Alt-Bürgermeister Alfred Mutter hat in der Zwischenzeit seine Kandidatur als neuer Rathauschef in Volkertshausen wieder zurückgezogen, doch seine Pläne und die einer Bürgerinitiative bleiben ein Thema: Sie wollen Volkertshausen und andere Hegau-Kommunen zu einer Großgemeinde fusionieren. Der SÜDKURIER hatte über diese Überlegungen bereits mehrfach berichtet. Doch in Volkertshausen und auch in Aach mehren sich die Stimmen, die sich gegen die Fusion stemmen. Vor allem die Eigenständigkeit der Gemeinden wird von den Kritikern in Frage gestellt.

Doch können Gemeinden wie Volkertshausen, Aach, Steißlingen, Mühlhausen-Ehingen, Orsingen-Nenzingen überhaupt einfach so fusionieren? Der SÜDKURIER hat beim Regierungspräsidium (RP) in Freiburg und bei Experte Paul Witt, langjähriger Rektor der Hochschule für öffentliche Verwaltung, nachgefragt.

Wie funktioniert ein Zusammenschluss?

Laut der Pressestelle des RP handelt es sich bei einem Zusammenschluss von Gemeinden rechtlich um eine Grenzänderung. Wie Pressesprecherin Heike Spannagel auf Anfragen mitteilt, können Gemeindegrenzen freiwillig aus Gründen des öffentlichen Wohls mit Genehmigung der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde geändert werden. „Die Vereinbarung muss von den Gemeinderäten der beteiligten Gemeinden mit der Mehrheit der Stimmen aller Mitglieder beschlossen werden“, sagt sie.

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Vor der Beschlussfassung seien die Bürger zu hören, die in dem unmittelbar betroffenen Gebiet wohnen. Das gelte nicht, wenn über die Eingliederung einer Gemeinde in eine andere Gemeinde oder die Neubildung einer Gemeinde durch Vereinigung von Gemeinden ein Bürgerentscheid gemacht werde.

Übersetzt heißt das: Ein Alleingang aus einem der beteiligten Rathäuser ist nicht möglich.

Wie viele Gemeinden dürfen sich zusammenschließen?

Eine Höchstgrenze gibt es laut Heike Spannagel nicht, der geplante Zusammenschluss müsse allerdings dem öffentlichen Wohl entsprechen. Im Vergleich zum bisherigen Zustand müsse es einen Vorteil für die Allgemeinheit in organisatorischer, verwaltungstechnischer und wirtschaftlicher Hinsicht bringen.

Was würde eine Gemeindefusion bringen?

Laut Paul Witt spricht manches für eine Fusion, denn die Bewerberzahl für das Bürgermeisteramt sei seit Jahren generell rückläufig. Er führt das auch auf die Attraktivität von Gemeinden zurück. „Wir haben noch zu viele Kleinstgemeinden, die nicht viel bewegen können“, sagt der Kommunalpolitik-Experte. „Studierte Verwaltungsleute wollen nicht in kleine Gemeinden.“ Erst ab 5000 Einwohnern habe man eine vernünftige, gute Größe, wo ein Bürgermeister oder eine Bürgermeisterin etwas verwalten und gestalten könne. Bei weniger Einwohnern sei eine Gemeinde aus seiner Sicht wirtschaftlich nicht zu führen.

Baden-Württemberg habe da in den 1970er-Jahren einen Fehler gemacht und zu viele selbstständige Gemeinden übrig gelassen. Sein Tipp: Es sollte vom Land für die Gemeinden eine Fusionsprämie pro Einwohner geben, wenn sie sich mit anderen zusammentun. „So macht es Rheinland-Pfalz bis heute“, so Witt. Allerdings hat das kleine Bundesland auch wesentlich mehr Gemeinden als etwa Baden-Württemberg: Dort sind es rund 2301, hier 1101.

Braucht es einen Bürgerentscheid?

Laut Angaben des Regierungspräsidiums müssen die Bürger im Vorfeld einer Gemeindefusion gehört werden. Der Gemeinde stünden dafür zwei Varianten zur Verfügung: eine Bürgeranhörung oder ein Bürgerentscheid. Dabei gibt es wesentliche Unterschiede.

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„Mit einem Bürgerentscheid können Bürger Angelegenheiten, für die der Gemeinderat zuständig ist, selbst entscheiden“, teilt RP-Sprecher Matthias Henrich mit. Ein Bürgerentscheid könne von den Bürgern über ein Bürgerbegehren verlangt werden. Der Gemeinderat könne aber auch selbst mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen aller Mitglieder entscheiden, zu einer bestimmten Angelegenheit einen Bürgerentscheid durchzuführen.

Davon zu unterscheiden sei laut Henrich eine Anhörung der Bürger, diese sei zwar zwingend erforderlich. Aber: „Bei der Anhörung handelt es sich lediglich darum, die Auffassung der von der Gebietsänderung betroffenen Bürger festzustellen.“ Allerdings sei das Ergebnis der Anhörung weder für den Gemeinderat noch für die Rechtsaufsicht bindend.

Heike Spannagel, Pressesprecherin beim RP: „Bei der Neubildung einer Gemeinde ist der Name in der zu schließenden Vereinbarung zu ...
Heike Spannagel, Pressesprecherin beim RP: „Bei der Neubildung einer Gemeinde ist der Name in der zu schließenden Vereinbarung zu regeln. Bei der Genehmigung durch das Regierungspräsidium ist in Bezug auf den Namen unter anderem zu prüfen, ob der vorgeschlagene Name nicht zu Verwechslungen führen kann.“ | Bild: Rau, Jörg-Peter

Darf die neue Großgemeinde Hegau heißen?

Alfred Mutter hat eine klare Vorstellung geäußert, wie die neue Großgemeinde heißen solle: Gegenüber dem SÜDKURIER bestätigte er kürzlich, dass er sich den Namen Hegau vorstellen könne. Ob dies rechtlich zulässig wäre, darüber kann das RP aktuell keine genaueren Angaben machen. „Bei der Neubildung einer Gemeinde ist der Name in der zu schließenden Vereinbarung zu regeln. Bei der Genehmigung durch das Regierungspräsidium ist in Bezug auf den Namen unter anderem zu prüfen, ob der vorgeschlagene Name nicht zu Verwechslungen führen kann und historische, geografische, wirtschaftliche oder sonstige wesentliche Gesichtspunkte des öffentlichen Wohls für ihn sprechen“, so Heike Spannagel.

Wie lange dauert ein Zusammenschluss zweier oder mehrerer Gemeinden?

Bürgermeister-Kandidat Mutter hatte zudem im SÜDKURIER angekündigt, den Zusammenschluss binnen zweier Jahre zu realisieren – um dann zurückzutreten. Auch hier kann das RP keine Angaben machen, ob dieser Zeithorizont realistisch ist. Laut Spannagel hänge die Dauer vom Einzelfall ab. „In der erforderliche Vereinbarung müssen allerdings umfangreiche Regelungen enthalten sein, für deren Ausarbeitung allein die Ermittlung der Grundlagen einige Zeit in Anspruch nehmen dürfte. Erfahrungsgemäß gilt dies auch für den politischen Willensbildungsprozess“, sagt sie.

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Eine abschließende Einschätzung von Verwaltungsprofi Paul Witt ist klar: Das Anliegen der Bürgerinitiative und dem früheren Bürgermeister Alfred Mutter sei gut, die Vorgehensweise in seinen Augen allerdings verkehrt. „Da muss man die Bevölkerung mitnehmen.“ Dass dies in der Kürze der Zeit bislang nicht gelungen ist, nennt Alfred Mutter als einen der Gründe für seinen Rückzug.