Wenn ein Mann eine Frau tötet, liegt eine Vermutung nahe: Er ist der böse Täter, sie das arme Opfer. Etwas anders war es im Fall eines Paars, dessen Streit 2018 im Stockacher Ortsteil Wahlwies eskalierte: Der 40-Jährige erwürgte seine 39 Jahre alte Frau an ihrem Geburtstag. Danach stellte er sich der Polizei. Während der Ermittlungen und der Gerichtsverhandlung zeigte sich: Die psychischen Krankheiten der Frau belasteten die Beziehung seit dem Beginn. Während der 41-Jährige versuchte, seiner Frau alles recht zu machen, zettelte sie Streitigkeiten aus dem Nichts an.
Die Frau war psychisch krank
Das Ehepaar stammte aus dem Raum Reutlingen und war in Wahlwies zu Gast, um den Geburtstag der Getöteten zu feiern. So hielt es der SÜDKURIER damals fest. Die 13 Jahre Beziehung waren geprägt von den psychischen Krankheiten der Frau. Sie litt unter einer Borderline-Störung, die sich mit einem gestörten Selbstbild und raschen Stimmungswechseln zeigt. Sie war außerdem essgestört und wog zum Zeitpunkt ihres Todes nur 49 Kilogramm bei einer Körpergröße von 1,76 Metern. Auch Depressionen waren ein Thema.
Sie habe sich schon eine Brücke ausgesucht, von der sie springen wollte, sagte der Angeklagte vor dem Landgericht Konstanz. Hundertfach habe sie mit Suizid gedroht und letztlich habe er sie umgebracht.
Ihr Geburtstag wurde zum Todestag
Der Geburtstag der Frau übte riesigen Druck auf den Angeklagten aus, sagte er vor Gericht aus. Denn Geburtstage seien für seine Frau traumatisch gewesen und die vorherigen beiden Feiern seien unglücklich verlaufen. Das war 2018 ähnlich: Erst gefielen ihr die Blumen nicht, dann die Musik. Nachdem seine Frau den Lieblingscocktail vom Tisch gewischt, Blumen und Kuchen weggeschmissen hätte, habe er sie erwürgt. „Jetzt reicht‘s“, rief der Angeklagte nach eigenen Angaben.

Er habe ihr gesagt, dass er nun ihren sehnlichsten Wunsch, zu sterben, erfülle. Erst, als er ihren leblosen Körper hielt, habe er erkannt, dass die „große Liebe seines Lebens“ weg ist. Einen ersten Suizidgedanken habe der Mann schnell verworfen. Dann alarmierte er selbst die Polizei. Zwei Tage später ergab die Obduktion der getöteten Frau, dass die 39-Jährige durch Strangulation gestorben ist. Der Haftantrag beschuldigte den Mann des Totschlags.
Krankheiten belasteten die Beziehung
Vor Gericht erzählte der Mann mehr über die Beziehung. Wenige Tage nach ihrem ersten Treffen 2004 feierten sie Silvester gemeinsam. In dieser Nacht habe der Angeklagte von ihren psychischen Krankheiten erfahren. Das Paar lebte in Berlin. Als die Psychotherapeutin der Frau 2009 in Rente ging, sei das der erste Knick der Beziehung gewesen, von dem sie sich nie wieder erholt hätten.
Wutausbrüche und Streitigkeiten habe es wöchentlich gegeben, „teilweise aus dem Nichts“, erzählte der Angeklagte. Im Frühjahr 2017 seien sie in den Raum Reutlingen umgezogen. Er arbeitete in Frühschichten, damit sie kaum alleine war. Sie lag währenddessen zu Hause auf der Couch.
Eine Zwangseinweisung störte das Vertrauen in der Beziehung. Der Mann ging zu einer Psychologin, um sich Tipps für den Umgang mit seiner Frau zu holen. Immer wieder habe sie mit Selbstmord gedroht. An eine Trennung habe er nie ernsthaft gedacht – aus Liebe und weil sie für ihre Krankheit nichts könne, so die damalige SÜDKURIER-Berichterstattung. Und es habe auch gute Tage gegeben.
Ausgerechnet die Mutter der Getöteten stützte das Bild des Angeklagten. Laut des Verteidigers war eine ihrer ersten Reaktionen nach der Nachricht vom Tod ihrer Tochter, dass diese nun auch noch das Leben ihres Ehemannes zerstört habe.
Das Urteil
Der Gutachter sah vor Gericht aufgrund der Leidensgeschichte des Angeklagten eine verminderte Schuldfähigkeit. Der Angeklagte erlebte die Tat selbst zum Beispiel eingeschränkt. „Der Angeklagte war am Ende seiner Kräfte“, sagte der Staatsanwalt. Schließlich wurden der 41-Jährige wegen Totschlags in einem minder schweren Fall verurteilt. Drei Jahre und sechs Monate Haft lautete das Urteil.