wochner hat dieses Jahr keine Beschwerden seitens der Einwohner erhalten. „Es gab nichts Negatives. Auch um die Nester gab es keine großen Kämpfe.“ In 17 Nestern seien die gleichen Paarungen anzutreffen wie im Vorjahr, beim Winkelstüble kämen seit mehreren Jahren die gleichen Störche zurück.

In Wahlwies gibt es in diesem Jahr 35 Storchennester. Vier neue Nester entstanden in Bäumen.
In Wahlwies gibt es in diesem Jahr 35 Storchennester. Vier neue Nester entstanden in Bäumen. | Bild: Claudia Ladwig

Zwei Nester sind diesmal nicht belegt: Eins wurde nicht angenommen, das andere eisern verteidigt. Die Storchenbeauftragte ist froh, dass es in Wahlwies keine Nestabstürze gab. Allerdings gebe es auch hier viele kritische Nester in Bäumen, die beispielsweise bei Unwettern oder auch aufgrund eines Ungleichgewichts zu kippen drohten.

Mindestens 61 Jungstörche im Ort

Sie gibt die Zahl der Jungstörche im Ort mit 61 Tieren an. Die habe sie gesehen, es könnten jedoch auch ein paar mehr sein. Neben Nestern ohne Junge gebe es vier Nester mit je drei Jungen, erzählt sie. Bei einer erfolgreichen Rettungsaktion habe sie ein herausgeworfenes Küken in ein anderes Nest gesetzt. „Die Vögel vertragen sich gut. Störche sind sehr tolerant, deshalb kann man die Küken beim Beringen auch anfassen.“

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Die Jungstörche sind jetzt so gut im Federkleid, dass sie selbst einen Regentag überstehen und die ganz kritische Phase hinter ihnen liegt. Gefahr droht laut Wochner möglicherweise den Storchenpaaren, die später gebaut haben und deren Küken noch jünger sind. Kritisch sei die Zeit, in der die Federn noch nicht da sind, die Eltern aber auch nicht mehr auf den Jungstörchen sitzen können, um sie vor dem Wetter zu schützen.

75 Prozent der Störche überleben das Jahr nicht

Astrid Wochner sagt, 75 Prozent der Störche würden das Jahr nicht überleben, weil sie unterwegs auf dem Weg in den Süden auf Strommasten und Greifvögel träfen oder im Wasser landeten. „Von dort können sie aber nicht starten, das ist ein Todesurteil für sie. Deshalb stauen sich die Vögel an der Küste zum Beispiel vor Gibraltar und warten auf gute Thermik, damit sie die Kilometer schaffen.“

Einige Störche wurden von Astrid Wochner beringt – am linken Bein, wie es in einem ungeraden Jahr üblich ist.
Einige Störche wurden von Astrid Wochner beringt – am linken Bein, wie es in einem ungeraden Jahr üblich ist. | Bild: Katharina Breitenbach

Statistisch gesehen brauche es 1,2 Küken pro Nest und Jahr, damit sich eine Storchenpopulation selbst trägt. „Da sind wir nicht. Bei uns waren es im letzten Jahr 0,8 oder 0,9“, so Wochner.

Stadtwerke rücken mit der Hebebühne an

Dieser Tage sollten die Jungstörche beringt werden. Wochner sagte dazu im Vorfeld: „Es ist allerhöchste Zeit, denn schon jetzt besteht teilweise die Gefahr, dass sie aus dem Nest herausspringen. Sie verlieren die Akinese (den Totstellreflex) mit etwa acht Wochen. Noch bin ich aber im Zeitrahmen.“

Mitarbeiter der Stadtwerke Stockach rückten mit der Hebebühne an, damit sie in Espasingen und in der Pestalozzi-Straße in Wahlwies an die Nester auf Strommasten kam. Auch für weitere Nester standen sie zur Verfügung, denn insgesamt sollten in zwölf Nestern 30 Küken beringt und acht zusätzlich besendert werden.

Bis zu etwa acht Wochen zeigen die Jungstörche einen Totstellreflex, wenn Gefahr droht. Wirft man ein Tuch über ihren Kopf, bleiben sie ...
Bis zu etwa acht Wochen zeigen die Jungstörche einen Totstellreflex, wenn Gefahr droht. Wirft man ein Tuch über ihren Kopf, bleiben sie auch beim Beringen ganz ruhig liegen. | Bild: Claudia Martin

Bisher erhielten die Senderstörche einen Rucksack mit Sender, der wichtige Daten über Flugrouten, Verhalten und Aufenthaltsorte lieferte. Jetzt gibt es würfelförmige Sender mit Solarmodulen, die ähnlich wie der Storchenring recht unkompliziert ans Bein geklippt werden.

Ein Küken muss eingeschläfert werden

Leider lief die Beringung nicht so wie geplant. Nach dem dritten Nest, sechs beringten und zwei besenderten Vögeln, versagte die Hebebühne ihren Dienst und Wochner konnte ihre Arbeit nicht fortsetzen.

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In einem Nest habe sie außerdem ein sehr geschwächtes Küken aus dem Nest schneiden müssen. Es sei mit Ballenschnur und Folie gefesselt gewesen, ein Bein sei abgestorben und das andere starke geschädigt gewesen. „Es musste eingeschläfert werden.“

Müll schadet den Vögeln

Astrid Wochner betont eindringlich: „Müll ist ein riesiges Problem für Störche und nach Stromleitungen und Straßenverkehr die Todesursache Nummer drei. Wenn der Storch den Bauch voller Gummiringe hat, ist der zwar voll, aber der Storch nicht satt und er verhungert in der Regel davon, wenn er sie nicht ausspeien kann. Plastikfolien verdichten die Nester, die Vögel sitzen im Schlamm und unterkühlen, andere verheddern sich in Schnüren. Sie bringen alles mit ins Nest, denn sie können nicht zwischen Nahrung und Müll unterscheiden.“

Diesen Müll fand Astrid Wochner in einem einzigen Nest. Nach Stromleitungen und Straßenverkehr sei Müll die dritthäufigste Todesursache ...
Diesen Müll fand Astrid Wochner in einem einzigen Nest. Nach Stromleitungen und Straßenverkehr sei Müll die dritthäufigste Todesursache bei Störchen. | Bild: Claudia Martin

Für sie gehöre der Storch zum Leben der Menschen dazu. Es sei ein toller Vogel, der beispielsweise auf frisch gemähten Wiesen tote Mäuse aufsammle, die sonst im Grünfutter wären.

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„Ein Storch wühlt nicht im Boden, er nimmt nur, was obendrauf liegt“, verdeutlicht sie. Auch sein Kot sei nicht vergleichbar mit dem von Tauben. Er erschwere es sogar Flechten, auf einem Dach Fuß zu fassen.