Herr Gebhardt, seit wann und wo überall gibt es wie viele Biber im Landkreis?
Der Biber war komplett ausgerottet, vor 30, 40 Jahren ist er im Landkreis Waldshut erstmals wieder aufgetaucht. Das lag vor allem daran, dass die Schweiz und Bayern in den 1970/1980er Jahren erfolgreich Wiederansiedlungsprojekte durchgeführt haben. Von dort kommen die Biber zu uns.
Sie sind mittlerweile in allen Gemeinden des Landkreises zu finden, überall dort, wo Wasser ist, am Rhein, an der Wutach, an der Steina. Offizielle Zahlen, wie viele es sind, gibt es derzeit noch nicht. Baden-Württemberg weit geht man von rund 12.000 Bibern aus.
Warum braucht es einen Bibermanager?
Da wo Tiere und Menschen aufeinandertreffen, kann es immer zu Problemen und Konflikten kommen. Meine Aufgabe ist es, die Rückkehr des Bibers in den Landkreis Waldshut für alle Seiten, für den Biber, den Menschen, Betriebe und Natur, so angenehm wie möglich zu gestalten. Das ist mit viel Arbeit verbunden und die erfordert enge Kontakte zu den Gemeinden des Landkreises.
Welche besonderen Fähigkeiten des Bibers können zu Konflikten führen?
Biber sind dynamische Landschaftsgestalter und das einzige Tier, das wie der Mensch, seinen Lebensraum ständig verändert. Er baut Dämme und staut Wasser, was zu Überschwemmungen von ufernahen Straßen, Bahngleisen und Wiesen führen kann.
Seine Gänge, Höhlen und Burgen können Straßen und sogar Gebäude einstürzen lassen. Hinzu kommt: Der Biber ist ein reiner Pflanzenfresser. Im Winter, wenn das Nahrungsangebot begrenzt ist, ernährt er sich vor allem von Baumrinde. Dadurch bringt er Bäume zu Fall.
Und wie sieht die andere Seite der Medaille aus? Was bringt der Biber dem Menschen?
Er schafft Gewässerrückhalte in der Landschaft und ist für den Wasserkreislauf und die Artenvielfalt sehr wichtig. Früher vom Menschen begradigte Flüsse werden jetzt wieder aufwendig entgradigt und renaturiert. Das macht der Biber kostenlos für uns. Dort, wo er aktiv ist, entstehen kleine Seen und kahle Stellen in Uferbereichen.

Sie werden zum Lebensraum für andere Tiere, etwa für den Eisvogel. Er verdankt seine Rückkehr dem Biber. Durch die wechselhafte Landschaft, die der Biber schafft, finden Vögel und Amphibien mehr Nahrung. Seine Aktivitäten bewirken in kurzer Zeit eine Revitalisierung der Natur und für den Menschen entstehen Naherholungsgebiete.
Deshalb steht der Biber auch unter strengstem Schutz. Man darf ihn nicht stören, darf nicht in seine Reviere eindringen. Was man aber darf, ist das eigene Grundstück sichern.
War da nicht kürzlich diese Geschichte in Tschechien?
Ja, ein ehemaliges Militärübungsgelände nahe Prag sollte renaturiert werden. Alles war schon geplant, aber Biber waren schneller. Bevor die Bagger rollten, haben sie durch den Bau von Dämmen das Gebiet in ein paar Tagen wieder in ein Feuchtgebiet verwandelt. Das, wofür wir oft viel Geld ausgeben und Jahre brauchen, macht der Biber kostenlos in kurzer Zeit.
Biber sind gute Architekten?
Ja, er findet bei Problemen immer wieder einen Weg und eine Lösung. In der Regel aber für seine eigenen Zwecke. Biber reagieren immer wieder neu auf Veränderungen und sind jede Nacht am Werk. Der Biber ist sehr hartnäckig. Das macht den Umgang mit ihm für Fachleute schwierig und interessant zugleich.
Können Sie uns dafür ein Beispiel nennen?
In Hohentengen hat sich in einem kleinen Teich ein Biber angesiedelt. Er hat den Weg im Uferbereich untergraben, sodass er eingebrochen ist. Wir haben ihn wieder auf Uferhöhe aufgefüllt. Der Biber hat den Weg nicht wieder untergegraben, dafür aber seinen Damm erhöht, so dass Wasser auf eine Streuobstwiese gelaufen ist und dadurch Bäume abgestorben sind.
Wir haben daraufhin eine Röhre in den Damm eingebaut, damit das Wasser abfließen kann. Bis jetzt funktioniert es. Der Weg ist wieder begehbar, die Bäume stehen nicht mehr unter Wasser und der Biber hat jetzt sogar einen Namen.
Haben Sie auch ab und zu direkten Kontakt zu Bibern?
Ja, das kommt vor. Einmal hat sich ein Jungbiber auf eine Terrasse in Stühlingen verirrt. Er muss irgendwie von weiter oben durch einen Zulauf dorthin gekommen sein. Ich habe ihn in eine blaue Tonne gepackt und an der Wutach wieder ausgesetzt. Das war nicht ganz einfach, denn Biber haben sehr scharfe Zähne.
Wie ist der Ablauf, wenn es zu Konflikten zwischen Mensch und Biber kommt?
Der Landkreis tut viel, um Konflikte zu lösen. Bei Problemen und Fragen kann man sich bei mir unter der E-Mail-Adresse bibermangement@landkreis-waldshut.de melden. Außerdem gibt es relativ neu, ehrenamtliche Ansprechpersonen in den Gemeinden. 21 wurden im Frühjahr vom Regierungspräsidium Freiburg ausgebildet. Die Theorie haben sie online gelernt.
Bei einem Praxistag im Landkreis wurden ihnen Biberreviere gezeigt und mögliche Konflikte und Lösungen näher gebracht. Wer sich Sorgen macht, dass ein Biber seine Gehölze fressen könnte, für den hat der Landkreis zum Beispiel ein Lager in Stühlingen mit entsprechendem Schutzmaterial, das man bestellen kann.
Kostet das Material etwas?
Nein, man bekommt es kostenlos. Nur anbringen muss man den Schutz selber. Präventive Maßnahmen und das dafür benötigte Material werden grundsätzlich gefördert, nicht aber die Zeit.
Stimmt es, dass viele Probleme entstehen, weil wir zu nahe an Gewässer rangehen?
Ja. Bäume müssten weiter weg von Gewässerrändern gepflanzt werden, um dem Biber und der Natur mehr Raum zu geben. Gesetzlich sind innerorts fünf Meter, außerorts zehn Meter breite Uferstreifen vorgesehen. Ideal wäre es aber, dem Biber 20 Meter zu überlassen.
In diesem Bereich ist er vor allem aktiv. Und dann gäbe es sehr viel weniger Konflikte mit ihm. Es gibt in diesem Zusammenhang auch Förderungen. Wir, die Ehrenamtlichen und ich, wollen in nächster Zeit verstärkt auch in Schulen gehen, um aufzuklären. Es gibt noch viel Unwissenheit über den Biber.
Ist das Verständnis für den Biber mittlerweile nicht groß oder zumindest gewachsen?
Doch, das Verständnis für ihn ist gewachsen, vor allem, weil bei Problemen Ansprechpartner da sind. Immer mehr Menschen finden, dass der Biber ein tolles Tier ist. Er hat mehr und mehr eine Lobby. Die Werbung hat ihn auch längst entdeckt. Früher hat eine bekannte Zahnpasta-Marke mit ihm geworben.
Als unermüdlicher Erbauer und Macher ist er auch das Markenzeichen der orangefarbenen Baumarktkette. Auch in Fabeln kommt er vor. Er wird dort häufig Meister Bockert genannt und als sehr fleißig und arbeitsam beschrieben, was er ja auch ist.
Wie sehen Sie die Zukunft des Bibers im Landkreis Waldshut?
Wir haben im Landkreis noch nicht den höchsten Stand der Biberpopulation erreicht. Dennoch wird auch die Zukunft mit den Werkzeugen des Bibermanagements händelbar sein. Eine Überpopulation an Bibern wird es nie geben, weil der Bestand sich selbst reguliert. Biber sind territorial.
Wenn eine Familie ein Revier besetzt, wird es verteidigt, kein weiteres Tier kann sich dort ansiedeln. Wenn nach etwa zwei Jahren die Biberkinder den Bau verlassen müssen und kein eigenes Revier finden, können sie sich nicht fortpflanzen und sterben in der Regel. Ich sage immer, es kann 100 Prozent Biber geben, aber nie 120 Prozent.